Verkehr in München:Ciao Stau!

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Alles steht, einer rollt: Auf Münchner Straßen gab es auch 2021 wieder rekordverdächtig viel Stillstand - und entsprechend viele Möglichkeiten, im Stau Botschaften zu platzieren. (Foto: Wolfgang Maria Weber/Imago)

Ein Münchner Busfahrer sendet eine smarte Botschaft. Allerdings kommt die - wie vieles auf den Straßen der Landeshauptstadt - ein bisschen spät.

Von René Hofmann

Mit der Poesie ist es wie mit dem Protest: Das eine wie das andere zeigt sich mitunter unverhofft und an unerwarteten Orten. Auf der Straße zum Beispiel. Die Klimakleber machen sich das zunutze; Stau generiert Ärger und Aufmerksamkeit. Doch der stockende Verkehr bietet noch weitere Chancen. Ein Münchner wollte ihn zuletzt in seinem Sinne nutzen, indem er hinter der Heckscheibe seines SUV einen großen Bildschirm platzierte, über den er LED-Aussagen flimmern ließ. Allerdings eher unflätiger Art. Vor ein paar Wochen wurde er in Ludwigsfeld aus dem Verkehr gezogen.

Andernorts werden die Fahrwege schon länger für den Austausch von Statements genutzt. In den USA gibt es die Tradition der bumper sticker: Die Aufkleber, ursprünglich ersonnen als Werbebotschaften für Touristenattraktionen, die man auf die verchromten Stoßstangen der parkenden Autos klebte, haben sich zur politischen Willensbekundung entwickelt. Seit der Kür von Dwight D. Eisenhower 1953 ist ihre Verwendung in Präsidentschaftswahlkämpfen belegt - was die besondere Form des Gegeneinanders bei Auffahrunfällen um eine spannende Dimension erweiterte. Kein Wunder, dass ein Sozialpsychologe der Colorado State University inzwischen wissenschaftlich belegt hat, dass es klug ist, zu Autos mit vielen Stickern einen besonders großen Sicherheitsabstand zu halten. Ob derlei auch hierzulande gilt, wo die Sticker-Kultur mit Sprüchen wie "Gendern ist, wenn der Sachse mit dem Boot umkippt" eher in der Keimphase ist, muss noch erforscht werden.

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Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls ein Münchner Busfahrer zu loben, dem es in der vergangenen Woche glückte, Form und Botschaft vorbildlich zusammenzuführen: im Anzeigenfeld über der Windschutzscheibe. Auf schwarzen Grund verkünden gelbe Pixel dort normalerweise nüchterne Dinge: die Busnummer und das Ziel. Oder: "Ausrückfahrt, nicht einsteigen". Für Poesie ist zwischen "Messestadt Ost" und "Westfriedhof" nur wenig Platz. Der Mann aber ließ sein Gefährt auf dem Weg zum Einsatz mit der Botschaft "Ciao Stau!" rollen - und das am Tag, nachdem eine Studie ergeben hatte, dass München auch 2021 in Deutschland wieder die Stadt mit dem meisten Stillstand war. Perfektes Timing, smarte Botschaft: Viel besser geht es fast nicht. Oder vielleicht doch? Wer mag, darf höhnen: Der Bus kommt ein bisschen spät! Denn mit diesem Slogan sollten Pendler schon einmal zum Umsteigen motiviert werden - im Spätsommer 2020.

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