Prozess in München:"Ich habe durch die Tat mein Leben zerstört"

Prozess in München: Am Morgen des 17. Oktober 2018 versuchte die Verbrecherbande, einen Geldautomaten der Sparda-Bank in Germering in die Luft zu sprengen - und wurde von der Polizei gestellt.

Am Morgen des 17. Oktober 2018 versuchte die Verbrecherbande, einen Geldautomaten der Sparda-Bank in Germering in die Luft zu sprengen - und wurde von der Polizei gestellt.

(Foto: Tobias Hase/dpa)

Eine Verbrecherbande soll mehrere Geldautomaten in die Luft gejagt haben. Nun steht ein weiteres mutmaßliches Mitglied der Gruppe vor Gericht - und beklagt sein eigenes Schicksal.

Von Andreas Salch

Sie kommen in den frühen Morgenstunden, schlagen in Sekundenschnelle zu und gehen mit brachialer Gewalt vor: Kriminelle, die mittels eines Gasgemischs Geldautomaten in die Luft sprengen. Sie sind nicht gerade zimperlich, wenn es gilt, Beute zu machen. Oft stammen die Täter aus den Niederlanden. Dort nennen sie die Ermittler "Plfokraakers" - Knallknacker. Ali H., ein Pfleger aus der niederländischen Provinz Flevoland, ist nach Überzeugung der Münchner Staatsanwaltschaft einer von ihnen. Seit diesem Dienstag muss sich der 28-Jährige nun vor Gericht verantworten.

Ali H. soll zu der Bande gehört haben, die am Morgen des 17. Oktober 2018 versuchte, einen Geldautomaten der Sparda-Bank an der Otto-Wagner-Straße in Germering in die Luft zu jagen. Beamten eines Sondereinsatzkommandos der Polizei gelang es, die Tat zu vereiteln. Bei dem Zugriff wurden drei SEK-Beamte verletzt, mehrere Einsatzfahrzeuge beschädigt. 30 Schüsse feuerten die Polizisten auf die "Plofkraakers" ab. Der Haupttäter blieb verwundet zurück. Sein Fluchtfahrzeug war durchsiebt von 24 Einschüssen. Ali H. aber gelang damals die Flucht zu Fuß. Sein mutmaßlicher, schwer verletzter Komplize und fünf andere Mitglieder der Bande sind inzwischen vor dem Landgericht München I zu Haftstrafen zwischen 20 Monaten und sechs Jahren, acht Monaten verurteilt worden. Gegen den Hauptangeklagten verhängte das Gericht zwölf Jahre und sechs Monate Haft. Laut Urteil sprengte der Mann insgesamt sechs Geldautomaten und erbeutete so mehr als eine halbe Million Euro.

Ali H., dem nach dem misslungenen Coup in Germering zunächst die Flucht gelungen war, hefteten sich die Fahnder an die Fersen. Im Dezember 2020 gelang es ihnen, den 28-Jährigen, gegen den ein europäischer Haftbefehl vorlag, in Amsterdam festzunehmen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen versuchten Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub.

Vor Gericht behauptet der Angeklagte, er sei zur Tat überredet worden

Zum Prozessauftakt saß der Pfleger mit Tränen in den Augen auf der Anklagebank und gab über seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Beate Böhler, ein vollumfängliches Geständnis ab. "Ich habe durch die Tat mein Leben zerstört", so H. Er habe sich dazu überreden lassen, die Bande zu unterstützen. Weil er über seine Verhältnisse gelebt habe, habe er Geld gebraucht. 10 000 Euro seien ihm versprochen worden. Es wäre "eine kurze, einmalige Sache", habe man ihm zugesichert - und dass er danach weiterleben könne, "als wenn nichts passiert wäre".

Oberstaatsanwalt Kai Gräber ist jedoch davon überzeugt, dass der 28-Jährige zudem auch eine Filiale der Deutschen Bank in Starnberg mit ausbaldowerte, deren Geldautomat ebenfalls gesprengt werden sollte. Außerdem ist gegen ihn ein weiteres Verfahren vor dem Landgericht Leipzig anhängig. Darin wird ihm die Sprengung von zwei Geldautomaten zur Last gelegt.

Im Vorfeld des Verfahrens in München hat der 28-Jährige erklärt, er wolle "bald zurück zu seiner Familie", wie der Vorsitzende Richter Martin Hofmann zum Auftakt berichtete. Daraus dürfte nichts werden. Für den Fall eines Geständnisses müsse er bei einer Verurteilung mit einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten rechnen, sagte Richter Hofmann zu Ali H. Die Staatsanwaltschaft geht von vier Jahren und elf Monaten aus - "als Untergrenze". H.s Berliner Verteidigerin Böhler übte zunächst Kritik am Strafmaß. Sie wisse, dass in München andere "Tarife" gelten. Vor einem Berliner Gericht würden für eine ähnliche Tat, wie sie ihrem Mandanten zur Last gelegt werde, zwischen einem Jahr, acht Monate und einem Jahr, zehn Monate verhängt. Ein Urteil in dem Prozess könnte diesen Freitag ergehen.

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