Katholische Kirche:Auszeit und Bußzeit

Kardinal Woelki bleibt im Amt

Er geht ein wenig in Klausur, und Ostern kommt er wieder: Kardinal Rainer Maria Woelki am Freitag in seinem erzbischöflichen Garten in Köln.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Das System war schuld am Missbrauch, sagt der Papst. Und die Bischöfe sind wieder fein raus. Das ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Opfer.

Kommentar von Annette Zoch

101 Tage nach dem Besuch der päpstlichen Ermittler im Erzbistum Köln ist die Entscheidung gefallen: Erzbischof Rainer Maria Woelki darf im Amt bleiben. Rehabilitiert ist er damit zwar nicht, Papst Franziskus attestiert ihm "große Fehler". Aber das war es auch schon mit Sanktionen für den Kardinal. "Auf eigenen Wunsch" geht Woelki nun in eine mehrmonatige Auszeit "bis zum Beginn der österlichen Bußzeit". Dass am Ende ein gesichtswahrender Rückzug Woelkis aus Köln steht, ist nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Nein, Woelki will wiederkommen.

Der Kölner Erzbischof ist seit einem Jahr die Reizfigur schlechthin in der katholischen Kirche, das Gesicht der verkorksten Missbrauchsaufarbeitung. Dabei wollte Woelki es doch am besten machen von allen. Er wollte der Chef-Aufklärer sein und so allen zeigen, dass man den Umgang von Verantwortungsträgern mit sexualisierter Gewalt aufklären kann, ohne dabei die Kirche von Grund auf zu reformieren. Er gab eine Studie in Auftrag, Namen sollten genannt werden - doch die Gegenwehr hatte Woelki offenbar unterschätzt. Er sprach von "äußerungsrechtlichen" Problemen und methodischen Mängeln und zog die Studie zurück, gab eine neue in Auftrag.

Betroffene fühlen sich wie damals, von ihren Peinigern bedrängt

Das alleine schürte schon Misstrauen - doch besonders schwer wog dann, dass Woelki sich diese Entscheidung vom Betroffenenbeirat absegnen ließ. Dieser kannte die Studie gar nicht und wurde von ihm überrumpelt. Betroffene erzählten danach, dass sie nicht mehr schlafen können, dass sie sich wieder fühlen wie damals, von ihren Peinigern bedrängt. Bis Woelki eingestand, einen Fehler gemacht zu haben, dauerte es lange. Zu lange.

Im Zentrum der Kölner Kirchenkrise steht neben Kardinal Woelki noch ein zweiter Diözesanbischof: der langjährige Personalverantwortliche und heutige Hamburger Erzbischof Stefan Heße. Im Gegensatz zu Woelki, der sich den Gutachtern zufolge keiner Vertuschung schuldig gemacht hat, wurden Heße elf Pflichtverletzungen zur Last gelegt. Ihn beließ Franziskus ganz ohne Bußzeit im Amt. Er habe ja nicht absichtlich vertuscht, das System war schuld, so der Papst.

Eine Institution des Glaubens, der keiner mehr glaubt

An den Entscheidungen zu Woelki und Heße lassen sich die päpstlichen Prioritäten gut ablesen: Dass Woelki sein Bischofsamt nicht mehr ausüben kann, wiegt schwerer als Vertuschungsvorwürfe in Missbrauchsfällen. Dies ist ein weiterer Schlag ins Gesicht der Opfer sexualisierter Gewalt. Was ihnen angetan wurde, zählt offenbar nicht so viel. Die Apostolischen Visitatoren schickte Franziskus auch erst, nachdem sich der leitende Klerus des Erzbistums gegen Woelki gestellt hatte. Dass die Laien seit Monaten über eine Vertrauenskrise klagten, war nicht wichtig. Auch die Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff bleiben.

Und wofür nun das alles? Wofür all die Missbrauchsgutachten, all das Aktenstudium, die Zeugenbefragungen, all die schmerzhaften Auseinandersetzungen? Wenn daraus am Ende nichts folgt außer einem mit Studien gut gefüllten Bücherregal? Wo bleibt im päpstlichen Handeln die Kategorie der moralischen Verantwortung? Müsste die nicht gerade in einer Institution wie der katholischen Kirche ganz weit oben stehen? Da können Bischöfe noch so oft vom "toten Punkt" sprechen, in Predigten "Kehrt um!" rufen - wenn die Spitze nicht mitmacht, nützt das am Ende alles nichts. So wird aus der Kirche eine Institution des Glaubens, der keiner mehr glaubt.

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