Drogenfunde am Flughafen:Kofferweise Koks

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Ein Koffer mit 22 Kilogramm Kokain wurde im Oktober herrenlos am Münchner Flughafen konfisziert. (Foto: dpa)

Trotz des eingeschränkten Flugbetriebs ist 2021 schon jetzt ein Rekordjahr für den Zoll. Das liegt vor allem an einem einzigen Fund.

Von Joachim Mölter

Das Jahr ist noch nicht vorüber, bis Silvester sind es sechs Wochen, aber schon jetzt lässt sich sagen, dass 2021 in die Rekordliste des Münchner Hauptzollamts eingehen wird - in der Rubrik der am Flughafen sichergestellten Drogenmenge. Dafür hat ein einziger Fund gereicht: 1,2 Tonnen Khat, die Mitte Oktober in einer Frachtsendung aus Dubai entdeckt wurden.

Die war als Tischdekoration deklariert und auf dem Weg in die USA. Tischdeko in drei Big Bags, also quaderförmigen Plastiksäcken, wie sie für gewöhnlich in der Baubranche für Materialtransporte verwendet werden? Da wurden die Zollbeamten stutzig und schauten genau nach; das dürfen sie ja auch bei Waren, die sich im Transit durch Deutschland befinden.

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Was sie fanden, war "die größte sichergestellte Menge an Khat seit Bestehen des Münchner Airports", wie Thomas Meister erklärt, der Pressesprecher des Hauptzollamts München: Das Gewicht "sprengt jede Statistik". Weil seine Behörde bereits im April 2020 eine außergewöhnliche Menge der hauptsächlich in Ostafrika und der arabischen Halbinsel angebauten Pflanze auf einen Schlag konfiszierte - 360 Kilogramm, verpackt in 36 gleichartige Postpakete aus Indien -, hatte der Pressesprecher die Kaudroge zuletzt gar nicht mehr in die Statistik aufgenommen. Bereinigt um Khat summierten sich die Rauschgift-Funde in den Jahren 2018 und 2019 auf 262 beziehungsweise 414 Kilo. Im Corona-Jahr 2020 sank die Zahl wegen des eingeschränkten Flugbetriebs auf 114 Kilo; im laufenden Jahr kamen bislang knapp 100 Kilo zusammen.

"Wir merken die Pandemie auch", sagt Thomas Meister, "wir sind bei Weitem noch nicht auf dem Vor-Corona-Level", was die Passagiere angeht. Vor Ausbruch der Corona-Pandemie zählte der Münchner Flughafen rund 45 Millionen Reisende im Jahr, danach war nur noch ein Bruchteil unterwegs. Und weniger Flugverkehr bedeutet auch weniger Schmuggel.

Ein Koffer voller Kokain: Röntgenaufnahme des herrenlosen Gepäckstücks vom Oktober. (Foto: Zoll)

Erst seit Sommer steigt die Zahl der Fluggäste wieder, Anfang Oktober meldeten die Beamten dann den ersten großen, ebenso spektakulären wie kuriosen Fund: Da nahmen die Mitarbeiter einen herrenlosen Koffer vom Gepäckband, beim Röntgen erkannten sie statt der erwarteten Kleidung und Kulturbeutel nur flache Platten: abgepacktes Kokain in reiner Form, wie sich herausstellte, stattliche 22 Kilo.

Im Mai werden 4,5 Kilogramm Kokain gefunden. Verkaufswert: etwa eine Million Euro

Beim grammweisen Verkauf des gestreckten Kokains im Straßenhandel hätten sich damit nach vorsichtigen Schätzungen der Zollbeamten rund fünf Millionen Euro verdienen lassen. Warum das mutmaßlich in der Dominikanischen Republik auf die Reise geschickte Gepäckstück einsam in München strandete, ermitteln die Zollfahnder noch: Ob der Koffer fehlgeleitet wurde, es der Besitzer mit der Angst zu tun bekommen oder schlichtweg vergessen hat - alles ist möglich.

Ebenso rätselhaft ist bislang ein weiterer Kokainfund, an dem die Zollfahnder beteiligt waren, zwar nicht am, aber in der Nähe des Flughafens, in Erding. Dort entdeckten im Mai Angestellte eines Logistikunternehmens für Frischfrüchte in einem Abfallcontainer für Biomüll 4,5 Kilogramm Kokain im Verkaufswert von etwa einer Million Euro. Wie sich herausstellte, hatten Leiharbeiter tags zuvor einen Karton mit Bananen entsorgt, weil der nicht den vorgegebenen Füllnormen entsprochen habe; um den weiteren Inhalt - mit Klebeband umwickelte Päckchen mit gepresstem Kokain - hatten sie sich nicht gekümmert.

Das Mysteriöse an der Geschichte: Die entsorgte Packung stammte aus einer Lieferung von 1150 Kartons Biobananen aus Ecuador, die auf dem Seeweg in die Niederlande und dann per Lkw weiter nach Erding gebracht worden war. Weitere Drogenpäckchen wurden in der ganzen Ladung aber nicht mehr aufgespürt, weder im Lager des Unternehmens noch in den bereits belieferten Supermärkten.

Kleine Mengen werden in Shampoo-Flaschen oder auch mal in Badelatschen transportiert

Abgesehen von Khat ist Kokain jedenfalls immer noch die größte Nummer unter den Drogenfunden des Zolls; bevorzugte Exportgegend ist weiterhin Südamerika, wie Thomas Meister bestätigt: "Man kann es nicht pauschalieren, aber das ist schon ein Schwerpunkt." Aber gerade aus Südamerika sind viele direkte Flugverbindungen weggebrochen während der Corona-Pandemie. Heutzutage werden einige wenige Drehkreuze angesteuert wie Madrid, Rom, Amsterdam und in Deutschland vor allem Frankfurt.

Außer in Frachtsendungen werden die Fahnder meist im Handgepäck fündig, dann freilich eher mit geringen Mengen. Bei der Enttarnung von kreativen Verstecken spielt oft das auffallende Gewicht eine Rolle, erzählt Thomas Meister: So kommen bei Kontrollen mitunter ungewöhnlich schwere Flaschen mit Schaumbad, Duschgel oder Shampoo zum Vorschein - da schwimmt dann oben etwas Waschmittel und abgetrennt darunter befinden sich die Drogen.

Bei einem besonders elegant gekleideten Geschäftsmann, der aus São Paulo angekommen war, wurden die Münchner Kontrolleure einst hellhörig, als er nicht so richtig überzeugend erklären konnte, was die Badelatschen in seinem Gepäck zu suchen hatten. Auch da half das Röntgen schnell weiter: In den Sohlen war Kokain eingearbeitet, insgesamt ein Kilo.

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