Reaktionen zum Tod von Klaus Lemke:"Dieser unangepasste Cowboy fehlt. Er fehlt. Er fehlt."

Lesezeit: 5 min

Klaus Lemke, hier ein Foto aus dem Jahr 2010, ist am 7. Juli 2022 gestorben. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Sterben war für Klaus Lemke keine Kategorie, denn Filmhelden leben für ihn weiter. Wegbegleiter erinnern sich an den "König von Schwabing", einen Mann, der radikal lebte und arbeitete.

Iris Berben, Schauspielerin: "Ich stehe gerade am Flughafen in Lissabon und kann nicht begreifen, dass Klaus tot ist. Aber vielleicht ist es der richtige Ort, um ihm guten Flug zu wünschen... Als 18-jähriges Mädel habe ich ihn kennengelernt, in der Flipperkneipe "Bungalow" in der Maxvorstadt. Dort waren damals alle: Lemke, Max Zihlmann, Rudolf Thome, Fassbinder, die ganzen Münchner Jungfilmer. Ich begann eine Affäre mit Klaus, die nicht von langer Dauer war. Wir machten einen Film, der "Brandstifter" hieß und ganz nah dran an der Zeit war, der Brandanschlag in Frankfurt im April 1968 hatte gerade Schlagzeilen gemacht, Baader und Ensslin waren dafür verhaftet worden. Später habe ich Klaus nicht mehr oft gesehen, wir lebten zwar beide in München, aber in verschiedenen Welten. Ich habe ihn dafür bewundert, dass er unkorrumpierbar war; dass er sich das Recht nahm, alles nur so zu machen, wie er es wollte. Die Radikalität in seinen Filmen war auch die Radikalität seines Lebens. Dieser unangepasste Cowboy fehlt. Er fehlt. Er fehlt."

Film
:"Das Leben ergibt keinen Sinn, das Sterben auch nicht"

Der Filmemacher Klaus Lemke ist tot. Begegnungen mit einem charmanten Einzelgänger, der nicht ins "subventionierte Massengrab" der deutschen Filmindustrie hinabsteigen wollte.

Von Sabine Buchwald, Josef Grübl, Susanne Hermanski und Barbara Hordych;

Urs Spörri, Freund, Filmschaffender und Moderator beim Filmfest München: "Ich durfte Klaus' letzte Premiere moderieren, wir waren seit zehn Jahren befreundet und hatten in den letzten zwei Wochen täglich Kontakt. Er war so glücklich über diesen letzten großen Erfolg. Plötzlich stand Klaus wieder da. Mit Hut und selbstgemaltem Schild: "Kunst kommt von Küssen." Die letzte Premiere vor genau zwei Wochen beim Filmfest München, die letzte große Show. Das City-Kino bebte vor Euphorie ob des neuen Films "Champagner für die Augen - Gift für den Rest". Drei jungen Fans aus Kaiserslautern schenkte er Eintrittskarten, gab Autogramme auf T-Shirts. Der König von Schwabing war zurück. Auf der Bühne sprachen wir nach dem Film eine gefühlte Ewigkeit. Über Cleo, über Sylvie, über Fierek. Und seine Helden: Mit welchem Schauspieler würde er gerne noch zusammenarbeiten? "Belmondo", antwortete Klaus ohne zu zögern. "Aber der ist doch schon tot." - "Egal!" Sterben, das war für ihn keine Kategorie. Filmhelden leben weiter. Und als hätte Klaus es geahnt, sagt er im allerletzten Frame seines nunmehr letzten Filmes im On: "Es war ein Vergnügen, diesen Film für Sie zu machen." Bombe, Digga. Danke für alles."

Klaus Lemke vor der Premiere seines letzten Films "Champagner für die Augen - Gift für den Rest", die im Rahmen des Filmfests München 2022 stattfand. (Foto: Felix Hörhager/dpa)

Wolfgang Büld, Dokumentarist von "Punk in London", Regisseur von Zeitgeistfilmen wie "Gib Gas - Ich will Spaß" und "Manta, Manta": "Wir kannten uns seit 1974 aus dem Schwabinger Café Capri, dessen absoluter Herrscher Klaus war. Meine erste Produktionsfirma für "Gib Gas, ich will Spaß" mit Nena und Markus haben wir dann auch Capri-Film genannt. Unsere Freundschaft hielt ein Leben lang, auch wenn Klaus mit meinen späteren Filmen gar nichts und ich mit seinen wenig anfangen konnte. 2013 versuchte er mal, einen Film über mich zu drehen. Auf die Idee gekommen ist er, weil ich ihm erzählt hatte, was mir in meinem Hamburger Stammlokal passiert war. Ich hatte meiner Lieblingsbedienung ein paar Filme von mir zum Ansehen gegeben, darunter auch solche Sachen wie "Penetration Angst" (ein britischer Trash-Horror-Film mit Kultstatus, Anm. d. Red.). Sie hat danach kein Wort mehr mit mir geredet und war irgendwann verschwunden. Also habe ich sie angerufen. Sie sagte: "Ich bin jetzt in der Psychiatrie". Klaus fand das derart herrlich, dass er unbedingt daraus einen Film machen wollte. Ich sagte ihm gleich, so ein Gag reicht nicht für einen ganzen Film. Aber er kam wochenlang zu mir nach London und drehte Interviews mit mir, die ihm dann immer zu langweilig waren. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass es bei meinen Dreharbeiten, selbst wenn es in den Filmen mal um Sex und Gewalt ging, immer ganz friedlich und lustig abgelaufen ist."

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Richard Schmelcher, Betreiber der Copy-Oase in der Amalienstraße, Lemke-Darsteller und Freund: "Wir hatten doch noch so viele Pläne. Mitte August sollte der Dreh des neuen Films beginnen. Ich sollte den Bösen spielen. Als er noch in der Amalienstraße wohnte, ist er jeden Tag mindestens einmal auf dem Weg zum Einkaufen oder zum Fitness-Studio bei mir vorbeigekommen, um zu sehen, was es Neues über ihn im Internet zu finden gab, wer ihm E-Mails geschrieben hatte oder was für ihn bei mir hinterlegt worden war. Oder wir haben neue Flyer gestaltet und Bilder fürs Netz bearbeitet. Er fand das immer großartig, weltbewegend, ich fand das eher normal, was er dann wieder seltsam fand. Wir hatten oft innerhalb weniger Minuten die Bilder fertig; er meinte, dass andere Tage dafür bräuchten. Andererseits haben wir manchmal Wochen gebastelt, viele Versionen verworfen und am Ende sah es absichtlich so aus, als hätten wir das in zehn Minuten zusammengeschustert. Wie auch in seinen Filmen. Der erste "Schuss" war oft der spontanste und beste. Diese Spontanität und Authentizität war ihm immer wichtig. Er filmte immer ohne Drehbuch, ihm fiel spontan was ein, was wir dann sofort umsetzten. Das passte dann oft nicht zum Handlungsstrang, wodurch viele gute Szenen leider weggeschnitten werden mussten. Oft wurde aber auch soviel weggeschnitten, dass der Zuschauer die Handlung nicht mehr richtig nachvollziehen konnte. Schwabing und die Maxvorstadt haben ihren letzten Cowboy verloren, den "König von Schwabing". Wir werden ihn sehr vermissen."

Die Copy Oase in der Amalienstraße und Richard Schmelcher waren für Klaus Lemke eine wichtige Anlaufstelle. Hier konnte man den Regisseur oft antreffen. (Foto: Yoav Kedem)

Florian Kohlert, Cutter und Fotograf: "Vor mehr als 15 Jahren saßen wir das erste Mal zusammen im Schneideraum und haben einen Film geschnitten. Vor ein paar Wochen das letzte Mal bei "Champagner für die Augen - Gift für den Rest." In all diesen Jahren haben wir sehr viel miteinander gesprochen - über Filme, Serien und die ganze Welt. Es hat mich immer wieder so sehr beeindruckt, wie Klaus Lemke alles aufgesaugt hat, was neu, innovativ und modern ist. Da war er vielen jüngeren Kollegen weit voraus. Die wirkliche Besonderheit für mich aber war seine große Wertschätzung und sein ehrliches Interesse an Menschen. Das hat man immer spüren können. Es war ihm sehr wichtig, wie es mir und anderen ging, seine Fragen waren immer ernst gemeint. Klaus Lemke hat es geliebt, Filme zu machen, dafür hat er gelebt. Das Entstehen eines Films im Schnitt war für ihn selbst auch immer wieder magisch. Menschen haben ihn dabei mehr interessiert als die Geschichte. Was heute character driven storytelling genannt wird, war von je her die DNA seiner Arbeiten, das hat seine Filme ausgezeichnet, aber auch ihn als Mensch. Danke Klaus, es war wunderbar. Danke für deine Magie, dein Interesse und deinen Respekt."

Anton Biebl, Kulturreferent der Stadt München: "Mit Klaus Lemke verliert München einen großartigen, eigensinnigen, ebenso unangepassten wie kreativen Filmemacher und Drehbuchautoren. Er hat Generationen von Cineasten begeistert und sich immer wieder neu erfunden. Schon die Titel seiner Filme - wie "Neue Götter in der Maxvorstadt" oder "Schmutziger Süden" - sind pure Kino-Poesie; "Mein schönes kurzes Leben" hieß ein Film von 1970. Wir sind froh, dass Klaus Lemke auch danach ein langes Leben dem Filmschaffen gewidmet hat!"

Die Schauspielerin Cleo Kretschmer und Klaus Lemke waren in den Achtzigerjahren ein Paar, beruflich und privat. (Foto: Istvan Bajzat/dpa)

Bernd Brehmer, Kinomacher und Lemke-Darsteller: "Ein Leben, das Zelluloid wurde, außer Atem zwischen Godard und Hawks, München, Hamburg, Acapulco. Und immer die schönsten und aufregendsten Frauen an seiner Seite. Vor ein paar Wochen meinte er noch voller Tatendrang: "Digga, in diesen verflixten Zeiten brauchen wir keine Kunst, sondern Schönheit!" Denn: "Die Schönheit, die hält uns am Leben!" Und sollte es doch nicht stimmen, dass die Bardot einst seinen zweiten Langfilm produzieren wollte, gilt noch immer: Print the legend! Farewell, Cowboy! KIZZ."

May Spils, Regisseurin, und Werner Enke, Schauspieler ("Zur Sache, Schätzchen"): "Ohne ihn hätten wir nie Filme gemacht. Er hat mit Enke 1965 den ersten Kurzfilm "Kleine Front" gedreht. Wir waren eng befreundet und sind total geschockt. Lemke, der Vitalinski: Das letzte Mal hat Enke ihn im Englischen Garten beim Joggen getroffen, da hat er sich mit dem Rennrad in seinen Windschatten gehängt. Unfassbar! Wir sind traurig."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusZum Tod von Klaus Lemke
:Seele, Sprache, Bombe

Der Filmemacher Klaus Lemke, ein Held der Freiheit und der Kunst, ist tot. Das ist nur schwer auszuhalten.

Von Tobias Kniebe und David Steinitz

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: