Kultur im Olympiapark:Das wird das längste Open-Air-Festival Münchens

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Werden am 1. August auftreten: Django 3000. (Foto: Christian Barz)

Acht Wochen lang spielen Musiker bei freiem Eintritt auf der "Sommerbühne" im Olympiastadion.

Von Michael Zirnstein, München

Die "Sommerbühne im Olympiastadion" ist mehr als nur der Lichtblick für die Münchner Live-Entertainment-Branche, von dem hier bei der Präsentation viele sprachen, inklusive der Zweiten Bürgermeisterin Katrin Habenschaden. An diesem Tag brutzelt das Licht brutal von der offenbar rechtzeitig aufgewachten Sommersonne herab auf den Asphalt hinter der Nordtribüne und macht den sonst von Imbissbuden-Warteschlangen durchkreuzten Platz zu einem Gewächshaus der lokalen Kulturwelt. Am Samstag, 1. August, gibt die Chiemgauer Bavaro-Gypsy-Folkband Django 3000 hier den Auftakt zum bisher längsten Open-Air-Festival Münchens.

Die Scheiben des Zeltdachs erinnern an eine Zeit, als Plexiglas noch kaum zum Virenschutz eingesetzt wurde. Hier schützen sie vor Schlechtwetter, dem Feind aller Open-Air-Freunde und -Veranstalter. "Es gibt keine Ausreden", ruft die Hausherrin Marion Schöne, die Chefin der Olympiapark GmbH. 2019 sei München deutscher Rekordhalter mit den meisten Stadionkonzertbesuchern gewesen, berichtet sie, 500 000 Gäste strömten zu acht Events herein. Dank der improvisierten Sommerbühne, die der Verband der Münchner Kulturveranstalter (VdMK), in dem die Olympiapark GmbH eines von 80 Mitgliedern ist, organisiert, werden es heuer vielleicht 20 000 insgesamt sein.

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Eigentlich sei der Platz unter dem Norddach für bis zu 8000 Zuschauer zugelassen, "vielleicht kommen wir da noch hin", sagt Schöne nicht ganz im Ernst, "wenn der Ministerpräsident weitere Erleichterungen verkündet". Nach Vorgaben der Staatsregierung sind im Stadion bis dato wie fast überall bei Draußen-Kultur nur 400 Gäste erlaubt. Aber immerhin: "Keiner wird nass."

Dass keiner im Regen steht, dafür waren der Corona-Niederschlag und das dreimonatige Veranstaltungsverbot zu heftig; aber die Stadt hat einen Schirm über die private Veranstalterwirtschaft aufgespannt. 950 000 Euro hat der Stadtrat Anfang Juli für das gesamt Kulturprogramm inklusive Stadion- und Wanderbühne im Rahmen der Volksbelustigung "Sommer in der Stadt" freigegeben. "Eine Handreichung an eine Branche, die sich in der Corona-Krise besonders schwertut", erklärte Habenschaden.

Der Deal ist folgender: Für die Besucher sind alle Konzerte kostenlos, sie müssen sich nur Sitzplätze über das Internetportal muenchenticket.de reservieren, ihre Kontaktdaten hinterlassen und, um Virenstau zu vermeiden, eine gute halbe Stunde vor Beginn eintreffen. Die Stadt stellt den Ort, die Bühne (ein Lastwagenanhänger) sowie die Technik, und sie bezahlt Ton- und Lichtleute und weiteres Personal und "faire Gagen" an die Künstler, wie Stadtdirektor Marek Wiechers vom Kulturreferat versprach, damit dieses achtwöchige Festival nicht auf dem Rücken derer ausgetragen werde, die am meisten gelitten haben.

Und was haben die davon, die das ganze angestoßen haben? Die Kulturschaffenden von Recuestage, von Münchenhältzamm und die Mitglieder des VdMK? Jeder kann ein paar Künstler, die in seinem geschlossenen Club oder an anderer Stelle hätten auftreten sollen, hierherbringen, und bekommt von der Stadt noch eine kleine Aufwandsentschädigung. "In einem absoluten Ausnahmezustand ist das für uns ein Lichtblick", sagt Patrick Oginski von Südpol und vom VdMK-Vorstand. Jedes attraktive Konzert helfe, das Publikum wieder aus seiner Menschenscheu und seiner Lethargie zu holen. Denn: "Wir verkaufen momentan alle keine Tickets."

Aus den vielen Terminwünschen der Veranstalter hat ein Team um Danijela Kufner von Polarkonzerte und Christian Kiesler von Target binnen Kürze ein Programm quer durch alle popkulturellen Genres zusammengestellt, bei dem vor allem Lokalhelden aus München und der Region zum Zug kommen.

Mit dabei sind auch Friends of Gas... (Foto: Fabian Beger)

Die Aussicht, in dem schicken Baudenkmal aufzutreten, das bereits die Olympischen Spiele, die Sechziger, den FC Bayern und Rocklegenden wie die Rolling Stones beherbergt hat, ließ sogar smarte Routiniers wie die Konzeptrocker F.S.K., die heuer 40-jähriges Bestehen feiern, die Faust recken: "Kein Witz! F.S.K. live im Olympiastadion München am 16. August", postete deren Mastermind Thomas Meinecke auf Facebook, darunter das Bild einer Kanone, wie sie AC/DC hier bereits abfeuerten.

F.S.K. werden vom Münchner Label Disco B. veranstaltet, die Hip-Hopper Roger ( Blumentopf), Sixkay, Weltuntergang, Lisaholic und DJ Explizit von der Agentur Boom Clack (2. 8.), die Salzburger Szenestars Amy Wald und Please Madame von Innsite Booking (3. 8.), Münchens Krach-Exportschlager Friends of Gas von Target (4. 8.), die Mundart-Boygroup Pam Pam Ida von Fame (6. 8.), der Pop-Liedermacher Pohlmann von Polarkonzerte (26. 8.) und Niederbayern-Rapper Bbou vom Club2.

Auch die Münchner Plattenlabel schicken ihre Künstler hierher: Der Giesinger Anarcho-Verlag Trikont Gudrun Mittermeier und Die Realität (5. 8.), Echokammer Salewski und Tom Wu (9. 8.),Gutfeeling G.Rag und Leonie singt 13. 8.), Compost seine Edel-DJs Thomas Herb, Michael Reinboth und Sharokh Dini (9. 9.). Münchner Kulturstätten geben Gastspiele: die Milla mit Bernadette La Hengst und Angela Aux (7. 8.), die Muffathalle mit Zugezogen Maskulin (12.8.), das Backstage mit Lacrimas Profundere (15. 8.) oder das Feierwerk mit My Sleeping Karma (21. 8.).

... und Gudrun Mittermeier. (Foto: Gerald von Foris)

Viele weitere folgen noch - und dieses neue Miteinander ist die große Chance, wie Christian Kiesler sagt: "Die Sommerbühne ist ein großes Lernfeld für uns alle, um Konzepte zu entwickeln für die Zeit nach dem Sommer, da schauen wir mit großer Sorge hin." Für die Branche braucht es mehr als einen Lichtblick.

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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