Streetart in München:Hochhäuser werden zu Kunstwerken

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Das lokale Streetart-Kollektiv "Der blaue Vogel" hat ein Hochhaus in Neuperlach bemalt. (Foto: Florian Mayr/MGS)

In Neuperlach gibt es zwei neue großflächige Graffiti. Sie sollen der Anfang sein für eine Freiluftgalerie im Münchner Südosten.

Von Lea Kramer

Von der Aussichtsplattform auf dem Hügel im Ostpark ragt ein besonders stufiges Gebirge in Richtung Wolken: Die Hochhäuser am Neuperlacher Karl-Marx-Ring sind in den vergangenen 50 Jahren selten für ihre Schönheit gerühmt worden. Das könnte sich bald ändern. Gerade sind an den nackten Wänden zwei großflächige Kunstwerke fertig gestellt worden. Das lokale Streetart-Kollektiv "Der blaue Vogel" und der italienische Graffitikünstler "Peeta" haben die Auftaktbilder für eine neue Freiluftgalerie im Münchner Südosten geliefert.

An der Kreuzung Hugo-Lang-Bogen, Kurt-Eisner-Straße und Karl-Marx-Ring, einem dieser überdimensionierten Straßenzüge wie sie zu Zeiten der autogerechten Stadtplanung zukunftsweisend schienen, schaut nun ein Flötenspieler vom achten Stockwerk herab. Auf seinem Musikinstrument sitzt ein blauer Vogel. Das Bild ist eine Hommage an den 1994 verstorbenen Künstler Wolfgang Niesner. Der Zeichner und Grafiker war 1970 in das neu entstandene Münchner Stadtviertel gezogen. In seiner Neuperlacher Druckwerkstatt und dem Atelier arbeitete er sich auch am Wohnen in der Trabantenstadt ab. Scherenschnitte zeigen Männer, die ihre Autos Gassi führen oder sich mit ihnen im Sonnenstuhl räkeln.

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Einst dienten sie den Münchnern als öffentliche Toiletten, heute werden viele ehemalige Klohäusl ganz anders genutzt: als Lokal, als Stadtteilbüro oder als Galerie. Ein Streifzug zu ganz besonderen Örtchen.

Von Lea Kramer

Niesners Bub mit der Querflöte neu interpretiert und an die Hausnummer 75 gebracht hat das Münchner Künstlerkollektiv "Der blaue Vogel". Die Werke der fünf Sprayer sind seit einigen Jahren an Wänden in ganz Deutschland zu sehen, doch auch in München gibt es Bilder von ihnen zu entdecken. So stammen etwa Motive im Olympiabad, den Brückenpfeilern an der Isar oder die jährliche Wiesn-Wand an der Tumblinger Straße aus den Dosen der Streetart-Gruppe. In Neuperlach waren sie ebenfalls schon aktiv, allerdings nicht mit dauerhaften Bildern. Bevor das Quiddezentrum abgerissen wurde, entwarfen sie dort einen bunten Zoo. Häufig ins Bild integriert: ein blauer Vogel.

Unabhängig voneinander seien die Künstler Robert Posselt alias "Kult" und Rafael Gerlach alias "SatOne" auf ihn zugekommen, weil sie gerne in Neuperlach sprühen wollten, erzählt Florian Mayr von der Münchner Gesellschaft für Stadterneuerung mbH (MGS). Als Stadtteilmanager begleitet er das städtische Sanierungsprogramm in Neuperlach. "Dabei geht es auch um die Identitätsbildung im Stadtteil", sagt er. Mithilfe von Kunst könne das gut gelingen. "Wir treffen uns nicht am Karl-Marx-Ring, sondern am Flötenspieler, hilft auch bei der Orientierung", sagt er.

Auch der italienische Künstler Manuel di Rita, besser bekannt unter seinem Pseudonym "Peeta", hat sich in Neuperlach verewigt. (Foto: Florian Mayr/MGS)

Für das Kunstprojekt hat die städtische Wohngenossenschaft GWG die Fassaden einer ihrer Wohnanlagen zur Verfügung gestellt und auch Geld beigesteuert, finanziert worden ist es darüber hinaus vom Kulturreferat und der Stiftung Straßenkunst der Stadtsparkasse. In 25 Metern Höhe des GWG-Turms hat sich auch der italienische Künstler Manuel di Rita, besser bekannt unter seinem Pseudonym "Peeta", verewigt. Er bezeichnet seine Arbeiten selbst als "Sprühdosen-Kunst und darüber hinaus".

In Neuperlach hat er an einem Aufzugturm und um einige Fenster herum blau-graue, geschwungene Formen in 3D-Optik erschaffen. Von Weitem erwecken sie den Eindruck, als wäre die Häuserfassade in Bewegung. "Unser Plan ist, dass jedes Jahr ein Bild entsteht", sagt Stadtteilmanager Mayr. In den kommenden Jahren soll es regelmäßig Festivals für Straßenkunst geben und so eine regelrechte Freiluftgalerie etabliert werden.

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