Sozialgerechte Bodennutzung:Der Aufstand der Bauträger

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Das Unternehmen Münchenbau baut in viel in der Landeshauptstadt, hier in Pasing. Wegen eines geplanten Projekts in Moosach ist der Firmenchef wütend auf die Stadt. (Foto: Sebastian Gabriel)

Die grün-rote Rathauskoalition treibt die Verschärfung der Sobon-Regeln voran. Bei Investoren stößt das auf Unmut - vor allem bei bereits geplanten Projekten.

Von Sebastian Krass

"Das Vorgehen der Stadt ist für uns nicht akzeptabel und widerspricht dem Vertrauensschutz": Der Ärger von Friedrich Neumann muss gewaltig sein, dass er so auf Planungsreferat und Stadtrat losgeht - wohl wissend, dass er beide noch brauchen wird, um sein Bauvorhaben umsetzen zu können. Aber der Gründer des Bauträgers Münchenbau hat eine offensive Strategie gewählt in der Diskussion um neue, für Investoren schmerzliche Regeln zur Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon), wie sie die grün-rote Rathauskoalition vorantreibt.

Die Sobon regelt, welche Gegenleistungen ein privater Bauherr erbringen muss, damit die Stadt ihm wertvolles zusätzliches Baurecht für Wohnungen auf seinem Areal gibt. Bisher etwa müssen 40 Prozent der Wohnungen gefördert oder preisgedämpft sein. Neumann liefert mit seiner Attacke zugleich ein Fallbeispiel für die Konflikte bei dem Thema zwischen Stadt und Immobilienwirtschaft.

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Das Bauprojekt, um das Neumanns Ärger kreist, ist in Moosach geplant, beidseits der Feldmochinger Straße, zwischen Bingener und Thorner Straße und angrenzend an die Kunst- und Veranstaltungsstätte "Botanikum". Etwa 500 Wohnungen sollen dort entstehen, nach bisherigen Überlegungen würde die Stadt etwa drei Viertel davon errichten, ein Viertel der Flächen entfiele auf Grundstücke, die der Münchenbau gehören.

Eigentlich, so stellt es Neumann dar, sollte der Stadtrat in diesem Jahr mit einem Aufstellungsbeschluss das Verfahren für einen neuen Bebauungsplan starten, den es braucht, um dort Wohnungen bauen zu dürfen. Nun aber habe ihm das Planungsreferat mitgeteilt, dass es diesen Beschluss vorerst nicht gibt, "weil der Stadtrat unser Bebauungsplanverfahren möglicherweise den geplanten Sobon-Neuregelungen unterwerfen will".

Die Fraktionen von Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Stadt die zuletzt im Jahr 2017 geänderten Sobon-Regeln so verschärfen soll, dass künftig 50 statt 40 Prozent der Wohnbauflächen preisreguliert sein müssen, und dass diese nicht mehr der Investor baut, sondern dass sie direkt an die Stadt gehen. Mit diesem Modell will die Koalition die bisherige Bindungsfrist der Mietpreise von in der Regel 25 Jahren überwinden und über viel längere Zeiträume bezahlbaren Wohnraum sichern.

Das Planungsreferat legte im Herbst Reformideen vor, OB Dieter Reiter (SPD) hat Gespräche mit den Bauträgern aufgenommen. Zum Stand der Gespräche will er sich nicht äußern, man habe Verschwiegenheit vereinbart, "nur so viel: Mir geht es um eine möglichst schnelle Neufassung der Sobon, wenn irgendwie möglich noch im ersten Quartal 2021". Bisher haben Stadt und Investoren die Sobon-Regeln stets im Einvernehmen ausgehandelt.

Wann beginnt ein Bauprojekt?

Derzeit aber scheint es noch Differenzen zu geben. Nach dem ersten Gespräch mit Reiter verschickte der Ausschuss Immobilienwirtschaft des Wirtschaftsbeirats Bayern eine Mitteilung, in der er die Abgabe von 50 Prozent der Flächen "als Teilenteignung privater Wohnungsbauer" ablehnt. Das sei "keine Weiterentwicklung der im Konsens vor nur drei Jahren fortgeschriebenen Sobon, sondern ein radikaler Systemwechsel". Das werde den privaten Wohnungsbau auf Sobon-Flächen "zum Erliegen bringen".

Allerdings klingt auch an, dass die Immobilienwirtschaft sich bereits mit den neuen Regeln abfindet: Man fordere, "dass eine Neuregelung, nicht wie derzeit geplant, rückwirkend gelten kann", sondern nur für Projekte, die nach "einer Einigung auf eine neue Sobon-Regelung begonnen oder angekauft werden".

Da knüpft auch Friedrich Neumann von der Münchenbau an: Er habe die Grundstücke im Bewusstsein der bisherigen Sobon-Regeln gekauft, "aber wenn plötzlich nicht mehr 40, sondern 50 Prozent gelten, bricht unsere Kalkulation wie ein Kartenhaus zusammen", klagt er. Seine Firma gehört in München zu den mittelgroßen Bauträgern; sie errichtet derzeit einen Wohn- und Geschäftskomplex an der Paul-Gerhardt-Allee in Pasing und ein Wohnprojekt an der Steinerstraße in Sendling.

Nur, wann beginnt ein Bauprojekt? Wenn der Investor die Grundstücke kauft oder wenn der Stadtrat mit dem Aufstellungsbeschluss den Startschuss gibt? Und was ist mit der Zeit dazwischen, in der es stets Vorgespräche gibt zwischen Investor, Verwaltung und Politik? Ein Sprecher des Planungsreferats tritt Neumanns Darstellung entgegen, es habe eine Vereinbarung über einen Aufstellungsbeschluss in diesem Jahr gegeben. Von Seiten des Referats habe es dafür "auf Leitungsebene keine Zusage" gegeben. Richtig sei aber, dass man den Beschluss vorbereite.

Bei etwaigen Ausnahmen müssten für alle "die gleichen nachvollziehbaren Kriterien" gelten

Diese Auskunft lässt allerdings die Interpretation zu, dass Neumann auf unterer Ebene des Referats eine Zusage bekommen haben könnte. Weiter erklärt der Referatssprecher, man habe vorgeschlagen, "dass die neuen Grundsätze der Sobon grundsätzlich für alle Bebauungsplanverfahren gelten sollen, für die noch kein Aufstellungsbeschluss vorliegt".

Dieser Zeitpunkt sei auch in der Vergangenheit bei Sobon-Reformen maßgeblich gewesen. Demnach wäre die Zeit zwischen Grundstückskauf und Aufstellungsbeschluss eine Phase erhöhten Geschäftsrisikos für den Investor mit seinem Kartenhaus. "Letztlich", betont das Planungsreferat, "obliegt der Politik die Entscheidung, welche Verfahren nach welchen Verfahrensgrundsätzen durchgeführt werden."

Die Grünen-Stadträtin Anna Hanusch ist Vorsitzende der größten Stadtratsfraktion. Sie kennt die Klage der Münchenbau und hat von weiteren Fällen gehört, bei denen Investoren jetzt schnell einen Aufstellungsbeschluss herbeiführen möchten. Man prüfe derzeit, ob man für einzelne Projekte, bei denen die Vorplanung schon eine Weile läuft, doch noch die bisherigen Sobon-Regeln anwenden könne, sagt Hanusch. "Falls wir hier Ausnahmen zulassen, müssen für diese Entscheidung für alle die gleichen nachvollziehbaren Kriterien gelten."

Ob es solche gebe, prüfe das Planungsreferat. Es sollten sich aber nicht zu viele Investoren Hoffnung machen: "Wenn wir alle Planungen, die schon einen etwas längeren Vorlauf haben, als Altfall betrachten, können wir das mit der neuen Sobon auch gleich lassen", betont Hanusch. "Und es wird auf jeden Fall nicht darum gehen, wer am lautesten nach den alten Sobon-Regeln schreit."

© SZ vom 16.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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