S-Bahn:Das Störwerk der Stammstrecke

Lesezeit: 3 min

Prominenter Besuch im Stellwerk: Kristina Frank, Ronald Pofalla, Klaus-Dieter Josel, Markus Söder und Kerstin Schreyer. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Das Stellwerk am Münchner Ostbahnhof ist berüchtigt, weil es häufig die S-Bahn lahmlegt. Es soll bis 2023 durch ein neues ersetzt werden. Doch zunächst dient es als Kulisse für den Wahlkampf.

Von Andreas Schubert, München

Es ist recht eng in jenem Raum, in dem der Zugverkehr für den Münchner Osten geregelt wird. Vor allem, wenn sich eine politische Delegation samt Journalistentross hineindrängelt, um zu erfahren, wieso es hier so oft zu Störungen kommt und was die Deutsche Bahn unternimmt, um das Problem in den Griff zu bekommen. Am Donnerstag hat sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im Stellwerk am Ostbahnhof über die anstehende Erneuerung der über 50 Jahre alten Anlage informiert, und zwar bei DB-Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla persönlich. Mit dabei waren Bayerns neue Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr, Kerstin Schreyer (CSU), sowie Kristina Frank, die Münchner Kommunalreferentin und Oberbürgermeisterkandidatin der CSU - weil bald die Stadtspitze gewählt wird, gilt es auch, Präsenz zu zeigen. Und das berüchtigte Stellwerk Ost ist ein Thema, das sehr viele Menschen regelmäßig aufregt. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) indes war wegen Krankheit verhindert.

Dass das alte Relais-Stellwerk bis 2023 durch ein neues elektronisches ersetzt wird, ist länger bekannt, auch dass dies etwa 220 Millionen Euro kosten wird, das Geld kommt vom Bund. Nun verspricht die Bahn zudem, dass sie sich beim Austausch der anfälligen Anlage beeilt. Bis Mai 2023 soll sie fertig sein, ein halbes Jahr früher als zunächst geplant. Sie soll dann so gut funktionieren wie das vor neun Jahren in Pasing installierte Stellwerk.

Verspätungen
:Die Münchner S-Bahn ist "nicht zufriedenstellend"

Zu diesem deutlichen Urteil kommt die Bayerische Eisenbahngesellschaft. Nur 93,8 Prozent der Züge fuhren im vergangenen Jahr pünktlich - das war früher deutlich besser.

Von Andreas Schubert

Die alte Anlage am Ostbahnhof ist ein sogenanntes Relais-Stellwerk aus den Sechzigerjahren. In einem Stellwerk hat ein Fahrdienstleiter alle Strecken in seinem Bereich im Blick, sei es auf einem Computerbildschirm oder auf einer Schalttafel. Von hier aus wird das Schienennetz gesteuert. Drei Fahrdienstleiter lenken die Züge am Ostbahnhof auf die richtigen Gleise, schalten Signale und stellen die Weichen. Sie richten "Fahrstraßen" ein, sagen die Eisenbahner. Detektoren im Gleis melden, wenn ein Abschnitt frei ist. Nur dann kann der Fahrdienstleiter einen Zug auf die Strecke schicken. Wenn etwas nicht stimmt, muss der Fahrdienstleiter den Zugverkehr aufhalten, bis der Fehler behoben ist. Ist der Fahrdienstleiter sicher, dass trotz eines roten Signals kein Zug auf der Strecke ist, kann er diese auch per Funk freigeben.

Dass das Stellwerk so oft ausfällt, hat abwechselnde Gründe. Es können etwa Kabel beschädigt sein, Überspannungen auftreten oder Einzelkomponenten wie Achszähler ausfallen. An den elektromagnetischen Relais selbst kann auch Staub zu Störungen führen. Ganz untätig war die Bahn am Ostbahnhof übrigens nicht und hat zwischen 2011 und 2017 verschiedene Maßnahmen ergriffen. Es gibt jetzt getrennte sogenannte Anschaltbereiche für den Linienast nach Giesing, auf dem die S3 und die S 7 verkehren, den übrigen S-Bahnverkehr und die Fernbahn mit Fern-, Regional- und Güterverkehr. Wenn eine Störung auftritt, ist nach Angaben der Bahn in der Regel nur noch einer dieser Bereiche betroffen, während in den anderen Bereichen der Verkehr weiter rollen kann. Außerdem hat die DB die Stromversorgung des Stellwerks am Ostbahnhof nachgerüstet und dabei zahlreiche Kabel erneuert.

Eine moderne computergesteuerte Stellwerkstechnik (ESTW) ist im Münchner Westen mit dem Knoten Pasing und den Ästen nach Tutzing, Geltendorf und Mammendorf im Einsatz. Die S-Bahn-Stammstrecke und die Strecken im Raum Rosenheim, Kufstein und Freilassing sind schon länger auf ESTW-Technik umgestellt.

Das neue Stellwerk am Ostbahnhof ist nach Angaben von Stephan Schmidt, DB-Netz-Infrastrukturchef für München, bereits genehmigt. Jetzt folgen die Ausschreibungen, Ende dieses Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen. Diese ziehen sich hin. Rund 1000 sogenannte Stellwirkungen wie Achszähler, Weichen und Signale müssen eingebaut werden. Parallel dazu läuft der Zugverkehr weiter mit der alten Stellwerkstechnik, die laut Pofalla und Bayerns Bahnchef Klaus-Dieter Josel verstärkt gewartet werden und so weniger störanfällig werden soll. Auf die neue Technik wird nach Abschluss der Bauarbeiten an verschiedenen Wochen 2023 umgeschaltet. Gesteuert werden die Strecken im Osten künftig von der Betriebszentrale an der Donnersbergerbrücke aus. Das alte Stellwerksgebäude am Ostbahnhof wird nicht mehr gebraucht. Die Bahn überlegt derzeit, was sie mit dem Gelände anfangen will. Unter anderem sind Werkswohnungen für Bahnmitarbeiter im Gespräch.

Genau vor einem Jahr ist Söder samt Medientross drei Stationen mit der S-Bahn gefahren, um sich ein Bild vom Betrieb in München zu machen. Schon damals kritisierte er den ÖPNV als zu teuer. Jetzt forderte er wieder ein 365-Euro-Ticket für Studenten. Weiter sprach er sich dafür aus, Planungs- und Bauprozesse zu beschleunigen. Die Stadt München und der Freistaat müssten gemeinsam alles tun, um den ÖPNV zu verbessern. Dies bekräftigte auch Reiter in einer verschickten Erklärung. Er begrüße es sehr, dass Söder "meine dringende Bitte zur Chefsache gemacht hat und die Sanierung des Stellwerks am Ostbahnhof vorgezogen wird", hieß es darin.

© SZ vom 07.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Verkehr in München
:S-Bahn nach Geretsried soll Ende 2028 fahren

Im Februar sollen den Bürgern die Planungsunterlagen vorgelegt werden. Die Kosten für den Streckenausbau belaufen sich auf einen dreistelligen Millionenbetrag.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: