Proteste in München:Stadt verlegt alle Corona-Demos auf Theresienwiese

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Am 22. Dezember protestierten Gegner einer Impfpflicht und anderer Corona-Maßnahmen an verschiedenen Orten in der Stadt. Mindestens zwei Mal durchbrachen sie Polizeiketten, wie hier in der Ludwigstraße. (Foto: Robert Haas)

Für diesen Mittwoch sind Dutzende Demonstrationen angemeldet worden - doch das KVR reagiert. Die Polizei bereitet sich auf ähnliche Szenarien vor wie in den vergangenen Wochen.

Von Anna Hoben

Drei Wochen ist es her, dass in München der Protest von Gegnern einer Impfpflicht und anderer Anti-Corona-Maßnahmen eskaliert ist. Am Dienstag hat der Stadtrat in einer digitalen Aussprache im Kreisverwaltungsausschuss das Geschehen aufgearbeitet. Unterdessen bereiten sich die Behörden auf die nächsten Demonstrationen an diesem Mittwoch vor.

Etwa 5000 Menschen waren an jenem 22. Dezember auf die Straße gegangen und hatten die Infektionsschutzregeln großteils missachtet. Im Internet und in verschiedenen Kanälen des Kommunikationsdienstes Telegram war zuvor zu nicht angemeldeten Versammlungen ("Spaziergänge") in der Innenstadt aufgerufen worden. Die Polizei, mit 500 Beamtinnen und Beamten im Einsatz, wirkte von dem Geschehen überfordert; mindestens zwei Mal wurden an dem Abend Polizeiketten von Demonstranten überrannt.

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"Von der bürgerlichen Mitte über Rechts, Links, Esoteriker und Reichsbürger bis zum ganz normalen, kritischen Bürger"

Die Fraktion der Grünen/Rosa Liste hatte daraufhin in einem Dringlichkeitsantrag Fragen an Polizeipräsident Thomas Hampel formuliert und diesen zu der Aussprache eingeladen. Hampel sprach in der digitalen Zusammenkunft zunächst von einer "sehr inhomogenen Struktur" der Demonstranten, das gehe "von der bürgerlichen Mitte über Rechts, Links, vom Esoteriker und Reichsbürger bis hin zum ganz normalen, kritischen Bürger". Das extremistische Spektrum versuche die Proteste für sich zu nutzen und auf "gezielte Eskalationen" hinzuarbeiten.

Die Schwierigkeit am 22. Dezember sei das "sehr disparate Versammlungs- und Einsatzgeschehen" an verschiedenen Orten in der Innenstadt gewesen. Es habe zunächst keinerlei Hinweise auf Gewalttätigkeit gegeben, deshalb seien nur 500 Polizisten eingesetzt worden. Dass die Demonstranten an verschiedenen Orten zusammenkamen, habe die Polizei zwar nicht überrascht, es sei aber ohne Hubschrauber nicht möglich gewesen, einen Überblick über die Lage zu bekommen. Hampel sprach von einer "riesigen Herausforderung", angesichts von 5000 Personen, "die sich an gar nichts halten wollen und der polizeilichen Ansprache nicht nachkommen". Mit dem Gesamtergebnis könne man nicht zufrieden sein, räumte er selbstkritisch ein.

Dass die Stadt nach dem 22. Dezember unangemeldete Demonstrationen verboten hat, sei bei der Polizei auf "großes Wohlwollen" gestoßen. Mit Blick auf die Proteste vom vergangenen Mittwoch sagte Hampel: "Man merkt schon, dass die Stimmung sehr aufgeheizt ist." Für die Einsatzkräfte stelle dies eine hohe Belastung dar. Er glaube aber, dass die aktuelle Taktik der Behörden einen nachhaltigen Effekt erziele. Dass der Umgang mit den Demonstrationen zuletzt deutlich besser gelungen ist, darüber waren sich auch die Stadträtinnen und Stadträte einig. Er habe das Geschehen jedes Mal beobachtet, sagte Grünen-Fraktionsvize Dominik Krause - es sei nach dem 22. Dezember sehr deutlich geworden, dass die Polizei ihre Lehren gezogen habe. Von jenem Abend vor Weihnachten allerdings bleibe der Eindruck, dass die Polizei sehenden Auges in die Situation hineingelaufen sei. Die Zusammensetzung der Demonstranten schätze er anders ein als der Polizeipräsident: Diese radikalisierten sich gerade deutlich und seien "deutlich rechts zu verorten".

Lena Odell (SPD) konstatierte, dass seit dem 22. Dezember "viel in die richtige Richtung passiert" sei. Die Stimmung sei für Teilnehmer des Gegenprotests zuletzt nicht mehr bedrohlich gewesen. Sie warnte davor, auf die Strategie von Demonstranten hereinzufallen, sich als "ganz normale Leute" auszugeben. Wer antisemitische Verschwörungserzählungen verbreite oder mit Rechtsradikalen auf die Straße gehe, tue dies nicht aus Versehen. Odell appelliere deshalb an die "schweigende Mehrheit, nicht weiter zu schweigen".

Marie Burneleit (Die Partei) widersprach der weit verbreiteten Einschätzung, die Gesellschaft sei tief gespalten, und führte diese auf eine Verzerrung durch die öffentliche Diskussion zurück: "Die solidarische Gemeinschaft ist in der deutlichen Mehrheit." Evelyne Menges (CSU) bekräftigte, die Menschen, die auf die Straße gingen, seien eine Minderheit. Ihr Fraktionskollege Thomas Schmid sagte, die CSU stehe voll hinter die Polizei. Sie habe "hervorragend" agiert und sei am 22. Dezember "sensibel vorgegangen". Dass sie bei den folgenden Demonstrationen gezeigt habe, dass sie auch anders könne und sich nicht auf der Nase herumtanzen lasse, sei genauso richtig gewesen.

Die Polizei rechnet wieder mit zahlreichen Verstößen gegen Allgemeinverfügung und Infektionsschutzmaßnahmen

Das nächste Demonstrationsgeschehen steht an diesem Mittwoch bevor. Laut Kreisverwaltungsreferat (KVR) gibt es Demo-Anmeldungen im oberen zweistelligen Bereich. Die größte Versammlung war demnach für den Geschwister-Scholl-Platz angemeldet worden, für 18 Uhr, mit 3000 Personen. Das KVR hat jedoch alle angemeldeten Demos zusammengefasst und auf die Theresienwiese verlegt, Beginn um 17.45 Uhr. Dort verfügt die Stadt an diesem Abend eine generelle Maskenpflicht.

Die Polizei bereitet sich auf ähnliche Szenarien vor wie in den vergangenen Wochen. Sie werde "mit starken Kräften im Einsatz sein", so ein Sprecher - "von der Stärke her vergleichbar mit den letzten beiden Wochen". Da waren jeweils rund 1000 Beamte im Dienst, zu Fuß, in vielen Fahrzeugen und mit einem Hubschrauber. Die Polizei rechnet auch wieder mit zahlreichen Verstößen gegen die Allgemeinverfügung und die Infektionsschutzmaßnahmen.

Mit der Allgemeinverfügung hat die Stadt für Mittwoch erneut alle unangemeldeten Demonstrationen verboten. Damit will sie "einem Wildwuchs an in keiner Weise vertretbaren Demos mit zum Teil gewaltbereiten Teilnehmenden vorbeugen, bei denen weder Mindestabstände eingehalten noch Mund-Nasen-Bedeckungen getragen werden". Teilnehmern droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 3000 Euro.

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