Klimawandel in München:Die Hitze ist längst da

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Generell wird es in der Innenstadt wärmer als am Stadtrand. In dem Brunnen am Stachus kühlen sich vor allem Kinder gerne ab (Symbolbilld). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Forschende untersuchen, wie die Münchner schon jetzt unter dem Klimawandel leiden - und wer davon in besonderem Maß betroffen ist. Denn die Hitze betrifft nicht alle gleichermaßen.

Von Jakob Wetzel

Es wird mit dem Klimawandel wohl noch wärmer werden in der Stadt - doch die Hitze ist längst da. In einer Studie für das Projekt "Grüne Stadt der Zukunft" haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Sommer 2020 ermittelt, ob, wie und wo die Münchner schon jetzt Hitze erleben. Und es zeigt sich: An bestimmten Orten und in bestimmten Vierteln leiden die Menschen längst unter Hitzestress - und manche Einwohner sind stärker betroffen als andere.

Die Forschenden zogen dazu nicht einfach mit Thermometern durch die Stadt: Sie interessierten sich nicht nur für die objektive, sondern auch für die gefühlte Temperatur. Deshalb befragten sie Einwohner aus dem gesamten Stadtgebiet; teilgenommen haben 731 Haushalte. Und besonders heiß fühlen sich für diese vor allem die Straßen an, gefolgt vom Arbeitsplatz. Mehr als zwei Drittel von ihnen gaben an, sich im Straßenraum "eher" oder "sehr stark" von Hitze belastet zu fühlen; Grünanlagen fühlen sich demgegenüber kühler an, dort waren es weniger als zehn Prozent. Mit den Temperaturen in der eigenen Wohnung war die Mehrzahl der Befragten dagegen zufrieden - zumindest solange es draußen nicht mehr als 30 Grad Celsius hatte. Während Hitzewellen klagten 53 Prozent der Befragten über Hitze auch zuhause.

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Dabei machen die Münchnerinnen und Münchner im Einzelnen sehr unterschiedliche Erfahrungen. Hitze betrifft nicht alle gleichermaßen. So maßen etwa zusätzlich zu ihren Befragungen in 342 Haushalten die Temperaturen in den Schlafzimmern. Sie ermittelten: In manchen davon wurde es bis zu 37,5 Grad Celsius heiß. In anderen dagegen waren es nie mehr als 20 Grad. Empfohlen sind maximal 24 Grad Celsius.

Generell wird es in der Innenstadt wärmer als am Stadtrand. "Es gibt einen Zusammenhang zwischen Hitze und Hitzeempfinden sowie der Dichte der Stadt", sagt Julia Mittermüller vom Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Je mehr Gebäude, je mehr Gedränge und je mehr Verkehr, desto heißer käme den Menschen die Stadt vor. "Umgekehrt klagen die Leute umso weniger über Hitze, je mehr Grün es in der Umgebung gibt." Es genüge schon, Bäume und Pflanzen zu sehen, um Hitzestress zu senken.

Besonders betroffen von Hitze sind zudem Menschen, die in oberen Stockwerken leben. Es müsse nicht das Dachgeschoss sein, sagt Mittermüller: Wichtiger sei das Stockwerk. "Die Höhe ist entscheidender als das Dach."

Doch den Daten zufolge spielen auch andere Faktoren eine Rolle. So klagten Befragte etwa umso weniger über hohe Temperaturen, je größer ihre Wohnung war und je mehr Quadratmeter jeder Bewohner für sich alleine hatte. Bei Enge und Gedränge war umgekehrt das Hitzeempfinden stärker. Bewohner von Mehrfamilienhäusern litten öfter unter Hitze als die in Einfamilienhäusern. Mieter klagten häufiger über Hitze als Eigentümer, allein Lebende öfter als Menschen in Gemeinschaft. Menschen mit Vorerkrankungen litten häufiger unter Hitze als Gesunde, und Jüngere klagten häufiger als Ältere - was laut Studie darauf beruht, dass die befragten Älteren tendenziell in kühleren Wohnungen lebten.

Auch die Psyche spielt offenbar eine Rolle: Wer mit der eigenen finanziellen Situation unzufrieden war, klagte öfter über Hitze als Menschen ohne Geldsorgen - ohne dass es bei den objektiv gemessenen Temperaturen signifikante Unterschiede gab. Und wer sich in seiner Wohnumgebung unsicher fühlte, klagte häufiger als Münchner, die das Gefühl hatten, in einer sicheren Gegend zu leben.

Wichtig ist der Studie nach auch, ob sich die Menschen der Hitze ausgeliefert sehen oder nicht. Wer das Gefühl hat, die Temperaturen in seiner Wohnung kontrollieren zu können, klagte weniger oft über Hitze als andere. Die Unterschiede waren auch objektiv messbar. "Im Südlichen Bahnhofsviertel etwa können viele Leute nachts die Fenster nicht öffnen, weil es zu laut ist und zu warm", sagt Mittermüller. "Dabei wäre nächtliches Lüften das Effektivste, um die Temperatur zu senken."

© SZ vom 14.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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