Anklage gegen Münchner:Die "Sexpresser" bitten zur Kasse

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Viel mehr als einen Computer mit Internet-Anschluss braucht es nicht, um bei entsprechend krimineller Energie Cyber-Angriffe zu starten. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Kompromittierende Filme im Internet: Der bayerischen Cybercrime-Zentralstelle gelingt es, eine international agierende Bande zu enttarnen und ihren Kassenwart in Deutschland festzunehmen.

Von Martin Bernstein

Eine international agierende Cybercrime-Bande hat Männer mit Sex-Videos erpresst. Wegen banden- und gewerbsmäßiger "Sextortion" in 24 vollendeten und neun versuchten Fällen hat die Zentralstelle Cybercrime Bayern jetzt Anklage gegen einen 24 Jahre alten Sicherheitsmitarbeiter aus München erhoben. Dem Mann von der Elfenbeinküste wird vorgeworfen, als Mitglied einer größeren Bande für den Empfang und die Weiterleitung der erpressten Gelder zuständig gewesen zu sein. Er war bereits im März festgenommen worden.

Laut Bamberger Generalstaatsanwaltschaft war die Bande seit Ende 2019 in Deutschland sowie im benachbarten Ausland aktiv. Der von der Tätergruppierung verursachte Gesamtschaden liegt europaweit bei mindestens 295 000 Euro. Über Dating-Portale oder soziale Netzwerke wurden die allesamt männlichen Opfer von Frauen, die zu der Bande gehörten, angeschrieben. Die Frauen gaukelten ihren Opfern Interesse an einer Freundschaft auf sexueller Basis vor. Gingen die Männer darauf ein, wurde die Kommunikation über verschiedene Instant-Messaging-Dienste im Videoformat fortgesetzt.

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Irgendwann ließen die Frauen im Videochat die Hüllen fallen und nahmen sexuelle Handlungen an sich vor. Dann wünschten sie sich von ihren Internet-Partnern Ähnliches. Die Männer, die dieser Aufforderung nachkamen, saßen damit bereits in der Internet-Falle. Denn ihre sexuellen Handlungen wurden durch die Täter - ohne dass die gutgläubigen Geschädigten dies wussten - online mitgefilmt und gespeichert. Nach den Frauen meldeten sich dann die "Sexpresser", wie es im Polizeijargon heißt, bei ihren Opfern und spielten ihnen die kompromittierenden Videosequenzen vor. Nur mit Geld, hieß es dann, könne man die Sache aus der Welt schaffen. Andernfalls werde das Filmmaterial online gestellt oder gleich gezielt an Partnerin, Freunde oder andere Kontaktpersonen der Geschädigten verschickt.

Im In- und Ausland wurden zahlreiche Männer erpresst

Bayerische Sicherheitsbehörden konnten schließlich die Erpresserbande in der westafrikanischen Côte d'Ivoire (Elfenbeinküste) lokalisieren. Nach intensiven Ermittlungen der Kriminalpolizeiinspektion Würzburg und der Zentralstelle Cybercrime Bayern wurde der Angeschuldigte bereits Anfang März 2022 festgenommen, er sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Die akribische Auswertung der Bankkonten des 24-Jährigen ergab, dass zahlreiche Männer im In- und Ausland erpresst worden waren. Weil aber viele von ihnen nicht identifiziert werden konnten, konzentrierten sich die Ermittlungen auf die in Deutschland wohnenden Opfer. Aufgabe des Münchners im kriminellen Netzwerk war es laut Generalstaatsanwaltschaft, seine Bankkonten für den Empfang erpresster Gelder zur Verfügung zu stellen und Teile der Beute in sein westafrikanisches Heimatland zu transferieren. Insgesamt flossen allein auf die Konten des Angeschuldigten knapp 70 000 Euro. Gegen den Mann wurde inzwischen Anklage zum Schöffengericht des Münchner Amtsgerichts erhoben. Dem 24-Jährigen wird gewerbs- und bandenmäßige Erpressung in 33 Fällen vorgeworfen. Das Gesetz sieht für jeden Einzelfall eine Freiheitsstrafe von einem bis zu 15 Jahren vor.

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