"Sommer in der Stadt":Ein Hauch Volksfest

"Sommer in der Stadt"

Vor dem Riesenrad am Königsplatz können Münchner sich mit etwas Fantasie vorstellen auf einem richtigen Volksfest zu sein.

(Foto: Stephan Rumpf)

An vielen Stellen können die Münchner jetzt Rummelplatz-Atmosphäre erleben. Das regt die Fantasie an, zeigt aber auch, was alles fehlt.

Von Franz Kotteder

Mit ein bisschen Fantasie ist das Leben viel einfacher. Und manchmal braucht man sie ganz einfach auch. Zum Beispiel hier auf dem Königsplatz, vor dem großen Riesenrad. Dann kann man sich vorstellen, dass man auf einem richtigen Volksfest ist. Und nicht auf einem, das der frühere Oberbürgermeister Erich Kiesl (CSU) vermutlich wegen der paar Buden, dem Kettenkarussell und den Fahrgeschäften fürs Kindergartenalter in Hinterpfuideifi verortet hätte. Immerhin: Es gibt, typisch München eben, auch ein "Proseccostüberl" in Biergartenform. Stößchen!

Freitagmittag, 13 Uhr, Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) eröffnet als eine der letzten Amtshandlungen vor Antritt seines Urlaubs den "Sommer in der Stadt" vor dem Riesenrad am Königsplatz. "Mindestens sechs Wochen lang", so Reiter, könnten die Münchner jetzt einen Hauch von Volksfeststimmung erleben ("mindestens", weil der Stadtrat am Mittwoch noch schnell beschlossen hat, bis Anfang Oktober zu verlängern, so sich die Sache denn trägt). In nur gut zwei Monaten, "so schnell, wie man es der Verwaltung nicht immer unterstellt", so Reiter, habe man ein Programm zusammengestellt, das "kein Ersatz für das Oktoberfest sein kann". Das aber Schausteller, Marktkaufleute, Kunst- und Kulturschaffenden die Möglichkeit geben solle, sich zu zeigen und etwas Geld zu verdienen: "Wir wollten nicht tatenlos zusehen, wie ganze Branchen so schwer in Mitleidenschaft gezogen werden."

"Sommer in der Stadt": OB Dieter Reiter bei der Eröffung vor dem Riesenrad am Königsplatz.

OB Dieter Reiter bei der Eröffung vor dem Riesenrad am Königsplatz.

(Foto: Stephan Rumpf)

Und weil zu diesen Branchen auch die Musik gehört, durften zur Eröffnung vor dem Riesenrad auch Günther Sigl und Barny Murphy von der Spider Murphy Gang aufspielen. "Ihr werdet nicht draufkommen", so Sigl, "wie unser Stück hoaßt" - na klar, da braucht's nicht viel Fantasie: Es war "Sommer in der Stadt", ihr Hit aus dem Jahr 1982. Da wippten viele der rund 200 Münchner, die zur Eröffnung gekommen waren (darunter sicher auch ein paar ganz normale Bürger), mit den Füßen mit. Bei der Liedzeile: "I renn' nackert durch den Englischen Garten" möchte man sich den Sänger Sigl, Entschuldigung!, heute nicht mehr unbedingt vorstellen, aber gut. Und bei: "I schau' ma japanische Touristen o beim Glockenspui aufm Marienplatz" musste er selber lachen, denn die gibt es ja mittlerweile praktisch gar nicht.

Ob ein Hauch von Volksfest auf dem Königsplatz und an anderen Stellen dazu beitragen können, dass die internationalen Touristen wieder nach München kommen, wie Wirtschaftsreferent Clemens Baumgärtner (CSU) neulich in einer Vorlage für den Stadtrat schrieb? Man muss das bezweifeln. Auch wenn man dank des Riesenrads die Propyläen, die Glyptothek und die Antikensammlung endlich mal von oben sehen kann: In Gedanken sieht man ja auch die Verluste mit - also das, was alles fehlt zu einem richtigen Volksfest, so wie es vor Corona einmal gewesen ist.

Freilich: Der Königsplatz ist ja nur ein Ausschnitt des "Sommers in der Stadt", es gibt noch eine ganze Menge mehr Orte, an denen etwas passiert oder noch passieren wird. Die Mini-Dulten auf dem Mariahilf-, Weißenburger, Orleans- und Wittelsbacherplatz etwa, die Kulturbühnen im Gasteig, beim Stadtmuseum, im Innenhof des Deutschen Theaters oder beim Valentin-Karlstadt-Musäum sowie viele andere kleine Orte, die in den nächsten Wochen noch dazukommen werden.

Oder zum Beispiel der Olympiapark. Der ist so weitläufig, dass sich die Abstandsregeln auch bei etwas größerem Andrang einhalten lassen müssten. Und so gibt es dort ebenfalls ein Riesenrad, die Wildwasserbahn Rio rapido, Autoscooter, Dosenwerfen, Irrgarten und diverse andere Dinge, die Freude machen. Zum Auftakt am Freitagmittag ist die Freude noch recht verhalten. Der einzige Passagier im Riesenrad trägt ein blaues Polohemd mit der Aufschrift "Willenborg", ist also ein Angestellter des Schaustellers.

"Sommer in der Stadt": Im Olympiapark gibt es ein Riesenrad, die Wildwasserbahn Rio rapido, Autoscooter, Dosenwerfen, Irrgarten und diverse andere Dinge, die Freude machen.

Im Olympiapark gibt es ein Riesenrad, die Wildwasserbahn Rio rapido, Autoscooter, Dosenwerfen, Irrgarten und diverse andere Dinge, die Freude machen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Im Irrgarten verläuft sich gerade niemand, die Dame an der Kasse sagt aber: "Doch, heute waren schon ein paar da!" Vor der Torwand im Sportstudio finden bestenfalls Geisterspiele statt. Die Dame in der Bude mit dem Dosenwerfen schaut gedankenvoll in die Ferne, wo sich mutmaßlich Kunden befinden. Ein paar hundert Meter weiter, auf dem Tollwood-Gelände, steht der imposante, 90 Meter hohe Bayern-Tower, nicht weit weg davon der Heidi-Coaster, eine recht wilde Achterbahn. Auch hier herrscht am ersten Tag, kurz nach 14 Uhr, wenig Betrieb. Das dürfte sich in den nächsten Tagen ändern, wenn sich der "Sommer in der Stadt" etwas herumgesprochen hat. Man kann es nur hoffen für die Schausteller. Der Bayern-Tower zum Beispiel hatte erst letztes Jahr Premiere auf der Wiesn und ist noch lange nicht abbezahlt.

Und dann gibt es noch den eigentlich gewohnten Volksfestplatz. Ein bisschen was gibt es auch auf der Theresienwiese. Green City hat ein paar Palmen aufgestellt, es gibt ein Riesentrampolin und diverse Sportaktionen. Oben im Nordteil findet man gar eine einsame Mandelhütte. So, als habe sie sich verlaufen oder wollte einfach nur stur auf dem Platz stehen, auf dem sie sonst auch jedes Jahr steht.

"Sommer in der Stadt": Auf dem Kettenkarussell am Königsplatz hatten die ersten Besucher am Freitag bereits ihren Spaß.

Auf dem Kettenkarussell am Königsplatz hatten die ersten Besucher am Freitag bereits ihren Spaß.

(Foto: Stephan Rumpf)

Aber trotz des recht verhaltenen Auftakts: Mit ein bisschen Fantasie kann man sich gut vorstellen, dass aus der Sache was wird. Gerade im Olympiapark hat man eigentlich schon fast so etwas wie ein richtiges Volksfest. Und wer mit der Familie eine Radltour unternehmen will und mehrere Orte abklappern will, das Ganze vielleicht noch mit einem Konzert beim Stadtmuseum oder einem Kabarettabend am Deutschen Theater abrundet, der hat den Tag über ganz schön was erlebt und wird die Wiesn womöglich gar nicht vermissen.

Gut, dafür sollte er aber schon eine ordentliche Portion Fantasie mitbringen.

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Abendstimmung im Olympiapark in München, 2012

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Riesenräder im Olympiapark und auf dem Königsplatz, Marktstände und Fahrgeschäfte, Konzertbühnen und Trampolinparks an verschiedenen Orten. So sieht der "Sommer in der Stadt" aus.

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