Proteste gegen die IAA:Wo 1,5 Grad rasant verbrennen

Lesezeit: 2 min

Ist das nicht? Genau: Eine Volker-Wissing-Maske und verbrennende 1,5-Grad-Zeichen beim Attac-Protest vor der Messe München. (Foto: Catherina Hess)

Am ersten Tag der IAA protestieren Klimagruppen vor dem Messe-Eingang und fackeln Pappzahlen ab. Währenddessen löst ein Video der Münchner Polizei im Netz eine kontroverse Debatte aus.

Von Martin Bernstein und Bernd Kastner

Das Komma ist schnell hingelegt, aber das Gradzeichen macht Probleme. Es wackelt und will nicht halten an der Fünf. Kaum stehen die 1,5 Grad, schon fallen sie um. Der Wind. Das Aufstellen der großen Zahlen, zusammengebastelt aus schwarzer Pappe, entbehrt nicht einer angemessenen Symbolik. Aktivisten von Attac, der globalisierungskritischen Organisation, bauen das Symbol der Pariser Klimaschutzvereinbarung vor der Messe auf.

Volker Wissing, der Verkehrsminister, und die Autoindustrie sind gekommen, dargestellt von Attac-Leuten mit Pappmasken. Sie zünden das Klimaschutz-Symbol an. Wissing und die Industrie posierend triumphierend vor den Flammen, ein Attac-Choreograf dirigiert: Jetzt die Daumen nach oben! Jetzt ein Victory-Zeichen! Die Fotografinnen und Fotografen stehen im Ascheregen. "Don't burn our future", steht auf einem Transparent, verbrennt nicht unsere Zukunft, und: "Verkehrswende jetzt!"

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Insgesamt verläuft der erste Messetag recht ruhig seitens der Gegnerinnen und Gegner - im Vergleich zur letzten IAA. Damals blockierten Aktivisten morgens Autobahnen, indem sie sich von Brücken abseilten. Auch die aktuelle IAA wollen diverse Klimagruppen stören, es sind unangemeldete Aktionen zu erwarten.

Die erste beginnt, kurz bevor Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Hubschrauber landet, um die IAA zu eröffnen. Direkt am Haupteingang steigen Aktivistinnen und Aktivisten von Extinction Rebellion in den Messesee. Sie sind mit schwarzer Farbe besudelt und brennen Rauchfackeln ab, um die Verschmutzung durch den Autoverkehr zu symbolisieren. Auch ihr Protest richtet sich gegen die Bundesregierung. Ein Mann im Wasser erinnert an Artikel 20a des Grundgesetzes, der Umweltschutz als Staatsziel festschreibt. Dagegen verstoße die Regierung. Eine Polizistin richtet sich mit Megafon an die Protestierenden: Sie befänden sich auf Privatgrund, und der Hausrechtsinhaber dulde keine Versammlung auf seinem Gelände. Gemeint sei die Messe München, erklärt ein Polizeisprecher.

Aktivistinnen und Aktivisten von Extinction Rebellion steigen in den Messesee. Sie sind mit schwarzer Farbe besudelt und brennen Rauchfackeln ab. (Foto: Uwe Lein/dpa)

Kaum ist diese Aktion beendet, rollen gut 100 schwer bepackte Radlerinnen und Radler zum Messesee. "Ohne Kerosin nach Bayern": Unter diesem Motto hat die Gruppe "Students for Future" eine Radtour von Tübingen, Frankfurt und Leipzig nach München organisiert. Auch sie fordern eine ökologische Verkehrswende. Es ist ein bunter Pulk junger Leute, der sich auf der schmalen Wiese am See niederlässt, immer eng begleitet von der Münchner Polizei.

Diese hat am Montagabend ein Video veröffentlicht, in dem Klimaaktivisten die Schuld gegeben wird, dass andere Arbeit liegen bleibe - etwa der Kampf gegen Kindesmissbrauch oder Telefonbetrug. In den sozialen Medien hat das Video eine heftige Kontroverse ausgelöst. Während etliche User das Video als wichtige Aufklärung begrüßen, gibt es auch viel Kritik. Das Video sei Stimmungsmache gegen die Klimabewegung, die Polizei verstoße gegen ihre Neutralitätspflicht. In den vergangenen zwei Wochen waren nach Polizeiangaben täglich etwa 200 Beamtinnen und Beamte im Einsatz wegen Protestaktionen der "Letzten Generation". Während der sechstägigen IAA werden 4500 Polizisten aufgeboten.

Ein Autofahrer ohrfeigt einen Aktivisten der "Letzten Generation" bei einer Straßenblockade. (Foto: Jason Tschepljakow/dpa)

Bei einer LG-Blockade der Einsteinstraße hat am Montagnachmittag ein Autofahrer einen Aktivisten geohrfeigt. Ein Video zeigt diese Szene. Die Polizei hat nach eigenen Angaben Ermittlungen gegen den Mann aufgenommen. Insgesamt seien es laut Polizei acht Autofahrer, gegen die die Polizei wegen ihrer Reaktion auf Blockaden ermittelt. Eine Blockade der Sonnenstraße durch eine LG-Gruppe scheiterte am Dienstagvormittag. Die Polizei habe sie in der Fußgängerzone abgefangen. Daraufhin ließen sich die Aktivisten in ihren Warnwesten auf der Neuhauser Straße nieder. Der Fußverkehr hatte keine Mühe, sie zu umgehen. Auch ein zweiter Blockadeversuch am frühen Nachmittag scheiterte am Eingreifen der Polizei.

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