GDL-Streik in München:"Ich finde es eine Frechheit, dass sie nicht verhandeln können"

Lesezeit: 3 min

Viel geht nicht am Mittwochfrüh am Münchner Hauptbahnhof. Doch der Großteil der Menschen ist auf den Lokführerstreik vorbereitet. (Foto: Robert Haas)

Die Lokführer streiken, sechs Tage lang. Zwar sind viele Bahnreisende darauf eingestellt, trotzdem müssen manche zu Geschäftsterminen oder nach Hause kommen. Das Verständnis hält sich in Grenzen.

Von Helen Geyer

Jan-Henning Krumme steht am Gleis 19 des Münchner Hauptbahnhofs, das Handy in der Hand. Neben ihm steht ein kleiner Rollkoffer, darauf ein Rucksack. Er muss geschäftlich nach Berlin, doch das ist am Mittwoch gar nicht so einfach. In der Nacht ist der auf sechs Tage anberaumte Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL angelaufen, die Fahrpläne sind stark ausgedünnt. Krumme wollte eigentlich erst am Abend in die Hauptstadt fahren.

Jan-Henning Krumme muss geschäftlich nach Berlin und hat wenig Verständnis für die Streikenden. (Foto: Robert Haas)

Das Auto zu nehmen, ist für ihn keine Option, fliegen möchte er auch nicht. Bleibt also nur die Bahn. Und die soll um kurz vor neun am Morgen nach Berlin starten. "Das ist heute wohl einer der wenigen Züge, die fahren", sagt er. Am Freitag steht ihm das Drama in anderer Richtung wieder bevor, denn er muss zurückkommen nach München - und die Deutsche Bahn wird dann wohl noch immer streiken. Krumme ist alles andere als einverstanden mit dem Streik: "Ich finde es eine Frechheit, dass sie sich nicht zusammensetzen und verhandeln können."

Lehrerin Bettina Keil kann mit ihren Schülerinnen und Schülern nicht so einfach auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen. (Foto: Robert Haas)

Einige Meter weiter am Gleis steht eine Gruppe mit etwa zwanzig Personen, Schülerinnen und Schüler einer Berufsfachschule in München mit zwei Lehrkräften. Sie wollen zu einer Messe nach Berlin. "Das war alles schon von langer Hand geplant und gebucht", sagt Lehrerin Bettina Keil. Deswegen habe sie mit ihren Schülern nicht spontan auf ein anderes Transportmittel wechseln können. Trotzdem versucht sie, die Situation mit Humor zu nehmen: "Wir scheuen keine Herausforderung", sagt sie und lacht. Grundsätzlich hat Keil Verständnis für die Lokführer, doch die Länge des Streiks sieht sie kritisch.

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Insgesamt sechs Tage legen die Lokführer der GDL ihre Arbeit nieder, das hatte die Gewerkschaft Sonntagnacht bekannt gegeben. Eine Bahnsprecherin teilte am Mittwochmorgen mit, dass es im gesamten Fern- und Regionalverkehr bis einschließlich kommenden Montag zu massiven Beeinträchtigungen komme. Die Bahn hat einen Notfahrplan im Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr eingerichtet, der am Morgen wie geplant angelaufen ist.

Auch im Regionalverkehr ist es nach Bahnangaben das Ziel, ein stark reduziertes Angebot zu fahren. Für den S-Bahn-Betrieb in München bringt der Streik ebenfalls Einschränkungen mit sich. Einige Linien fahren im Stundentakt, andere fallen ganz aus.

Dajana Fischer ist auf die S-Bahn angewiesen. (Foto: Robert Haas)

Dajana Fischer steht mit einem Buch in der Hand am Gleis tief unter dem Hauptbahnhof. Sie ist auf dem Weg zur Arbeit, muss zum Rosenheimer Platz. Damit hat Fischer an diesem Streiktag einen nahezu optimalen Arbeitsweg - denn jeder Zug, der über die Stammstrecke fährt, hält an dieser Station. "Ich hatte gelesen, dass die S-Bahn ausfällt, aber auch, dass alle Stunde eine Bahn fahren soll. Ich habe mich einfach mal hingestellt und dachte, ich warte, bis ein Zug kommt", sagt sie. Und kann schon bald in eine S-Bahn einsteigen, deren Türen am Mittwoch von Personal in gelben Warnwesten flankiert werden.

Fischer ist geteilter Meinung über den Streik. Zwar verstehe sie, dass die GDL mehr Geld fordere. Andererseits ärgere sie sich über die Dauer des Streiks. "Das ist für Bahnkunden schwierig", sagt sie. Sie selbst ist Mutter und bringt ihre Kinder mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Kindertagesstätte. "Der Streik macht das komplizierter."

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In dem seit November laufenden Tarifstreit ist dies bereits der vierte und mit sechs Tagen längste Arbeitskampf. Neben finanziellen Forderungen dreht sich die Auseinandersetzung vor allem um die Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter. Die GDL will diese von 38 auf 35 Stunden bei gleichbleibendem Gehalt reduzieren.

Zwischen den verärgerten, aber vorbereiteten Fahrgästen gibt es auch jene, die von dem Streik überrascht wurden. So wie Charlotte Goring. Die Britin war im Skiurlaub in Österreich, erzählt sie. Nun steht sie am recht leeren Hauptbahnhof in München und wartet auf einen ICE, der sie in Richtung Stuttgart bringt. Auch sie hatte sich gegen das Fliegen und für die Fahrt mit dem Zug entschieden - von Stuttgart aus ginge es für sie weiter nach Paris und dann unterirdisch mit dem Zug nach London. Daraus ist nun eine Fahrt mit viel Ungewissheit geworden, vor allem auf dem letzten Stück: "Ich hoffe, sie lassen mich das Originalticket für den Zug nach London benutzen", sagt sie.

Die Britin Charlotte Goring muss am Donnerstag wieder in London sein - ob sie das mit dem Zug schafft, weiß sie noch nicht. (Foto: Robert Haas)

Die junge Frau schaut abwechselnd auf ihr Handy, dann wieder auf die Anzeige am Gleis. "Es ist bedauerlich", sagt sie. Verständnis hat sie trotzdem für die Situation. Außerdem: "Dass gestreikt wird, ist für mich nichts Besonderes, in Großbritannien passiert das öfter." Auch auf der Insel sind für Ende Januar Streiks bei der Bahn angekündigt. Und während Goring noch darauf wartet, einen Zug Richtung Stuttgart zu erwischen, geht es für Jan-Henning Krumme und die Berufsschulklasse auf Gleis 19 tatsächlich los. Um 8.50 Uhr schrillt die Pfeife der Zugbegleiter über das Gleis, zumindest dieser ICE setzt sich in Bewegung Richtung Berlin.

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