Kompromiss der Koalition:Kritik an Entscheidung zu Münchens Unterer Naturschutzbehörde

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Die Grünen wollen die Stadtverwaltung umbauen, um den Klimaschutz zu stärken - doch bei einem wichtigen Schritt macht die SPD nicht mit. Nun soll die Untere Naturschutzbehörde auf zwei Referate verteilt werden.

Von Thomas Anlauf und Heiner Effern

Den großen Umbruch im Naturschutz, die ökologische Wende der Stadt, nicht weniger haben die Grünen vor der Wahl versprochen. Als stärkste Fraktion im Stadtrat und großer Partner der Koalition mit der SPD wollen sie dafür die Strukturen schaffen und die Verwaltung schlagkräftig umbauen.

Das neue Referat für Klima- und Umweltschutz (RKU) arbeitet schon seit dem 1. Januar dieses Jahres. Dort sollte auch ein möglichst großer Teil des bisher schon städtisch organisierten Umweltbereichs landen, die Untere Naturschutzbehörde. Doch nach langem und intensivem Ringen haben sich die Grünen mit der SPD auf einen Kompromiss einigen müssen. Etwa zwei Drittel der gut 40 Mitarbeiter sollen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wie bisher im Planungsreferat verbleiben. Ein Drittel wird künftig dem RKU angehören.

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Was sich nach einer verwaltungsinternen Rangelei anhört, könnte sehr konkrete Auswirkungen auf die Münchnerinnen und Münchner und speziell auf ihre Bauvorhaben entfalten. Denn die Untere Naturschutzbehörde prüft die Genehmigungen in der Lokalbaukommission auf ihre Zulässigkeit im Umweltbereich. Unter anderem verantwortet sie auch den Baumschutz, den die Grünen als einen wichtigen Baustein für ein ökologisch verträgliches Klima in München stärken wollen, der aber auch so manchen Bauherrn in die Verzweiflung treibt.

Dieser Bereich der Unteren Naturschutzbehörde wird, wenn der Kompromiss so in eine Beschlussvorlage für den Stadtrat überführt wird, im Planungsreferat verbleiben. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich im Schwerpunkt mit der Umweltverträglichkeit von Bauvorhaben beschäftigen. Gleichwohl kann und wird das RKU bei großen Plänen eine eigene Stellungnahme verfassen und dem Stadtrat für die Entscheidungsfindung vorlegen.

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Die Flächenkonkurrenz zwischen Naturschutz und dem Bau neuer Wohnungen ist bereits jetzt politisch ein heiß diskutiertes Thema. "Wir wollen Konflikte, die dort entstehen, transparent machen", sagte Mona Fuchs, stellvertretende Fraktionsvorsitzende bei den Grünen. Nur so könnten Stadträte alle Belange eines Bauvorhabens abwägen. Es gehe aber nicht darum, Parallelstrukturen aufzubauen oder Verfahren zu verlängern.

Wie von den Grünen gewünscht, werden dagegen alle Mitarbeiter ins RKU wechseln, die sich mit dem flächenhaften Naturschutz beschäftigen, also zum Beispiel mit der Ausweisung, Betreuung und Überwachung von Schutzgebieten oder Naturdenkmälern. Auch die sogenannte Flächenkulisse Biodiversität soll dort erarbeitet werden, also die Definition und Kartierung von Gebieten in der Stadt, deren Erhaltung für die ökologische Wende als unverzichtbar gelten. SPD-Fraktionschef Christian Müller sieht den Naturschutz so gestärkt und gleichzeitig die Planungsverfahren für den Bau von Wohnungen, einem zentralen Thema der SPD für den Mieterschutz, gesichert. Beide Seiten hätten Zugeständnisse gemacht. "Mit einem Kompromiss ist man nie zufrieden, aber wir sind zufrieden, dass es den Kompromiss gibt."

Weit weniger zufrieden mit dem Deal fallen die ersten Reaktionen der Umweltverbände aus. Es sei "eine große Chance komplett vertan" worden, sagte am Mittwoch Heinz Sedlmeier, Geschäftsführer des Landesbundes für Vogelschutz (LBV). Gemeinsam mit dem Bund Naturschutz (BN) hatte der LBV gefordert, dass die Untere Naturschutzbehörde vollständig in das Referat für Klima- und Umweltschutz verlagert wird.

Angesichts des Klimawandels und des dramatischen Artenschwunds von Pflanzen und Tieren auch in München müsste die Naturschutzbehörde heute ganz andere Aufgaben übernehmen als bislang als untergeordnete Behörde des Planungsreferats. Das "Auseinanderreißen" der Unteren Naturschutzbehörde "führt doch nur zu Kompetenzwirrwarr", so Sedlmeier. Wie wenig die Behörde bislang auf die Belange des Natur- und Umweltschutzes eingegangen sei, zeigt Sedlmeier an einem Beispiel: Vor fast zwei Jahrzehnten habe der LBV Vorschläge für Schutzgebiete bei der Naturschutzbehörde eingereicht, darunter fünf detailliert untersuchte Grundwasserquellen. Bislang sei noch immer nichts davon umgesetzt, "ja noch nicht einmal bearbeitet".

Auch Rudolf Nützel, Geschäftsführer des Bund Naturschutz in München, wird angesichts der Pläne von Grün-Rot deutlich. "Klimawandel und Artenschwund warten nicht, deshalb muss München jetzt handeln und eine schlagkräftige Naturschutzbehörde aufstellen", sagt Nützel. In München gehe es nicht mehr darum, einen Temperaturanstieg von zwei Grad zu vermeiden - der sei längst Realität. "Es geht darum, einen Anstieg von vier oder fünf Grad zu verhindern, dafür brauchen wir eine gute Verwaltung." Aus Sicht des BN-Geschäftsführers stünden ohnehin immer wieder Schutzgebiete zugunsten von Bauvorhaben zur Disposition, so lange die Behörde weitgehend beim Planungsreferat angesiedelt sei. Ein Kompetenzzentrum im Klimaschutz- und Umweltreferat könne andere Prioritäten setzen.

© SZ vom 01.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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