Kostüm und Maske im Gärtnerplatztheater:"Wir treffen offensichtlich den Geschmack des Publikums"

Lesezeit: 4 min

Inge Schäffner. (Foto: Florian Peljak)

Inge Schäffner hat im In- und Ausland gearbeitet. Doch nirgends hat sich die Chefin von Kostüm und Maske so wohlgefühlt wie am Gärtnerplatztheater.

Interview von Sabine Buchwald

Inge Schäffner ist die Direktorin für Kostüm und Maske am Münchner Gärtnerplatztheater. Kerzengerade und dynamisch läuft sie mit einem klappernden Schlüsselbund durch die Gänge des Theaters. Ihren Tag beginnt die gebürtige Schwäbin in der Regel frühmorgens mit einem Abstecher ins Yoga-Studio. In ihrem Büro hängt ein Bild mit dem Enso-Kreis, das Zen-Symbol der Unendlichkeit. "Passend zum Theater", sagt sie. "Man ist hier nie fertig."

SZ: Frau Schäffner, Sie arbeiten seit fast 17 Jahren am Gärtnerplatztheater, fünf Jahre unter Intendant Ulrich Peters, seit 2012 mit Josef Köpplinger. Was hält Sie so lange?

Inge Schäffner: Es gibt einen ausgesprochen schönen Umgang miteinander. Ich habe viele Häuser im In- und Ausland kennengelernt, aber nirgends war es so familiär. Bei uns arbeiten wirklich besondere Leute, und mein Team ist fantastisch.

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:Hinter den Kulissen des Gärtnerplatztheaters

Inge Schäffner, Direktorin für Kostüm und Maske, gibt Einblicke in Münchens erfolgreiches und beliebtes Musiktheater. Ein Gespräch über Kreativität, einen Traumberuf und was sie mit Ludwig II. verbindet.

Von Sabine Buchwald

Andere Theater stehen enorm unter Druck, den die Mitarbeiter dann oft zu spüren bekommen.

Wir haben eine hohe Auslastung, 94 Prozent waren es im vergangenen Jahr. Wir treffen offensichtlich den Geschmack des Publikums. Und die Erwartungen. Die Zuschauer bekommen Unterhaltung, etwas Leichtigkeit, aber auf gutem Niveau. Sie können bei uns Operetten wie das "Weiße Rössl" sehen oder Ballettaufführungen wie "Peer Gynt". Wir haben Opern wie "La Bohème" oder kommenden Winter dann zum 50. Mal den Weihnachtsklassiker "Hänsel und Gretel".

Entwerfen Sie als Chefin der Kostüm- und Maskenabteilung auch selbst?

Das habe ich an anderen Theatern sehr viel mehr gemacht als hier. Jetzt leite ich eine Abteilung mit 90 Mitarbeitern, da bleibt wenig Zeit dafür. Aber Josef Köpplinger sieht, dass ich das Entwerfen, das heißt diese Art von Kreativität vermisse, und hat mir einige Male die Möglichkeit dazu gegeben. Zum Beispiel bei den Inszenierungen von "Anna Bolena" und "Mozart muss sterben".

Was gehört sonst zu Ihrem Job?

Ich kümmere mich bei jeder Inszenierung um das Budgetieren der Ausstattung und berate die Kostümbildner. Das ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit, denn wir müssen das Jahresbudget einhalten. Große Stücke wie "Les Miserables" haben natürlich mehr vom Topf zur Verfügung als kleinere. Außerdem bin ich für die Mitarbeiter meiner Abteilung verantwortlich und ich organisiere den jährlichen Kostümverkauf.

Wie viele Kostüme gibt es für eine Inszenierung?

Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben Stücke mit um die 1000 Kostüme - Schuhe, Hüte, Tücher eingerechnet -, wie beim "Vogelhändler". Dann gibt es Großinszenierungen wie "Les Miserables", da sind es gut 3000 Kostümteile und Accessoires, dazu gehören auch die vielen Bärte, Koteletten und Perücken. Jeder Darsteller hat zwei, drei Perücken in diesem Stück.

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Werden die bei Ihnen im Haus gefertigt?

Ja, darauf sind wir stolz, denn wir gehen da mit der Zeit. Wir haben uns auf Kunsthaar spezialisiert, was preisgünstiger und pflegeleichter ist. Die Perücken kann man besser aufbewahren und sie sind weniger anfällig für Schädlinge.

Und nach jeder Aufführung wird alles gewaschen. Wie machen Sie das?

Jedes Mal, ja. Die Perücken werden shampooniert und geföhnt, Locken mit Heißwicklern aufgedreht. Für delikate Kostüme aus Seide oder mit Pailletten habe ich eine gute chemische Reinigung in München gefunden. Wir haben hier im Keller aber auch Waschmaschinen, die permanent laufen. Jedes Kostümteil wird mit dem Namen der Sängerinnen und Sänger oder Tänzerinnen und Tänzer und des Stücks versehen, damit es dann wieder zuzuordnen ist. Es steckt eine Menge Arbeit dahinter und eine große Logistik.

Die Kleidung für die Aufführung "Der Vogelhändler" ist aus Lackstoffen gefertigt. (Foto: Marie-Laure Briane)

Wo werden die Kostüme aufbewahrt?

Was wir aktuell brauchen, für zwei, drei Vorstellungen, hängt bei uns im Theater. Wir haben aber knapp 20 Stücke im Repertoire. Die Kostüme und alles, was dazu gehört, sind in unserem Depot in Poing, im Landkreis Ebersberg, und werden nach Bedarf hin- und hergebracht.

Ihre Karriere begann mit einer Schneiderlehre. Wie ging es dann weiter?

Ich habe mich schon als Jugendliche für Theater interessiert und mir selbst Kostüme genäht. Ich wollte das immer zu meinem Beruf machen. Nach der Lehre habe ich lange an verschiedenen Theatern assistiert. Dann kam die Meisterschule, die jetzt ja einem Bachelor-Abschluss gleichkommt. Aber ich lerne immer noch dazu, mit jeder neuen Inszenierung.

Welche Stationen haben Sie am meisten geprägt?

Ich hatte die große Chance, am Anfang der 2000er-Jahre mit Stephan Barbarino, Joachim Herzog und Heinz Hauser in Füssen das Musical "König Ludwig II." aufzubauen. Ich war von Anfang an im Festspielhaus dabei und habe an der Seite des wirklich großartigen Kostümbildners Joachim Herzog eine funktionierende Kostümabteilung mit eingerichtet. Ich war auch in Bregenz bei den Festspielen und habe in Klagenfurt mit Martin Kušej und Martin Gruber gearbeitet. Am Staatstheater Stuttgart habe ich assistiert und bei der großen Musicalcompany "Stage Holding" habe ich das Musical "The Beauty and The Beast" mitaufgebaut. Wir haben dort Objekte zu Kostümen gemacht: Wir mussten uns überlegen, wie die Darsteller als Messer tanzen oder als Schuhschrank irgendwie noch laufen können.

Kostüme für "Les Miserables", entworfen von Viktor & Rolf, den niederländischen Modekünstlern Viktor Horsting und Rolf Snoeren. (Foto: Marie-Laure Briane)

Gibt es genug Nachwuchs in Ihrem Bereich?

Leider nein. Deswegen bilden wir seit Jahren auch in unseren Gewerken selbst aus. In meiner Abteilung kann man Damen- und Herrenschneider und Schuhmacher werden. Und auch in der Maske bilden wir aus.

Was kann man mit Kostüm und Maske tun, um das Publikum zu überraschen?

Die Kostüme sind alle maßangefertigt. Die exakte Passform, die Auswahl der Materialien, die so im Einzelhandel nicht zu bekommen sind, das sieht man ihnen an. Theater erzeugt die Illusion einer anderen Welt und Zeit, und dazu gehört eben auch mal ein opulentes Kostüm und die perfekte Maske, die eine Sängerin oder einen Sänger komplett verwandelt. Ich finde das faszinierend.

Ein Staatstheater ist ein Luxus, den sich ein reiches Bundesland wie Bayern leistet.

Ich sehe das gar nicht so sehr als Luxus. Wir haben einen Bildungs- und Kulturauftrag. Wir betrachten bestimmte politische Ansichten, die in Operetten und Opern inhaltlich vorgegeben sind, immer wieder neu. Mozarts "Zauberflöte" wird heute anders inszeniert als vor 100 Jahren. Jede Inszenierung ist immer ein Spiegel ihrer Zeit.

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