Kommunalwahl:Das sind die Münchner Häufelkönige

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Jens Luther von der CSU ist Kirchenmusiker, Lehrer und Rettungssanitäter. Foto: privat (Foto: N/A)

Auffallend viele Kandidaten mit medizinischen Berufen rutschen bei der Stadtratswahl auf ihren Listen weit nach vorne. Einige amtierende Stadträte dagegen müssen nach der Wahl ihren Platz räumen. Ein Überblick.

Von Dominik Hutter

Natürlich gibt es den Wettkampf um Prozente. Welchen Wähleranteil kann die eigene Partei verbuchen? Aber letztlich stehen hinter all den Zahlen ja Personen - die Kandidaten, die seit dem Wahlsonntag gespannt mitverfolgen, ob sie es in den Stadtrat geschaffen haben. Manche zum ersten Mal, andere können sich bestätigt fühlen. Und wiederum andere müssen ihre Tätigkeit im Rathaus einstellen - das komplizierte bayerische Wahlrecht ermöglicht erhebliche Sprünge innerhalb der Listen. Nach oben wie nach unten.

"Ich denke, der Beruf macht's"

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(Foto: N/A)

Sein Ergebnis scheint ihm fast ein wenig peinlich zu sein. "Wollen Sie wirklich so viel Aufhebens um meine Person machen?", fragt er. Aber Jens Luther gehört nun mal zu den Häufelkönigen dieser Wahl - die Münchnerinnen und Münchner haben den 34-Jährigen auf der CSU-Liste von Platz 21 auf Platz sieben vorgewählt. "Ich denke, der Beruf macht's", sagt er, "das Soziale in Verbindung mit dem Gesundheitswesen". Tatsächlich hat Luther, der aus Coburg stammt, drei Berufe: Kirchenmusiker, Lehrer und Rettungssanitäter. Außerdem engagiert er sich bei der Freiwilligen Feuerwehr. "Das macht mir alles Spaß, aber jetzt muss man schauen, wo man abknapst." Am Montag um 17 Uhr habe er zum ersten Mal auf die Stadtratszahlen geschaut und es kaum glauben können. "Ich war wirklich überrascht, weil ich nicht damit gerechnet hatte. Aber ich freue mich total." Den Wahlabend ohne Party hat er mit seinen Parteikollegen Fabian Ewald und Robert Brannekämper verbracht. "Wir haben im stillen Kreis ein Glas Bier getrunken." Politik hat ihn schon immer interessiert, aber da war eine gewisse Scheu. Irgendwann dachte er sich: "Wer was bewegen will, muss machen." 2015 trat er in die CSU ein, "die Mitmachpartei", im Ortsverband Daglfing führt er die Geschäfte. HOB

Der Triumph nach dem Rückzug

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(Foto: Stephan Rumpf)

Gudrun Lux ist kein Politik-Neuling, im Gegenteil: Drei Jahre lang stand die Kommunikationsberaterin und Journalistin den Münchner Grünen vor, von 2016 bis 2019 - in einer Zeit, in der sich die Mitgliederzahl nahezu verdoppelte. In ihre Amtszeit fielen die Europa- und die Landtagswahl, bei denen die Grünen in München jeweils stärkste Partei wurden. Im vergangenen September verkündete Lux ihren sofortigen Rücktritt. Der Spagat zwischen Familie und Parteiamt habe sie in den vergangenen Monaten "kontinuierlich an die Grenzen meiner Möglichkeiten" gebracht, schrieb sie damals. Lux ist mit dem grünen Fraktionsvorsitzenden Florian Roth verheiratet, die beiden haben zwei kleine Kinder. Lust auf Stadtpolitik hat sie trotzdem: Bei der Aufstellung der grünen Stadtratsliste kandidierte sie für Platz 25, landete dann auf Platz 29. Die Wähler haben sie nun auf Rang 14 hochgehäufelt. "Noch ist nicht alles ausgezählt, aber nach 1163 von 1274 ausgezählten Gebieten traue ich mich zu sagen: Ich bin gewählt", schrieb sie am späten Montagabend auf Facebook. "Das ist eine immense Verantwortung, eine große Aufgabe, vor der ich einen Heidenrespekt habe." Voraussichtlich 14 von 23 Stadträten würden weiblich sein: "Grüne leben Frauenförderung und reden nicht nur darüber!" HOB

Immer auf dem Sprung nach vorne

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(Foto: Stephan Rumpf)

Klaus Peter Rupp ist das schon gewohnt, so läuft es eigentlich jedes Mal. Er sei ja schon eine Zeitlang dabei, sagt er vergnügt - genauer gesagt: seit 2002. "Und ich bin immer vorgehäufelt worden, mal mehr, mal weniger." Vor sechs Jahren sprang er von Platz 33 auf Platz 17; diesmal nun von 21 auf zwölf. Wie er sich das erklärt? "Ich glaube, das liegt daran, dass ich gute Politik gemacht habe für das Klientel, das ich bediene." Rupp, 56 und wohnhaft in Fröttmaning, kommt als gelernter Krankenpfleger aus dem Gesundheitswesen - eine Berufsgruppe, die gerade in der Coronakrise im Fokus steht wie kaum eine andere. Heute arbeitet er in der Unternehmensentwicklung des städtischen Klinikums. Ansonsten fühlt er sich vor allem in der Kulturpolitik, aber auch in der Wirtschaftspolitik zu Hause. "Es macht mir sehr viel Freude, in der Kulturpolitik die Stadt mitgestalten zu können." Den Wahlabend hat er - wie wahrscheinlich die meisten Kandidaten - zu Hause verbracht. Er habe ein neues Rezept aus dem Zeitmagazin ausprobiert, Linseneintopf mit Ei, Spinat und Parmesan. "Kochen ist meine Lieblingsnebenbeschäftigung." Am Montag um kurz vor 17 Uhr sah er das vorläufige Ergebnis. Neun Plätze gut gemacht - da war klar, dass er wieder drin ist. "Da habe ich mir dann erlaubt, mit meiner Frau einen Prosecco aufzumachen." hob

Überflieger

Manchmal lässt der Listenplatz nicht unbedingt erwarten, dass eine rauschende Karriere in der Kommunalpolitik bevorsteht. Der Kandidatur des CSU-Nachwuchspolitikers Jens Luther etwa war nicht zwingend ein Erfolg vorherbestimmt: Listenplatz 21, wäre es dabei geblieben, wäre der 34-Jährige exakt der Erste gewesen, der es nicht für seine Partei ins Rathaus geschafft hätte. Nach bisherigem Stand erhält die CSU 20 Mandate. Die Wähler aber haben anders entschieden: 14 Plätze nach vorne, macht Rang sieben und ein sicheres Mandat. Ob Luther so bekannt und beliebt ist, oder ob es an der in Corona-Zeiten interessanten Berufsangabe Rettungssanitäter liegt, lässt sich in einer geheimen Wahl nicht nachvollziehen. Der SPD-Politiker Klaus Peter Rupp ist ebenfalls Krankenpfleger, könnte den Münchnern aber auch als amtierender Stadtrat bei Kulturthemen bekannt sein. Er sprang neun Plätze nach vorne auf Rang zwölf und hat es damit geschafft. Platz 21, die ursprüngliche Listenposition, hätte für den Einzug in die 18-köpfige SPD-Rathausfraktion nicht gereicht.

Noch glorreicher nach vorne geschnellt ist die Grüne Gudrun Lux, Berufsbezeichnung Rettungssanitäterin. Sie schaffte es vom aussichtslosen Rang 29 auf 14. Plus 15 also, ein gutes Ergebnis für die frühere grüne Stadtvorsitzende. Ebenfalls 15 nach vorne eilte der Clubbetreiber David Süß (Grüne), der damit ebenfalls Stadtrat wird. Die Ärztin Hannah Gerstenkorn findet sich zwölf Positionen weiter vorne auf Rang 23 und ist damit von Mai an Grünen-Mandatsträgerin. Ordentlich vorgehäufelt wurden auch die amtierende CSU-Stadträtin Alexandra Gaßmann (Arzthelferin), die neun Positionen gutmachte, die Neueinsteigerin Mona Fuchs von den Grünen (Klimaschutzkoordinatorin) und der Schwabinger SPD-Mann Lars Mentrup (Klimaforscher, plus 9).

Rausflieger

Es gibt drei Varianten, bei einer Wahl den Stadtrat zu verlassen: nicht mehr kandidieren, nicht mehr aufgestellt werden oder nicht mehr gewählt werden. Letzteres ist einigen amtierenden Rathauspolitikern passiert. Dorothea Wiepcke von der CSU etwa, die vom erfolgversprechenden Platz 15 auf 25 abgestiegen ist. Nachrückerin nennt man diese Position nun - da die CSU nur 20 Mandate hat, müsste sich einiges tun im Rat, damit Wiepcke ihre Arbeit fortsetzen kann. Auch Anja Burkhardt und Otto Seidl haben es nicht mehr geschafft, sie hatten aber von vornherein schlechte Listenplätze. Bei der SPD scheiden Renate Kurzdörfer, Marian Offman und Jens Röver aus. Offman hatte sogar noch drei Plätze gutgemacht, Rang 20 aber reicht bei der SPD nicht mehr aus. Verabschieden müssen sich auch Thomas Ranft (FDP), der auf dem von vornherein nicht sehr erfolgversprechenden Platz sieben der FDP-Liste stand (minus zwei beim Häufeln), Johann Sauerer (ÖDP; von fünf auf fünf) und die Bayernpartei-Riege Johann Altmann (zwei auf zwei), Mario Schmidbauer (drei auf fünf), Eva Caim (vier auf drei) und Andre Wächter (fünf auf vier). Mitsamt ihrer kompletten Liste herausgeflogen sind Cetin Oraner (Zuba) und Karl Richter (Bia).

Pechvögel

Große Sprünge bedeuten nicht immer Erfolg - diese Erfahrung müssen viele Kandidaten machen. So machte die Krankenschwester Ulrike Helfrich ganze 46 Plätze gut. Nur: Von Rang 61 auf 15 bedeutet bei den Freien Wählern noch kein Mandat. Ähnlich hat es auf gleicher Liste die Altenpflegerin Mirian Blasi (plus 39) und den Polizeibeamten Michael Schabl (plus 38) erwischt. Bei der Bayernpartei schnellte der Braumeister Thomas Karthe erfolglos von Platz 71 auf 26. Weniger hart dürfte das Scheitern den CSU-Bundestagsabgeordneten Stephan Pilsinger treffen, der zwar 20 Ränge gutgemacht hat, damit aber noch nicht Stadtrat wird. Was er vermutlich auch nicht ernsthaft vorhatte, genau wie der Landtagsabgeordnete und frühere Bürgermeister Hep Monatzeder, der sich sogar plus 22 auf die Fahnen schreiben kann und damit seinem Ruf aus vergangenen Wahlen alle Ehre macht. Ohne erneut in den Stadtrat einzurücken. 44 statt 66, das reicht auch bei den Grünen als stärkster Fraktion bei weitem nicht aus. Gülseren Demirel, die grüne Landtagsabgeordnete, kam von 69 auf 58. Michael Mattar von der FDP wollte eigentlich gar nicht mehr in den Stadtrat. Zwar versetzten ihn die Wähler von Position 11 auf 8. Das reicht aber nicht. Wunsch erfüllt.

Sichere Bank

Relativ wenig tut sich erfahrungsgemäß auf den vorderen Listenplätzen. Dort kandidieren zumeist die bekannteren Namen und die, die schon etwas zu sagen haben im Rathaus. Bei der SPD etwa haben unter den ersten fünf lediglich Christian Müller und Anne Hübner ihre Plätze getauscht. Dieter Reiter ist auf der Stadtratsliste klare Nummer eins - auch wenn er sich bemüht, in der Stichwahl sein Oberbürgermeisteramt zu behalten und in diesem Fall sein Stadtratsmandat nicht antreten würde. Profitieren würde Nikolaus Gradl auf Platz 19, der vor Jahren schon einmal Stadtrat war. Auch bei den Grünen gibt es nur kleinere Veränderungen auf den vorderen Rängen. Nicht betroffen ist die OB-Kandidatin Katrin Habenschaden, die weit vor der Zweitplatzierten Anna Hanusch liegt und im nicht unwahrscheinlichen Fall einer grün-roten oder grün-schwarzen Koalitions beste Aussichten auf den Posten der Zweiten Bürgermeisterin hat. Bei der CSU stechen im vorderen Bereich vor allem Thomas Schmid und Fabian Ewald hervor, die einige Plätze nach hinten gereicht wurden, aber trotzdem im Stadtrat sind. Wird Kristina Frank Oberbürgermeisterin, rückt CSU-Schatzmeister Hans Hammer nach. Übrigens gibt es nur eine Liste, bei der die Wähler die Spitzenkandidatin absteigen ließen: Bei Mut musste die OB-Kandidatin Stephanie Dilba Platz eins für die vermutlich bekanntere Ex-Grüne Claudia Stamm räumen. Da Mut keine Stadträtin stellt, spielt das in der Praxis aber keine Rolle.

Zahlenkönige

Dieter Reiter liegt zwar bei der OB-Wahl weit vorne - auf der Stadtratsliste aber muss er die Pole Position für Katrin Habenschaden räumen. Die Grüne erreicht in absoluten Zahlen 226 444 Stimmen, Reiter dagegen 221 673. CSU-Konkurrentin Kristina Frank kommt auf 193 353 Stimmen.

© SZ vom 18.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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