Wiedereröffnung der Kinos:Die Show geht weiter

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In den Museum Lichtspielen gibt es nach langer Corona-Pause endlich wieder Kinofilme. Der Andrang hält sich zwar noch in Grenzen - doch die Begeisterung ist groß.

Von Thomas Becker

Dass die Kinos nicht aussterben, liegt auch an Menschen wie Norma Bischoff. Wenn sie mal wieder einen Film im englischen Original sehen will, setzt sie sich ins Auto und düst los: 50 Kilometer sind es von Vagen im Mangfalltal bis in die Münchner Lilienstraße, wo seit 111 Jahren die Museum Lichtspiele zu Hause sind.

Norma Bischoff fährt 50 Kilometer bis in die Münchner Lilienstraße, wo seit 111 Jahren die Museum Lichtspiele zu Hause sind. (Foto: Stephan Rumpf)

"Am Autobahnende bei Ramersdorf bitte ich den Park-Engel, und dann finde ich tatsächlich fast immer genau vor dem Kino einen Parkplatz", sagt sie mit einem Lächeln, das jede Politesse gnädig stimmen würde. Gerade hat sie noch in Kino 2 gesessen, "The Mauretanian", ein Justizdrama um einen Guantanamo-Häftling mit der angegrauten Jodie Foster. "Beinhart, aber ein fantastischer Film", schwärmt Norma Bischoff, "den muss man gesehen haben!" Und überhaupt: "Endlich wieder Kino! Ein Traum. Deshalb gebe ich mir heute auch gleich ein Double-Feature, mache jetzt eine Stunde Pause und schaue mir nachher noch "Cruella" an, mit Emma Stone und Emma Thompson. Leichte Kost, aber egal: Hauptsache Kino!"

Eine bessere Botschafterin hätte sich der Verband der Kinobetreiber kaum wünschen können. Wie so viele Kinofreunde weiß auch Norma Bischoff noch ganz genau, was sie wann zuletzt mit wildfremden Menschen im Dunkeln gesehen hat: "Persischstunden", mit Lars Eidinger, am 1. November, einem Sonntag. Seitdem waren die Kinos zu, wie so viele andere kulturelle Erbauungsstätten. Was damals in seinem Kino lief, weiß Matthias Stolz gar nicht mehr so genau: "Es lief noch ,Tenet' und ,Greenland', geplant war ,Hexen hexen', erinnert sich der Betriebsleiter und Geschäftsführer der Museum Lichtspiele.

Seit 2012 ist er Chef des ältesten Münchner Kinos, das sogar im Guinness-Buch der Rekorde steht, denn nirgends auf der Welt läuft die "Rocky Horror Picture Show" schon so lange wie in Saal 2 mit seinen 68 Plätzen: seit September 1977. Warum das immer noch funktioniert? "Es gibt immer noch Menschen, die den Film nicht kennen", vermutet Stolz, "oft sind das aber auch Geburtstage, Junggesellenabschiede oder Außendienstlertreffen." Jeden Freitag und Samstag in der Spätvorstellung, und jetzt in der ersten Woche nach der Wiedereröffnung auch noch Sonntag und Mittwoch in der Abendvorstellung um 20.15 Uhr, kommen die Time-Warp-Fans auf ihre Kosten.

Das Kino um die Ecke für David Zimmerschied: die Museums-Lichtspiele. (Foto: Stephan Rumpf)

Ansonsten läuft in den vier Sälen "Those who wish me dead" mit Angelina Jolie, "No sudden move" von Steven Soderbergh, aber auch Familienfilme wie "Pumuckl", "Drachenreiter" oder "Feuerwehrmann Sam". "Und es werden auch wieder Blockbuster kommen", kündigt Stolz an: Nächste Woche "Nomadland", die Woche drauf der Marvel-Film "Black widow", insgesamt 64 Filmstarts im Juli.

Bis dahin werden auch andere Münchner Kinos wieder öffnen, derzeit sind es nur eine Handvoll. Denn so ganz unkompliziert ist das Prozedere für Kinobetreiber nicht: "Es gilt immer noch die 1,5-Meter-Abstand-Regel", sagt Stolz, "das heißt wir kommen etwa auf 25 bis 30 Prozent Kapazität, je nach Zusammensetzung der Gruppen. Bei Einzelpersonen müssen wir nach jeder Seite zwei Plätze Abstand lassen. Momentan dürfen aber auch bis zu zehn Personen aus zehn Haushalten nebeneinander sitzen, zum Beispiel zwei Familien mit Kindern. Das ist schon ganz gut. Aber die Münchner müssen wissen, dass wir wieder offen haben, sie müssen sich her trauen - und Lust auf Kino haben."

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Am ersten Tag der Wiedereröffnung hält sich der Andrang noch arg in Grenzen. Mittags um zwei hätte "Drachenreiter" laufen sollen, doch als nach der Werbung immer noch niemand im Saal saß, hat Stolz wieder abgeschaltet. Um halb drei dann "Raya und der letzte Drache": zwei Mütter und zwei Töchter, die ersten Gäste seit acht Monaten! Auch am frühen Abend bleibt es übersichtlich: fünf Gäste in "No sudden move", vier in "The Mauretanian", null in "Those who wish me dead", drei in "Stowaway", sieben in "Cruella".

Tickets online bestellen muss man nicht, aber es hilft dem Kinobetreiber, der ja für jede Vorstellung einen Sitzplan austüfteln muss. Dagegen ist Mikado ein Kinderspiel. "Man kann viel meckern, aber das tue ich nicht", sagt Mathias Stolz, "es ist wenig, was wir da mehr leisten müssen, aber dafür haben wir geöffnet und können wieder Filme anbieten. Wir hoffen natürlich, dass es wieder normaler wird, aber das kriegen wir schon alles hin." Den Humor verliert der 41-Jährige, der auch bei der "Narrhalla" aktiv ist, jedenfalls nicht: Auf die Leuchtreklame vor der Tür schrieb er während der Schließung trotzig: "Corona Wars - Return of the Cinema".

Ein Wermutstropfen ist die Maskenpflicht, die jedermann wie Darth Vader schnaufen lässt. FFP2-Masken müssen überall getragen werden, auch am Platz. Nur wer jünger ist als sechs, braucht keine. Von sechs bis 14 Jahren gilt: irgendeine Maske, nicht zwingend FFP2. "Das ist strenger als in der Gastronomie", sagt der Kino-Chef, "dabei haben wir als Veranstaltungsort schon immer Lüftungsanlagen, was sicher nicht für alle Gastronomien gilt. Aber wir dürfen öffnen - das ist schon mal die größte Erleichterung."

Allerdings heiße es in der Hygienerichtlinie für Kinos, dass man die Maske zum Verzehr abnehmen darf. Will sagen: am besten ständig essen und trinken. Die große Tüte Popcorn kostet 5,90 Euro, ein Helles 3,90 Euro. "Ohne Nebenumsätze brauche ich gar nicht erst aufzumachen", sagt Stolz, bevor er sich Besen und Schaufel schnappt, um Kino 1 zu säubern, aus dem gerade zwei Filmfans "strömen": Lloyd und Quynh hatten "Wonder woman" ganz für sich allein. "So was hatten wir schon mal, aber jetzt war's natürlich schon speziell", sagt Lloyd, und seine Freundin ergänzt: "Vor genau einem Jahr waren wir zum letzten Mal im Kino. Das hat schon gefehlt."

Die kinolose Zeit hätten sie mit Netflix überbrückt, sagt Lloyd achselzuckend: "Es gibt ja nichts anderes." Auch Norma Bischoff hat in der Corona-Pause viel gestreamt, "aber es ist halt eine Notlösung", findet sie: "Richtig groß ist die Leinwand hier ja auch nicht, aber es ist Kino! Es ist dunkel, andere Menschen - ich liebe das."

© SZ vom 26.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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