Analyse nach der Niederlage:"Die CSU ist in jedem Belang zweitstärkste Kraft"

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  • Die Münchner CSU wollte bei der Kommunalwahl gewinnen: das Amt des Oberbürgmeisters und die Mehrheit im Stadtrat. Beide Ziele hat die Partei verfehlt.
  • Gerade beißt die CSU die Zähne zusammen und beruhigt sich damit, dass das Ergebnis "in etwa so zu erwarten" war.
  • Irgendwann, spätestens wenn die Corona-Krise zurückgeht, wird eine Debatte einsetzen. Offen ist, ob sich das Murren auch gegen Kristina Frank richten wird.

Von Heiner Effern

Kristina Frank, die OB-Kandidatin der CSU, hat am späten Abend ein Fazit ihres langen Wahlkampfs gezogen. "Die CSU ist in jedem Belang zweitstärkste Kraft in dieser Stadt", erklärt sie. Das entspricht exakt den Tatsachen. Bei der Wahl zum Oberbürgermeister belegte sie im ersten Wahlgang den zweiten Rang hinter Dieter Reiter (SPD), dem sie nun in der Stichwahl deutlich unterlegen ist. Auch ihre Fraktion landete auf Platz zwei, in der Stadtratswahl zogen die Grünen deutlich vorbei. Bei 25,7 Prozent der Stimmen blieb die CSU hängen, so wenig hatte sie seit 1990 nie erzielt. Doch wie soll die Partei dieses Ergebnis nun finden? Ist es eine Niederlage oder doch ganz in Ordnung, in Anbetracht der Umstände?

Die Debatte darüber wird einsetzen, doch auch sie wird vorerst durch die Corona-Krise gebremst. Die Linie der Münchner Parteispitze zeichnet sich aber schon klar ab. Die Personalie Frank, die überwiegend auf ihre Initiative hin beschlossen wurde, sieht man als gelungen an. Ihr Ergebnis sei "respektabel", sagte der Münchner CSU-Chef Ludwig Spaenle noch am Stichwahlabend. Sein Stellvertreter, Justizminister Georg Eisenreich, sieht das am Tag danach genauso. Dass Frank in die Stichwahl gekommen sei, das freue ihn sehr. "Wirklich ein Erfolg", sagt er. Dass sie gegen Amtsinhaber Reiter dann mit 28,3 Prozent untergegangen ist? Das hatten sie sich in der CSU schon vorher so ausgerechnet, indem sie die Stimmen von Reiter und der ausgeschiedenen Grünen-Kandidatin Katrin Habenschaden zusammengezählt haben. "Wie erwartet" sei die Stichwahl ausgegangen, sagt nicht nur Eisenreich.

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Als stärkste Kraft im Rathaus werde man Sondierungsgespräche mit CSU und SPD führen, sagt Grünen-Fraktionschefin Habenschaden - in einem Raum, der groß genug ist, um sich nicht zu nahe zu kommen.

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Die CSU beißt gerade die Zähne zusammen und beruhigt sich damit, dass das Ergebnis "in etwa so zu erwarten" war. Gerne wird als Maßstab auf das Landtagsergebnis von 2018 verwiesen, das man nun auch bei der Kommunalwahl erzielt habe. Dass dieses das miserabelste aller Zeiten war, kommt in der Analyse eher nicht vor. Dafür erwähnt man den viel schlimmeren Zustand konservativer Parteien in den Großstädten Hamburg, Berlin oder sogar Wien. Doch ein Dreivierteljahr nach der Landtagswahl in Bayern, im Sommer 2019, haben Spaenle und Eisenreich drei Ziele ausgegeben: den Sieg bei der OB-Wahl, stärkste Fraktion im Stadtrat zu werden und ein Ergebnis, das keine Regierungsmehrheit ohne die CSU zulässt.

Erreicht hat die CSU keines ihrer drei selbst gesteckten Ziele. Bei der Wahl zum OB ist nachvollziehbar, dass man als CSU nicht anzutreten braucht, wenn man nicht auf Sieg setzt. Das hätte die eigene Kandidatin beschädigt. Man wusste aber intern natürlich, dass dieses Ziel reichlich unrealistisch ist. Die eigene Kandidatin war neu, noch ziemlich unbekannt und musste sich mit einem beliebten Amtsinhaber auseinandersetzen, der wenig Angriffsfläche bot. Frank habe einen engagierten Wahlkampf geliefert, sagt ihr Vorgänger als Kandidat und CSU-Vize-Chef in München, der Landtagsabgeordnete Josef Schmid. Die Situation sei vergleichbar gewesen zu seinem ersten Anlauf im Jahr 2008 gegen den damaligen Amtsinhaber Christian Ude (SPD). Franks und sein leicht besseres Ergebnis spielten "in einer Liga".

Momentan wird noch im Untergrund gegrummelt

Bei der Wahl zum Stadtrat hingegen waren beide Ziele der Münchner Parteispitze zwar auch ambitioniert, aber durchaus ernst gemeint. Stärkste Fraktion zu werden, "ich habe gedacht, dass wir das schaffen", sagt Schmid. Die Strategie mit dem Slogan "Wieder München werden" und die Themen hätten auch gezogen, die OB-Kandidatin sei die richtige gewesen, man habe die eigene Klientel angesprochen und an die Wahlurne gebracht.

Die Grünen hätten jedoch viele Stimmen von Nichtwählern mobilisiert, das sei der CSU nicht gelungen. Es müsse nun der nächste Schritt folgen, es reiche nicht, beim Erreichen der Stammwähler "stehen zu bleiben". Nun müsse man überlegen, wie man in der politischen Mitte und bei den bisherigen Nichtwählern Stimmen ziehen könne. Das sei aber "ausdrücklich" nicht als Kritik zu verstehen an der jetzigen Strategie und dem Personal, sagt Schmid.

Aber natürlich weiß er ebenso wie Spaenle und Eisenreich, dass es in der CSU auch ganz andere Stimmen geben wird. Momentan grummeln die noch im Untergrund, doch die interne Kritik am rückwärtsgewandten Wahlkampf war und ist auch an der Basis zu hören. Eine brummende Metropole auf fehlende Gemütlichkeit zu prüfen, kam als eine der Hauptbotschaften nicht bei allen an. Auch die Frage, ob die Spitzenkandidatin mit Yoga auf Bürodächern und einem Fahrradvehikel als Wahlkampfmobil die perfekte und glaubhafte Protagonistin für diesen Wahlkampf war, steht im Raum. Insbesondere als zum Ende hin die Kontroverse Auto gegen Rad von der CSU hochgezogen wurde.

Bürgermeister und Fraktionschef Manuel Pretzl, der mit Frank eine Doppelspitze im Wahlkampf bildete, hält das für die falsche Analyse. Die CSU habe "mobilisiert, was möglich war". Die Ausgangslage sei extrem schwierig gewesen. "Man darf nicht vergessen, wo wir herkommen." Pretzl erinnert an die großen Demonstrationen wie etwa gegen das Polizeiaufgabengesetz, an die "Fridays for Future"-Kundgebungen, an das Bienen-Volksbegehren, an eine politische Stimmung in den vergangenen eineinhalb Jahren, die es einer konservativen Partei wie der CSU extrem schwer gemacht habe.

Was kommt nach dem Kommunalreferat? Eine Karriere im Landtag?

Tatsächlich gab es in der Münchner Partei analog zur Landtagswahl die Befürchtung, dass ein noch viel größerer Tiefschlag als ein Minus von 7,8 Prozent drohen könnte. Nun gibt es eine Art Aufatmen. Dazu trug mit Sicherheit bei, dass die Fahrt nach unten exakt an einer psychologisch wichtigen Grenze stoppte: Hätte die CSU anstatt der 20 künftig nur 19 Stadträte ins Rathaus entsenden können, wäre der Zorn der Kritiker über den mutmaßlichen Rauswurf aus der Regierung wohl viel schneller und offener aufgeflammt. Man tröstet sich offiziell damit, dass beim Blick in die Stadtviertel ein schwarz-grüner Flickenteppich zu sehen ist. Dazu kommt, dass niemand weiß, welchen Effekt die Corona-Krise auf des Wahlergebnis hatte oder auch nicht.

Nun wartet die CSU ab, ob die Grünen sie wie erwartet zu Sondierungsgesprächen einladen. Man sei sich der "Verantwortung für die Stadt bewusst", heißt es. Aber die meisten gehen davon aus, dass sie nach sechs Jahren Regierung wieder in der Opposition landen werden. Kristina Frank hat bereits erklärt, dass sie weiter Kommunalreferentin bleiben wird. Ihre Amtszeit endet erst im Sommer 2024.

Manche mutmaßen, dass ihr nach so viel Söder-Lob im Wahlkampf auch eine Karriere im Landtag offen stünde, möglicherweise mal mit einer Kabinettsperspektive. Andere weisen darauf hin, dass die CSU in München mit Frank, Pretzl und der parteinahen Gesundheitsreferentin Stephanie Jacobs so viele starke Figuren habe, dass auch eine erneute OB-Kandidatur wie bei Schmid kein Selbstläufer sein müsse. Bürgermeister Manuel Pretzl muss damit rechnen, dass ein grün-rotes Bündnis kommt und er seinen Posten räumen muss. Er kann aber in seinen Job als Chef des Jagdmuseums zurück und hätte gut Lust, auch aus der Opposition heraus die Fraktion weiter zu führen: "Ich stehe zur Verfügung, wenn mir die Fraktion ihr Vertrauen schenkt."

© SZ vom 31.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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