Vor dem Länderspiel:Englischer Fan zündet Pyrotechnik im Hotelzimmer

Lesezeit: 3 min

Fans vor der Fröttmaninger Arena. (Foto: Florian Peljak)

Rund 5000 Anhänger aus England sind in München, viele von ihnen ohne Eintrittskarten. Auch gewaltbereite Neonazis sind unter ihnen. Bis zum späten Nachmittag gibt es acht Anzeigen.

Von Martin Bernstein

Randale im Hofbräuhaus, bengalisches Feuer im Hotelzimmer und Hooligans, die sich mit Hitlergruß auf das emotionsbeladene Traditionsduell ihrer englischen Nationalmannschaft gegen Deutschland einstimmen: Schon seit Sonntag strömen Tausende Fans von der Insel nach München. 3466 Karten für das Spiel in der Arena in Fröttmaning ( Anpfiff ist um 20.45 Uhr - zum Liveticker) hat das Mutterland des Fußballs offiziell zugeteilt bekommen - doch Experten gehen davon aus, dass sich noch mehr Fans auf anderen Wegen Tickets organisiert haben. Oder ohne Karten nach München gekommen sind. Mit rund 5000 angereisten Anhängern der "Three Lions" rechnet die Münchner Polizei.

Die ersten Zwischenfälle gab es bereits, acht Anzeigen registrierte die Polizei bis zum späten Nachmittag. Die Münchner Berufsfeuerwehr veröffentlichte am Dienstagvormittag einen "tagesaktuellen Tipp": Man möge doch bitte keine "Bengalfackel" im Hotelzimmer zünden. "Denn das wird definitiv ein teures Vergnügen. Und noch viel wichtiger: Es gefährdet alle anderen Hotelgäste!" Die scherzhafte Formulierung verbirgt einen ernsten Kern. Um halb vier wurde die Feuerwehr nämlich zu einem Hotel in der Ingolstädter Straße gerufen. Eine automatische Brandmeldeanlage hatte ausgelöst. Beim Eintreffen der Feuerwehrkräfte drang Rauch aus dem ersten Geschoss des Hotels.

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Nachdem mehrere Zimmer geöffnet worden waren, stellte sich heraus, dass ein Anhänger der englischen Fußballnationalmannschaft eine bengalische Fackel aus dem Fenster seines Hotelzimmers gezündet hatte. Der Rauch der Pyrotechnik zog in das Doppelzimmer des Fans und verteilte sich anschließend weiter im gesamten Gebäude. Die Feuerwehr musste das Gebäude entrauchen, die Kriminalpolizei ermittelt.

Rechtsextreme Hooligans zeigen sich auf Twitter

Bemerkbar gemacht haben sich bereits die als besonders gewalttätig berüchtigten Hooligans aus dem Süd-Londoner Stadtteil Millwall. Auf Twitter veröffentlichte Fotos zeigen die neonazistische und antisemitische Gruppierung der "Millwall Berserkers" mit Fahne am Platzl, am Sendlinger Tor und auf dem Weg zum Marienhof. "Niemand mag uns - uns doch egal", lautet das Motto der Millwall-Hooligans. "In München ready for the game", heißt es vieldeutig auf Twitter.

Englische Fans im Augustiner am Dom. (Foto: Florian Peljak)

Die Präsenz lautstarker englischer Fans in der Stadt fällt auch Nicht-Münchnern auf. Der australischen Folk-Punk-Band The Rumjacks etwa. Bei ihrem Auftritt im Feierwerk am Montagabend wunderte sich der Sänger nach Berichten von Konzertbesuchern, dass er in München nur englische Hooligans gesehen habe - und bat um einen deutschen Sieg. Die britische Tageszeitung The Times berichtet über Aggressionen englischer Fans gegenüber der Münchner Polizei bereits am Montag auf dem Frauenplatz. Zwei Hooligans sollen den Hitlergruß gezeigt, einer eine Flasche auf Polizisten geworfen haben. Die Toilette einer Bar wurde zertrümmert.

Nach einem Bericht des Sportinformationsdienstes sid treibt auch Englands Trainer Gareth Southgate die Sorge um, Landsleute könnten sich in München daneben benehmen. Das würde sich "definitiv" auf die Leistung seiner Mannschaft auswirken: "Du schämst dich, wenn du davon hörst", es sei ja ein Spiegelbild des eigenen Landes. Vor dem Spiel mussten laut der Nachrichtenagentur sid 880 bekannte englische Krawallmacher ihre Pässe bei der Polizei abgeben. Die Stadt München hat bis Dienstag um Mitternacht ein Verbot von Glasflaschen zwischen Karlsplatz und Isartor einschließlich Marienplatz und Viktualienmarkt erlassen.

700 Beamte sind im Einsatz

Bereits am Sonntagabend hatten englische Fans im Münchner Hofbräuhaus randaliert. Die Polizei schickte mehrere Streifen. Doch zwei Stunden später mussten 40 Polizisten erneut rund 200 Unbelehrbare wegschicken. Strafrechtlich Relevantes war da aber noch nicht zu verzeichnen.

Ausfälle englischer Fans hatte es nicht zuletzt beim letzten Länderspiel in Deutschland gegen England am 22. März 2017 in Dortmund gegeben. Sie buhten dabei die deutsche Nationalhymne aus, sangen Lieder aus dem Zweiten Weltkrieg und zeigten den Hitlergruß. Danach sperrte der englische Verband zwei Fans lebenslang.

Englische Fans hängen Fahnen an Bauzäunen vor dem Hofbräuhaus auf. (Foto: Florian Peljak)

Szenen wie damals sollen sich nicht wiederholen, weshalb laut Sportinformationsdienst unter anderem zwölf sogenannte "Spotter", sonst in Wembley eingesetztes Sicherheitspersonal, die Münchner Polizei unterstützen sollen. Das Polizeipräsidium bestätigte, im engen Kontakt mit englischen Stellen zu stehen, szenekundige englische Beamte seien in München eingetroffen. An die englischen Fans wurde im Vorfeld ein Brief mit den wichtigsten Sicherheitsbestimmungen verschickt und auch im Internet veröffentlicht. Die Münchner Polizei kündigt darin an, konsequent gegen jede Form von Aggression oder Gewalt vorzugehen. Das Präsidium setzt rund um das Spiel 700 Beamte ein.

Bis zum Abmarsch eines Großteils der Fans Richtung Arena verlief der Abend nach Angaben eines Polizeisprechers ohne weitere größere Störungen. Lediglich im Tal musste die Polizei bei einer Schlägerei eingreifen. Beteiligte dort: deutsche Fußballfans.

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