Rückblick auf das Jahr 2020:Wie sich München in den vergangenen Monaten verändert hat

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Als das Virus am 27. Januar in den Großraum München kommt, wähnen sich viele noch in Sicherheit. Kurze Zeit später fangen die Zahlen in der Stadt an zu steigen, es kommt zum Lockdown.

Von Ekaterina Kel

Ein ganz normaler Samstag im Frühling. Scheinbar. Durchs geöffnete Fenster dringt eine hallende Lautsprecherdurchsage. "Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, derzeit gelten strenge Ausgangsbeschränkungen. Bleiben Sie zu Hause. Der Gang zur Arbeit, zum Arzt oder zum Lebensmitteleinkauf ist weiterhin möglich. Zuwiderhandlungen werden hart bestraft." Man muss sich anstrengen, um die Worte zu verstehen. Sie kommen aus den Einsatzwagen der Polizei, die durch die Straßen ziehen. Mitten am Tag. Mitten in München. Im Jahr 2020.

Nichts ist so friedlich, wie man es gewohnt war. Das Coronavirus überzieht die Welt, das Land und auch diese Stadt. Damals, im März, als die Polizei mit so drastischen Mitteln durchregierte, war das Virus noch für alle "neuartig". Zehn Monate später gehört es für viele schon zur Morgenroutine, sich neben der Wetterprognose auch die neuesten Corona-Zahlen anzuschauen. Wie viele Neuinfizierte sind es heute? Wie viele Tote? Und auch die Strafanzeigen gegen das Infektionsschutzgesetz werden mittlerweile in Dutzenden vermeldet.

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Als das Coronavirus in den Großraum München kommt, genauer gesagt in den Landkreis Starnberg, und eine Handvoll Mitarbeiter der Firma Webasto sich ansteckt, wähnen die Münchner sich noch gänzlich in Sicherheit. Die erste Nachricht über einen infizierten Mitarbeiter erscheint am 27. Januar. Die paar Corona-Kranken, die im Schwabinger Krankenhaus isoliert werden, fühlen sich "pumperlgsund", wie der Chefarzt der Klinik Clemens Wendtner es beschreibt. Die wenigen asiatischen Touristen sind da noch die Einzigen, die sich in den Apotheken mit FFP2-Masken eindecken.

Doch schon am 28. Februar trommelt der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) den Krisenstab zusammen. In der Zwischenzeit sind die vielen Skiurlauber zurückgekehrt und haben das Virus mitgebracht. Immer mehr Schulkinder tragen es auch in die Schulklassen rein, immer mehr Menschen geben das Virus an ihre Mitmenschen weiter. Die Stadt muss reagieren. Seitdem hat sich der Krisenstab Hunderte Mal beraten, im Akkord kamen die Nachrichten von mehr und mehr Infizierten und mehr und mehr Maßnahmen, die die Stadt umsetzen oder selbst verhängen musste.

Im März werden zum ersten Mal die Schulen, Unis, Geschäfte, Bibliotheken, Theater, Fitnesscenter geschlossen. Selbst Spielplätze im Park werden mit rot-weißem Band verriegelt. Für einige Wochen herrscht völlig ungewohnte Ruhe in der Stadt. Ein menschenleerer Marienplatz erholt sich von den sonst darauf trampelnden Shopping-Massen. Ein autofreier Mittlerer Ring atmet auf, für kurze Zeit ist beim Spaziergang an der Isar von der Brudermühlbrücke kein Dauerrauschen zu hören. Und in der Zwischenzeit blüht München sogar auf - der Frühling macht die Situation erträglicher. Nach dem Home-Office-Tag im Lockdown kann man sich von der Sonne die Wangen wärmen lassen. Und die vielen Künstler der Stadt, die nicht mehr auftreten dürfen, finden neue und unerwartete Bühnen in den Innenhöfen, auf Plätzen, in den Isarauen.

An den meisten Menschen zieht das Virus-Geschehen irgendwie vorbei, mit vielen Kuriositäten zu der Frage, was man eigentlich noch darf und auch mal Ärgernissen, weil der Distanzunterricht des Kindes nicht klappt oder die Lieblingskneipe dicht gemacht hat. Seit den ersten Lockerungen nach dem Lockdown im Frühling organisieren sich außerdem immer mehr Menschen, um gegen die Maßnahmen der Regierung zu protestieren, mehrmals kommen diese "Querdenker" auf der Theresienwiese zusammen. Es gibt auch immer wieder Stimmen, die das Virus verharmlosen.

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Es gibt allerdings auch Orte in der Stadt, an denen der Kampf gegen die Pandemie wirklich ausgefochten wird. Es sind zum Beispiel die Alten- und Pflegeheime, in denen die Heimbewohner in ihren Zimmern ausharren. Es ist die Teststation auf der Theresienwiese, wo seit Mitte März Mediziner mit einem Stäbchen im Rachen von Infizierten, Verunsicherten und Neugierigen herumstochern. Es sind auch die Labore, in denen die Mitarbeiter die Proben unter großem Druck auswerten. Seit neuestem gehören auch zwei Messehallen in Riem zu den Orten der Pandemiebekämpfung. In der einen telefonieren sogenannte Contact-Tracer des Gesundheitsamts den Infizierten und ihren Kontaktpersonen hinterher, um die Verbreitung des Virus zu stoppen, in der zweiten wird in den kommenden Monaten gegen das Coronavirus geimpft.

Und nicht zu vergessen sind die Corona-Stationen der Kliniken und Krankenhäuser dieser Stadt, auf denen seit Beginn der Pandemie ununterbrochen schwere Fälle von Covid-19 behandelt werden. Auf denen Pfleger und Ärzte ihre Patienten nur mit mehrfachen Plastikschichten untersuchen dürfen. Auf denen täglich die Betten gezählt werden. Dort wähnt man sich noch mitten im Kampf. Denn die Zahlen steigen weiter, während diese Zeilen geschrieben werden. Der Beginn der Pandemie liegt im Jahr 2020. Das Ende leider nicht.

© SZ vom 29.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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