Prozess in München:Rechtsextremer Ex-Stadtrat wird freigesprochen

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Der rechtsextreme ehemalige Münchner Stadtrat Karl Richter von der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) beim Wahlkampf für die Kommunalwahl 2020. (Foto: Catherina Hess)

Im Kommunalwahlkampf 2020 hatte Karl Richter ein Flugblatt verteilt, auf dem Rathauspolitiker auf diffamierende Weise abgebildet sind. Nun hebt das Gericht ein früheres Urteil gegen ihn auf - laut SPD-Vize-Fraktionschef ein "Justizskandal ersten Ranges".

Von Anna Hoben

Christian Vorländer und Marian Offman sind aufgewühlt am Dienstagvormittag. Gerade ist Karl Richter - der rechtsextreme Politiker und ehemalige Stadtrat der "Bürgerinitiative Ausländerstopp" (BiA) - in einem Berufungsverfahren am Landgericht freigesprochen worden. Im Kommunalwahlkampf 2020 hatte er ein Flugblatt verbreitet: Es zeigt unter der Überschrift "Raus aus dem Rathaus" das Münchner Kindl, das mit einem Besen fünf Politiker hinausfegt, nämlich Oberbürgermeister Dieter Reiter und den ehemaligen Stadtrat Marian Offman (beide SPD), Bürgermeisterin Katrin Habenschaden und Stadtrat Dominik Krause von den Grünen sowie CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Auf der Rückseite werden diese als "Volksverräter" tituliert. Habenschaden und Krause erstatteten Strafantrag, im Juni 2021 wurde Karl Richter vom Amtsgericht wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 3200 Euro verurteilt. "Niemand muss es hinnehmen, so abgebildet zu werden", sagte die Richterin in ihrer Urteilsbegründung.

Gegen das Urteil legte Karl Richter Berufung ein. Am Dienstag fand am Landgericht die Verhandlung statt. Marian Offman war als Zeuge geladen, der Jurist Vorländer, der auch Vize-Fraktionschef der SPD ist, vertrat ihn als anwaltlicher Zeugenbeistand. Offman hatte die Angelegenheit ursprünglich ins Rollen gebracht. Viele Jahre saß er im Stadtrat, zunächst für die CSU, danach kurzzeitig für die SPD. Ihm war das Flugblatt Anfang 2020 bei diversen BiA-Kundgebungen aufgefallen. Seine eigene Darstellung fand er dabei besonders perfide. Er sei ja ein Hinterbänkler gewesen, sagte er am Rande der ersten Gerichtsverhandlung im Juni 2021. "Dass sie trotzdem mich mit aufgenommen haben, hat eine ganz klare antisemitische Konnotation", so Offman, der zu jener Zeit der einzige Stadtrat jüdischen Glaubens war.

Die Staatsanwaltschaft kündigt an, gegen das Urteil Revision einzulegen

Was am Dienstagvormittag in der Verhandlung geschah, schildert Vorländer so: Der Vorsitzende Richter habe anfangs gefragt, ob er und Offman nah beieinander sitzen wollten, damit er "Händchen halten" könne. Die Staatsanwaltschaft habe in ihrem Plädoyer eine eindeutige antisemitische Diffamierung von Offman als Jude sowie eine eindeutige Parallele zu einem Bild aus der Zeit des Nationalsozialismus gesehen - auf jenem Bild ist zu sehen, wie ein Mann mit einem Besen Juden wegkehrt, begleitet von dem Spruch: "Sauber muss der deutsche Handel werden." In seiner mündlichen Urteilsbegründung habe der Vorsitzende Richter das Flugblatt als Karikatur bezeichnet. Wörtlich habe er gesagt: "Es ist eher witzig." Der Vergleich zu dem Bild aus der NS-Zeit sei "weit hergeholt", und "über Geschmack lässt sich streiten".

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Er empfinde das Urteil als "Justizskandal ersten Ranges", sagte Vorländer nach der Verhandlung. Darüber hinaus sende es ein "fatales Signal" in einer Zeit, in der sich antisemitische Verschwörungsmythen und rechtsradikales Gedankengut breit machten. Das Urteil sei ein "Schlag ins Gesicht" all derer, die sich dagegen engagierten und für die Demokratie kämpften. Münchens Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, die ursprünglich wegen des Flugblatts Strafantrag gegen Karl Richter erstattet hatte, sagte auf Anfrage: Wenn es wirklich so gewesen sei, dass der Richter das Flugblatt als nicht so schlimm gewertet habe, "dann finde ich das ein echt starkes Stück".

Die Staatsanwaltschaft kündigte auf Nachfrage an, dass sie gegen das Urteil Revision einlegen werde. Einstweilen wolle man die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

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