Es ist das zweite Mal in diesem Jahr, dass der ehemalige Leiter der Münchner Musikhochschule Siegfried Mauser eine schriftliche Aufforderung zum Haftantritt erhalten hat. Bereits im Januar sollte der durch alle Instanzen rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter in der Justizvollzugsanstalt Landsberg erscheinen. Doch Mauser verließ das Land gen Salzburg. Vom dortigen Landesgericht hat er jetzt ebenso eine Ladung erhalten: Bis Ende Juli soll der 66-Jährige in der Haftanstalt Puch-Urstein einpassieren. Um das zu verhindern, hat Mauser nun den Hamburger Staranwalt Johann Schwenn mandatiert, der unter anderem Wettermann Jörg Kachelmann vertrat - und aktuell den Verdächtigen im Fall der verschwundenen Madeleine McCann.
Die Causa Mauser und die gerichtliche Aufarbeitung seiner Sexualdelikte zieht sich seit nunmehr fünf Jahren. 2015 begann die Prozess-Serie gegen den Musikprofessor. Damals hatten ihn zwei Frauen aus dem Umfeld der Musikhochschule wegen sexueller Nötigung angezeigt. "Mit Verlaub, Sie sind ein Grapscher", hatte damals das Amtsgericht in seinem Urteil Mauser vorgeworfen und ihn schuldig gesprochen. Mauser klagte sich durch alle Instanzen, am Ende blieb eine Haftstrafe von neun Monaten auf Bewährung in einem Fall der sexuellen Nötigung stehen.
Zwischenzeitlich hatte 2017 der zweite Prozess begonnen: Eine Sängerin, die sich bei ihm vorstellte, griff Mauser mehrfach massiv an. Eine Frau, die sich einen Job an der Musikhochschule erhoffte, vergewaltigte er. Das stellte das Landgericht München I in seinem Urteil fest. Wegen sexueller Nötigung in drei Fällen erhielt Mauser zwei Jahre und neun Monate. Das Gericht bezweifelte nicht, dass die Tat im Büro des Hochschul-Präsidenten so stattgefunden habe, allerdings habe sich die Frau nach altem Sexualstrafrecht nicht ausreichend zur Wehr gesetzt. Im Oktober 2019 bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil.
Kurz nach Weihnachten 2019 flatterte am Münchner Wohnsitz des ehemaligen Präsidenten die Aufforderung zum Haftantritt bis 13. Januar 2020 ins Haus. Aber Mauser blieb fern. Stattdessen verlegte er, der bis 2016 Rektor des Mozarteums war, seinen Wohnsitz nach Salzburg. Mauser besitzt sowohl die deutsche wie auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Daraufhin beantragte die Münchner Staatsanwaltschaft einen europäischen Haftbefehl für den Musikprofessor. Der stellte Antrag auf Strafvollstreckungsübertragung nach Österreich. Anschließend sei es "coronabedingt" zu Verzögerungen gekommen, heißt es beim Landesgericht Salzburg. Doch zum 29. Juni, sagt Richter Andreas Wiesauer, sei Mauser die Aufforderung zum Haftantritt zugestellt worden. Nun habe er einen Monat Zeit, anzutreten.
"In Österreich haben sie ganz andere Möglichkeiten", meint Rechtsanwalt Alexander Stevens. Seine Kanzlei hatte Mauser in beiden Prozessen vertreten. Im Nachbarland sei "auch ein offener Vollzug oder das Tragen einer Fußfessel" möglich. Zudem laufe immer noch die Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht, in der moniert wird, dass Mauser lediglich aufgrund einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation verurteilt wurde. Dem Vernehmen nach soll Mauser noch eine österreichische Kanzlei beschäftigen - und den streitbaren Promi-Anwalt Johann Schwenn. Der bestätigte gegenüber der SZ das Mandat, ob und wie er nun Siegfried Mauser vor dem Gefängnis bewahren will, dazu wollte er keine Angaben machen.
Alexander Stevens hatte bereits im Januar angekündigt, man könne ein Gnadengesuch beim Justizministerium einreichen oder eine Petition zum Landtag geben. Rein rechtlich könnte der Vollzug nur verschoben werden, wenn Mauser an einer Geisteskrankheit leidet oder sein körperlicher Zustand mit einer Haft nicht vereinbar ist. Ein vorübergehender Aufschub ist laut Paragraf 456 nur möglich, "sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen".
Rechtsanwältin Antje Brandes, die die vier Opfer von Mauser in den Prozessen vertrat, findet die ganze Sache nur noch "beschämend". "Es ist weder für die Opfer noch für die Gesellschaft nachvollziehbar, dass durch entsprechende finanzielle Mittel oder Beziehungen jemand die Haft nicht antritt." In einer Demokratie sei diese Ungleichbehandlung nicht hinnehmbar.