Coronavirus:"Alle waren freundlich, aber auch sehr konfus"

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In München schließen wegen des Virus weitere Schulen, auch das Asyl-Ankunftszentrum ist dicht. Wer womöglich infiziert ist, tut sich schwer, verlässliche Informationen zu bekommen - oder einen Test an der Haustür.

Von Bernd Kastner und Jakob Wetzel, München

Am späten Samstagabend schreibt Maximilian Franz eine SMS, er wirkt verärgert: Gerade habe er neue Infos zum Status seiner Söhne bekommen. Sie besuchen den Kindergarten St. Klara in Bogenhausen, er ist wegen des Coronavirus geschlossen. Wahrscheinlich sei jetzt alles anders als eben noch gedacht, stünden seine Kinder, drei und sechs Jahre alt, jetzt doch unter Quarantäne, schreibt Franz ( Name geändert). Kurz zuvor war die amtliche Auskunft noch: Alles okay, ihr könnt euch frei bewegen. Und jetzt? "Wir blicken nicht mehr durch und sind ziemlich genervt. Es wird allmählich absurd!"

So wie dieser Familie dürfte es vielen Münchnern gehen. Corona breitet sich als Virus der Verunsicherung aus. Menschen, die Kontakt mit Infizierten hatten oder in Südtirol beim Skifahren waren, tun sich schwer, verlässliche Informationen zu bekommen. Derweil ist die Zahl der bestätigten Corona-Fälle bis Samstag in München auf 44 gestiegen. Am Sonntag gab das städtische Gesundheitsreferat keine neuen Zahlen bekannt.

Zudem gab die Stadt bekannt, dass neben dem Hausenstein-Gymnasium und dem Schulzentrum an der Riesstraße weitere Schulen geschlossen sind: Die Wilhelm-Busch-Realschule, das Maria-Ward-Gymnasium, die Europäische Schule bleiben wegen Infektionen bis 20. März zu. Die Robert-Bosch-Fachoberschule bleibt bis auf Weiteres geschlossen, das Förderzentrum München-Ost bleibt bis einschließlich Donnerstag, 19. März geschlossen.

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Auch das Ankunftszentrum für Asylsuchende an der Maria-Probst-Straße ist betroffen, wie die Regierung von Oberbayern auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung bestätigt: Zwei Flüchtlinge seien positiv getestet worden, sie befänden sich isoliert in der Krankenstation. Sie hätten keine Symptome. Seit Freitag gelte ein Aufnahmestopp und es würden keine Flüchtlinge von dort in andere Unterkünfte verlegt.

So eindeutig all dies wirkt, so schwer ist es bisweilen für Betroffene, konkrete Empfehlungen zu bekommen. Maximilian Franz, 43, erzählt, was er seit Donnerstagnachmittag erlebt habe. Da erfuhr er, dass jemand im Kindergarten St. Klara mit Corona infiziert sei. Franz kennt diese Person, will sie aber nicht öffentlich identifizierbar machen. Als er davon hört, ist er in der Arbeit und denkt an seine Eltern, die gerade auf die Kinder aufpassen. Was, wenn die Buben Oma und Opa anstecken? "Die Aufregung war groß", berichtet Franz rückblickend. Rasch holt er die Kinder heim. Ob sie Kontakt zur infizierten Person in St. Klara hatten, weiß er nicht, sicher aber ist, dass seine Frau am Montag etwa zehn Minuten lang mit dieser Person gesprochen hat.

"Wir waren nicht in Panik", erzählt der Vater. Was die Familie aber will, sind klare und offizielle Antworten: Was tun? Sind wir unter Quarantäne? "Seit Donnerstag halb sechs haben wir telefoniert." Sie haben die städtische und staatliche Gesundheitsbehörde angerufen und den ärztlichen Bereitschaftsdienst, wieder und wieder. Mal Anrufbeantworter, mal besetzt, mal ein Band mit der Bitte um Geduld, dann der Rauswurf aus der Warteschleife. Die Familie stellt sich darauf ein, die nächsten zwei Wochen zu Hause zu bleiben, überlegt, ihre Fernreise im April abzusagen. Franz und seine Frau informieren Eltern, Nachbarn und Freunde. Manche bieten an, ihnen Essen vor die Tür zu stellen.

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Am Samstagvormittag klingelt das Telefon. Eine freundliche Frau vom Gesundheitsamt bittet um Nachsicht, dass es so lange gedauert habe. Dann gibt sie Entwarnung: Die Familie müsse nicht in Quarantäne, alle vier dürften sich frei bewegen, kein Test sei nötig. Auch wenn sie eigentlich nicht in Sorge gewesen seien, sagt Franz, dieser Anruf sei "eine Erlösung" gewesen.

Am Samstagabend ändert sich die Stimmung der Familie schlagartig. Da schickt eine Mutter, deren Kind dieselbe Kita-Gruppe besucht wie die Franz-Kinder, eine Nachricht an die anderen Eltern: Alle Kinder dieser Gruppe müssten in Quarantäne und sich rasch testen lassen. Diese Auskunft habe sie vom Amt bekommen. Und jetzt? Franz weiß nur, dass die Unsicherheit wieder da ist. Noch hält er sich an die Auskunft, die er selbst vom Amt bekommen habe, dass alles gut sei. Deshalb geht die Familie am Sonntag zum Skifahren. Aber er hat das Handy immer griffbereit. Am Mittag dann ein Anruf vom Amt: Ja, jetzt gelte, dass die Kinder unter Quarantäne sind, am Montag sollen sie getestet werden. So unterschiedlich der individuelle Umgang mit der Virus-Krise auch ist, eine Corona-Konstante wird von Tag zu Tag deutlicher erkennbar: Offizielle, widerspruchsfreie Infos zu bekommen, ist schwierig.

Bis zum Samstag war fast jeder zweite Corona-Fall in München auf Südtirol zurückzuführen, wie die Stadt mitteilt. Dort war Ben Fischer (Name geändert) über die Faschingsferien mit seiner Familie zum Skifahren, jetzt berichtet er von seinem mäandernden Weg zum Corona-Test. "Alle waren sehr freundlich und nett", sagt er über die Gesprächspartner, die er nach vielen Versuchen an den Hotlines erreicht habe.

"Aber jeder sagt etwas anderes." Weil am Donnerstag Südtirol zum Risikogebiet erklärt wird, ruft er am Freitagmorgen die Hotlines an. Zunächst heißt es, die Kinder dürften in die Schule. Von der Schule selbst hört der Vater: Lieber daheim bleiben. (Inzwischen ist für Südtirol-Urlauber der Unterrichtsbesuch verboten.) Dann will Fischer wissen, ob nicht ein Test nötig sei. Einer der Söhne habe seit der Rückkehr Husten und Schnupfen, aber kein Fieber. Unter den Nummern von Stadt und Bereitschaftsdienst bekommt er unterschiedliche Antworten, "es gab ein unglaubliches Hin und Her". Aufenthalt im Risikogebiet, Krankheitssymptome ohne Fieber - kein Test, sagt der eine. Doch, sagt der andere: testen. Wenn Test - alle vier Familienmitglieder oder nur der hustende Sohn? Erste Auskunft am Telefon: Nur das Kind, die Kapazitäten seien begrenzt. Dann meldet sich aus dem Auto der Arzt, der auf dem Weg zur Familie ist: Nein, wir testen alle vier.

Das geschieht dann auf der Schwelle der Wohnungstür, der Arzt hat sich auf der Straße Schutzkleidung übergezogen: Wattestäbchen in den Mund, einige Sekunden die Schleimhaut abreiben, fertig. Kaum ist der Arzt weg, ruft jemand von einer der Hotlines zurück und fragt, wie denn der Stand sei und ob die Fischers einen Test machen wollen. Am Sonntagvormittag nochmals zwei Anrufe. Es war behördenintern offenbar nicht vermerkt, dass die Familie bereits getestet ist, so werden die Ressourcen der Mitarbeiter in den Telefonzentralen vergeudet. Auf das Testergebnis wartet die Familie am späten Sonntag noch. "Alles ist sehr improvisiert" - so fasst Fischer seine Corona-Erfahrungen zusammen. "Alle waren freundlich, aber auch sehr konfus."

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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