Erwachsenwerden in München:Die Sorgen der Gen Z und wie die Stadt sie ihnen nehmen will

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700 Mittelschüler von sieben Münchner Schulen sind ins Mathäser gekommen, um sich über das Programm "No Limits" zu informieren. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Sorgen bei vielen Jugendlichen wachsen. Vor allem bei denjenigen, die ohnehin wenig haben. Wie ein Projekt Mut machen will - damit sie entdecken, was in ihnen steckt.

Von Kathrin Aldenhoff

Maksimilijan Konstantinovic hat schon viel gekämpft in seinem Leben. Mit Mobbing an der Schule, mit der deutschen Sprache, mit seinem Gewicht. In Serbien geboren, floh er als Kind mit seiner Familie nach Tschechien, zehn Jahre später zogen sie nach Deutschland. "Es war schwer, meinen Weg zu finden", sagt der 23-Jährige. Geholfen haben ihm Menschen, die an ihn glaubten - während der Schulzeit und danach. Die den Kinderpfleger bestärkten, auch noch die Ausbildung zum Erzieher zu machen. Konstantinovic hat gelernt: Man kann immer etwas erreichen im Leben, auch wenn es nicht danach aussieht. Diese Botschaft will er weitergeben - gerade jetzt, wo die Sorgen bei vielen Jugendlichen wachsen.

Der Krieg in der Ukraine, die hohen Preise im Supermarkt, die Energiekrise - und Corona ist ja auch noch da. All das belastet, lässt die Zukunftssorgen bei den Jugendlichen wachsen. Vor allem bei denjenigen, die ohnehin wenig haben. Deren Familien wenig Geld zur Verfügung haben, die vielleicht sogar arm sind. Die auf der Mittelschule gelandet sind, weil der Notenschnitt für eine andere Schule nicht reichte. Und die im Alltag nur wenig Unterstützung aus dem Elternhaus bekommen - aus welchen Gründen auch immer.

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Einige dieser Jugendlichen sind am Freitag ins Mathäser-Kino gekommen, insgesamt 700 Mittelschüler von sieben Münchner Schulen. Sie sind 14, 15 oder 16 Jahre alt, und sie sind mit ihren Lehrerinnen und Lehrern in den Kinosaal gekommen, weil das gemeinnützige Unternehmen "Dein München" sie eingeladen hat, um das Programm "No Limits" vorzustellen. Seit 2014 gibt es "Dein München", das mit seinen Angeboten nach eigenen Angaben bereits 8200 Kinder und Jugendliche erreicht hat. "No Limits" soll jungen Menschen helfen, ihre Potenziale zu erkennen, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln, Mut zu fassen, für das Leben da draußen.

Maksimilijan Konstantinovic hat als Jugendlicher viel kämpfen müssen. Nun ist er für andere ein Vorbild. (Foto: Ann-Katrin Lang/Portraits of Munich)

In einem Video, das im Kino gezeigt wird, ist auch Maksimilijan Konstantinovic zu sehen. Bei Workshops von "Dein München" habe er gelernt, dass man sich selbst wertschätzen müsse, um etwas zu schaffen. Konstantinovic ging früher auf die Mittelschule an der Simmernstraße. Er sprach kaum Deutsch, meldete sich aber trotzdem für den Workshop an. "Langsam erfuhr ich, dass ich doch nicht so schlecht bin, wie mir immer gesagt wurde", berichtet er. "Ich bin durch meine Erfahrungen sehr mutig geworden." Heute mobbt ihn niemand mehr.

Ejona und Hamide sitzen im Publikum. Auch sie sind ehemalige Teilnehmerinnen - und jetzt Botschafterinnen für das Programm. "Das ist nicht so wie in der Schule, wo jemand vorne steht und man sich denkt: Wann hört der endlich auf zu reden", erklären sie den anderen Jugendlichen. Eigentlich habe sie sich damals nur angemeldet, um ein paar Tage wegfahren zu können, gesteht Hamide. Und am Ende habe es "richtig Bock" gemacht.

Es gibt verschiedene Programme und Projekte an den Münchner Schulen, zum Beispiel von der Stiftung Gesellschaft macht Schule oder das K.I.D.S.-Projekt der Stadt. Auch "Dein München" wird von der Stadt gefördert. Seit Januar 2022 gibt es den sogenannten Münchner Masterplan "Junge Menschen raus aus der Pandemie" mit vielen kleinen Maßnahmen an Schulen, mit Ausflügen und Workshops. Oder auch, wie an der Carl-von-Linde-Realschule, ein Projekt zu gesunder Ernährung oder Informationsabende zum Medienverhalten.

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Der Masterplan ist 2,347 Millionen Euro schwer, damit werden Maßnahmen in Kitas und Schulen finanziert. Besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche sollen unterstützt werden, denn als Folge der Einschränkungen während der Pandemie gibt es vor allem bei ihnen Lern- und Entwicklungsrückstände. Die Maßnahmen sollen gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen - und nicht weniger als den "sozialen Frieden in München sichern", wie es in einer Pressemitteilung von Januar hieß.

Ein Mädchen erzählt im Kinofoyer, dass sie in ihrer Familie spüre, dass das Geld knapp ist - und das Heizen teuer. Die Wohnung sei kälter als im vergangenen Jahr, berichtet sie. Und dass ihre Mutter es am besten fände, wenn sie gar nicht heizen würden und stattdessen die Jacken anließen. Ein Schüler erzählt, dass die 50 Euro, die ihm seine Lehrerin gegeben habe für das gemeinsame Kochen in der Schule, neulich zum ersten Mal nicht für den Einkauf gereicht hätten. Ein anderer sagt, das Hörnchen, das er sich jeden Tag kaufe, koste jetzt nicht mehr 99 Cent, sondern 1,39 Euro. Ein zweites Mädchen meint, ihre Eltern guckten jetzt viel strenger, ob das, was sie einkaufen will, auch wirklich nötig sei.

Kinder spüren den steigenden Druck in den Familien

"Für viele Jugendliche ist es im Moment schwierig, Hoffnung zu behalten", sagt Rebecca Gutwald, Projektmanagerin bei "Dein München". Auch wenn in manchen Familien nicht viel über existentielle, über ökonomische Sorgen gesprochen werde - die Kinder spürten den Druck und das belaste sie.

Seit drei Jahren begleitet Gutwald Schülerinnen und Schüler der Mittelschule an der Leipziger Straße auf ihrem Weg. Sie betreut die Jugendbotschafter und sie spürt die Sorgen der Jugendlichen, hört, wie negativ sie die Welt um sich herum betrachten. "Die Jahre mit Corona waren schwierig", sagt Gutwald. "Dann hatten alle kurz die Hoffnung, es wird besser, und dann kamen der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise."

Die Sorgen wiegen schwer: Werde ich ein gutes Leben haben? Was kann ich mir noch leisten? Schaffe ich nach all den Schulschließungen und dem Distanzunterricht noch meinen Schulabschluss? Kommt der Krieg bis zu uns? "Jugendlichen wird gerne unterstellt, apolitisch und uninteressiert zu sein", sagt Gutwald. "Viele unserer Jugendlichen sind aber sehr nah dran an den Themen, zum Beispiel weil sie in ihrer Familie schon sehr früh viel Verantwortung übernehmen und so Einblicke bekommen. Sie übersetzen für ihre Eltern, unterstützen sie dabei, Rechnungen zu bezahlen."

Die psychische Gesundheit sei bei vielen angegriffen. "Wir suchen auch Rat im therapeutischen Bereich, um zu verstehen: Ist das die Pubertät, ist es die schwierige Lebenssituation oder ist das schon eine Depression?" Die Kinder und Jugendlichen aus benachteiligten Verhältnissen seien besonders belastet, und an den Mittelschulen fehlten auch noch viele Lehrkräfte. "Das merken die Jugendlichen auch an der Stimmung in den Schulen", sagt Gutwald.

Es ist Mittagszeit, das Programm ist beendet, die Schülerinnen und Schüler verlassen den Kinosaal. Im Foyer stehen die Jugendbotschafter und verteilen Anmeldebögen für die Workshops. Manche sprechen die Workshopleiter an, den Graffitikünstler, den Kickboxer, den Skateboarder, die sich eben auf der Bühne vorgestellt haben.

Auch Gutwald hat sich vorgestellt. Von November an wird sie wieder eine Gruppe mit 15 Jugendlichen über acht Monate hinweg begleiten, manche in Einzelcoachings vielleicht noch länger. Wahrscheinlich werden einige von ihnen auch Maksimilijan Konstantinovic kennenlernen. Er sei ein Vorbild, sagt Gutwald. "Er hat sich an vielen Stellen durchgebissen, hat Unterstützung von uns bekommen und vieles selbst geschafft." Die Jugendlichen wollen oft wissen, wie er das gemacht hat. Konstantinovic erzählt es ihnen. Und ist stolz darauf, dass inzwischen er es ist, der anderen hilft.

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