Aus einem Kaufhaus wird ein Ort der Forschung: In das Gebäude des ehemaligen Karstadt Sports an der Neuhauser Straße 20 wird nach einer umfassenden Sanierung ein Institut der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) einziehen. Das machten die Hauseigentümer, die Firma Euro Real Estate aus der Unternehmensgruppe von Wilhelm von Finck, und die Münchner Immobilienfirma Accumulata, die den Umbau organisiert, am Dienstag in einer Pressemitteilung bekannt. Die MPG miete ungefähr 9600 Quadratmeter an. Die verbliebenen Mietflächen sind für Einzelhandel, Gastronomie und weitere Büros gedacht. Bezugsfertig soll das Haus im zweiten Halbjahr 2023 werden.
Das Immobiliengeschäft hat zwei bemerkenswerte Facetten: Erstens zeigt sich hier, wie sich die Innenstadt zunehmend auch zu einem Bürostandort wandelt, weil Warenhäuser über mehrere Stockwerke immer weniger den Bedürfnissen der Kundschaft entsprechen. Die Signa-Gruppe des Österreichers René Benko etwa plant hinter dem Karstadt am Hauptbahnhof den Neubau eines riesigen Komplexes, bei dem in den oberen Etagen ebenfalls Büros vorgesehen sind. Auch der bisherige Kaufhof am Stachus wird komplett umgebaut werden, wenn das Kaufhaus dort in etwa einem Jahr den Betrieb einstellt. Eine zumindest teilweise Büronutzung ist wahrscheinlich.
Wirtschaft in München:Eine Stadt mit Kaufhaustradition
Das Aus für viele Filialen von Galeria Karstadt Kaufhof zeigt, wie bedroht die einstigen Konsumkathedralen sind - selbst in München, wo viele Kapitel Kaufhaus-Geschichte geschrieben wurden.
Die zweite Facette ist, dass eine aus Steuermitteln finanzierte Einrichtung sich in einer der teuersten Lagen ganz Deutschlands neu einmietet. Erst vor einem Monat hatte der Pharmakonzern Novartis in der benachbarten Alten Akademie, die gerade durch Benkos Signa aufwendig umgebaut wird, 9350 Quadratmeter Büroflächen angemietet. Der Preis soll nach Angaben von Marktbeobachtern bei etwa 47 Euro pro Quadratmeter liegen - ein in München für eine Vermietung dieser Größe unerhörter Wert. Der durchschnittliche Preis für Neu-Vermietungen in der Innenstadt lag bisher bei 40 Euro. Annähernd so viel zahlt Beobachtern zufolge auch der Freistaat Bayern für die ehemalige Linde-Zentrale am Oberanger, wo das Innenministerium eine Dependance untergebracht hat.
Die "Home-Office-Situation" habe sich negativ auf die Forschung ausgewirkt
Gönnt die MPG einigen ihrer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nun also auch ein Domizil zu Rekordpreisen? Eine Sprecherin sagt, über den Mietpreis sei Stillschweigen vereinbart worden. Eine Referenzmarke von 47 Euro sei aber "nicht korrekt", der Mietpreis liege niedriger. Wie viel niedriger, dazu könne sie nichts sagen. Auch die Laufzeit des Vertrags bleibt offen, die Vermieter sprechen davon, dass sie einen "langfristigen Ankermieter" gewonnen hätten. Die Auswahl des Standorts begründet die MPG-Sprecherin wie folgt: Die Flächen würden für das Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb benötigt. Es handele sich "im Wesentlichen um eine Verlagerung und ein Zusammenführen bisher räumlich getrennter und nicht mehr ausreichender Institutsbereiche".
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Das Institut, das 215 Beschäftigte hat und nach eigener Darstellung aus rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Vorschläge zu Rahmenbedingungen für Innovations- und Wettbewerbsprozesse erarbeitet, hat bisher seinen Sitz am Marstallplatz, direkt neben der MPG-Zentrale am Hofgarten. Da das Institut zudem an der LMU Lehrveranstaltungen anbiete und Doktoranden betreue, komme "nur ein Objekt in räumlicher Nähe zur LMU infrage", führt die Sprecherin aus. "Von den im Innenstadtgebiet geeigneten Objekten war dieses das wirtschaftlichste." Auch eine Bibliothek mit 50 Arbeitsplätzen soll dort unterkommen. Der Antrag sei von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz in Bonn genehmigt worden. Das ist eine Einrichtung, in der Bund und Länder gemeinsame Programme zur Wissenschaftsförderung beschließen.
Die seit Beginn der Corona-Pandemie gestiegene Bedeutung des Arbeitens im Home-Office hat auf die Raumplanung der MPG keine Auswirkungen. "Die wissenschaftliche Arbeit lebt vom direkten Austausch der Wissenschaftlerinnen untereinander", erläutert die MPG-Sprecherin. Die "Home-Office-Situation" habe sich negativ auf die Forschung ausgewirkt. Es sei schwieriger geworden, neue Nachwuchskräfte sowie internationale Beschäftigte und Forschungsgäste in die Arbeit zu integrieren. "Besonders fatal" sei der erschwerte Zugang zu Bibliotheken im ersten Lockdown gewesen. "Daher", so die Sprecherin, "planen wir nicht mit reduzierten Büroflächen."