Münchner Momente:Kahle Konstante im Advent

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Auch ohne Christkindlmarkt: Ein Christbaum wird aus in diesem Jahr vor dem Münchner Rathaus aufgestellt. Hier das Exemplar aus dem Vorjahr. (Foto: Robert Haas)

Wie gut, dass in diesem Corona-Ausnahmejahr wenigstens auf den Christbaum auf dem Marienplatz Verlass ist. Der Anblick war zwar nicht immer schön, aber diesmal zählen sowieso andere Qualitäten.

Glosse von Anna Hoben

Der Advent 2020 wird vielleicht der erste Advent seit Jesu Geburt, der den Namen stade Zeit wirklich verdient hat - wenn auch ein bisschen anders, als die Münchnerinnen und Münchner sich das wohl wünschen würden. Stade Zeit, das heißt heuer: kein Christkindlmarkt, kein Schlendern von Stand zu Stand, kein Treffen mit Freunden auf einen oder zwei viel zu süße Glühwein, kein Geruch von Punsch und Bratwurst, keine Weihnachtsfeier. Doch bei all den schönen, vertrauten Dingen, die in diesem Jahr nicht gehen, gibt es immerhin eine verlässliche Konstante: Auch 2020 wird auf dem Marienplatz ein Christbaum stehen. Aufgestellt werden soll er in der Woche vor dem ersten Advent.

Okay, wenn man das mit der verlässlichen Konstante ernst nimmt, dann wird der Baum keine Schönheit sein, damit die Münchner etwas zum Schimpfen haben. Er wird vielleicht, wie immer wieder in den vergangenen Jahren, ein bisschen schief sein oder ein bisschen kahl. Er wird damit ganz gut zu diesem eher schiefen und irgendwie kahlen Jahr passen. Kurzer Blick zurück: 2019 mussten die Münchner froh sein, dass sie überhaupt einen Baum bekamen; der ursprünglich ausgesuchte aus Freyung-Grafenau war beim Verladen auseinandergekracht, "saudumm glaffa", kommentierte der Landrat damals. Vor fünf Jahren war es eine dürre Fichte aus Ruhpolding, die den Spott der Städter abbekam.

Gut möglich allerdings, dass die Münchner den Christbaum auf dem Marienplatz in diesem Jahr mit weniger kritischen Augen betrachten werden. Dass sie einfach froh sind, dass er da steht und mit seinen Lichtern so etwas wie Versöhnlichkeit ausstrahlt. Am Baum wird man sehen, dass Weihnachten naht; in diesem Jahr, in dem die Wochen verschwimmen wie die Umrisse der Frauenkirche im Novembernebel. Wer indes den perfekten Baum sucht, der kann im Internet einen künstlichen bestellen. Zum Beispiel die Balsam-Tanne, gefertigt mit "True-Needle-Technologie", 1,80 Meter für 719 Euro. Ob echt oder unecht - Bäume haben in viralen Zeiten einen unschätzbaren Vorteil: Sie können gefahrlos umarmt werden.

© SZ vom 04.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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