Westpfahl Spilker Wastl:Unbeliebte Aufklärer

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Die Kanzlei WSW bei der Vorstellung des Missbrauchsgutachtens (v.l.): Barbara Leyendecker, Ulrich Wastl, Marion Westpfahl und Martin Pusch. Das Bistum München hatte die Anwälte mit dem Gutachten über die Missbrauchsfälle beauftragt. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Münchner Kanzlei untersucht seit Jahren Missstände in der katholischen Kirche. Mal geht es um sexuellen Missbrauch, mal um Finanzen. Die Ergebnisse gefallen vielen Beteiligten nicht.

Von Nicolas Richter und Annette Zoch

"Wir müssen alles dafür tun, dass dieser Skandal aufgearbeitet wird." Das hatte Kölns Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki der SZ am 17. Februar 2020 gesagt. Und noch eine kleine Sensation verkündet: "Wir lassen jetzt unabhängig durch eine Münchner Anwaltskanzlei alle Akten aufarbeiten, die uns zur Verfügung stehen. Diese Anwaltskanzlei wird am 12. März in einer Pressekonferenz ihre Ergebnisse vorstellen. Auch ich werde diese Ergebnisse erst dort erfahren."

Beauftragt hatte Woelki die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl - dieselbe Kanzlei, die nun auch das Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München und Freising geschrieben hat. Zwei führende Köpfe der Münchner Kanzlei WSW sind Marion Westpfahl, eine frühere Staatsanwältin und Richterin, sowie Ulrich Wastl, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht. Aufgefallen ist die Kanzlei seit Jahren vor allem wegen ihrer Aufklärungsarbeit im Auftrag der katholischen Kirche; schon das erste Missbrauchsgutachten für die Münchner Erzdiözese, 2010 fertiggestellt, stammte von ihr.

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Kardinal Marx nennt es seine "größte Schuld" und "unverzeihlich", die Betroffenen von Missbrauch übersehen zu haben. Das soll wohl heißen: Ich habe verstanden. Aber das reicht nicht - jetzt nicht mehr.

Kommentar von Bernd Kastner

Das Erzbistum Köln machte das Gutachten erst auf massiven Druck hin öffentlich

Die Anwältinnen und Anwälte haben dabei erlebt, dass sich Aufklärer oft unbeliebt machen. Die vom Kölner Erzbischof Woelki angekündigte Pressekonferenz zu den Untersuchungsergebnissen wurde denn auch verschoben und Ende 2020 ganz abgesagt. Die Münchner Kanzlei, hieß es damals im Erzbistum Köln zur Begründung, sei "wiederholt an ihrem Versprechen gescheitert, eine umfassende Aufarbeitung der Ereignisse und persönlichen Verantwortlichkeiten ... zu erreichen".

Woelki beauftragte stattdessen den Kölner Strafrechtler Björn Gercke mit einem neuen Gutachten, das dieser im März 2021 vorlegte. Woelki löste mit seinem Vorgehen eine beispiellose Vertrauenskrise im Erzbistum Köln aus. Aber nicht weil das neue Gutachten gefälliger ausgefallen wäre - das Gercke-Gutachten führte immerhin zur Entlassung des Kölner Offizials und zur Suspendierung zweier Weihbischöfe.

Nein, Woelki hatte sich vom Betroffenenbeirat das Plazet für die Absage des ersten Gutachtens geholt, ohne dass die Betroffenen die Ergebnisse der Kanzlei WSW überhaupt kannten. Ehemalige Betroffenenbeiräte sprachen anschließend davon, von Woelki überrumpelt, instrumentalisiert und retraumatisiert worden zu sein. Woelki befindet sich derzeit in einer vom Papst gewährten Auszeit, aus der er Anfang März zurückkehren will.

Einen "Gewaltangriff" nannte Anwalt Wastl das Verhalten des Erzbistums damals in einem Zeit-Interview. Nach einem monatelangen Gutachter-Streit und auf massiven öffentlichen Druck hin machte das Erzbistum Köln das WSW-Gutachten schließlich einem kleinen Kreis zugänglich, auch der SZ.

Dass WSW Partei für die Betroffenen ergriff, empfanden Kritiker als zu wertend

Der größte Unterschied zwischen den beiden Gutachten war die Perspektive: Björn Gercke untersuchte systematisch, wo und wie leitende Persönlichkeiten des Erzbistums gegen die jeweils geltenden Regeln verstoßen hatten. WSW argumentierte vor allem aus der Betroffenenperspektive heraus und setzte das Handeln der Verantwortlichen in Bezug zu deren kirchlichem Selbstverständnis. Während vor allem Betroffene die klare Parteinahme lobten, empfanden Kritiker es als zu wertend.

Die Kanzlei WSW hat nicht nur sexuellen Missbrauch in der Kirche untersucht, sondern auch die kirchlichen Finanzen. Im Jahr 2015 etwa ordnete der Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, im Zuge der kirchlichen "Transparenzoffensive" an, die Bücher seines Kirchenbezirks nach professionellen Standards zu prüfen.

Die Kanzlei WSW stieß daraufhin auf etliche Ungereimtheiten bei Investitionen in den USA, woraufhin die Diözese Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft München II erstattete. Der Finanzskandal legte nicht nur mutmaßlich kriminelle Vorgänge und einen finanziellen Schaden in Millionenhöhe offen, sondern auch eine veraltete Organisationsstruktur mit überforderten Aufsichtsgremien.

Vor allem im kirchlichen Apparat waren viele empört darüber, dass Hanke die Kanzlei WSW ins Haus geholt und die schweren Versäumnisse damit öffentlich gemacht hatte. Aber Hanke hatte das Gefühl, seine Organisation und deren Finanzen nicht ohne Hilfe externer Anwälte und Wirtschaftsprüfer in den Griff bekommen zu können. "Man ist hier misstrauisch gegenüber allem, was von außen kommt", sagte Hanke damals der SZ, "ich habe mitunter den Eindruck, man kungelt es lieber untereinander aus. Nach dem Motto: Wir kennen uns ja, da brauchen wir doch keine Verfahrensregeln."

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