Kunst aus München:Ein Blick über die Szene

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Eine Auseinandersetzung mit einem Gemälde von Edward Hopper: Gabi Blums Installationsansicht "Room Without a View" von 2014. (Foto: Gabi Blum / Kunstverein München e.v.)

Bei den "Jahresgaben" im Kunstverein München gibt es auch dieses Mal wieder viel gute Kunst und kleine Preise.

Von Jürgen Moises

Vielleicht ist es wirklich das, was den am Minimalismus und der Farbfeldmalerei geschulten, rechteckigen Skulpturen der amerikanischen Künstlerin Anne Truitt gefehlt hat: eine rote Schleife. Milen Tills genau einen Meter hohes "Geschenk für Anne Truitt" hat diese jedenfalls. Und so steht sie nun da im Kunstverein, die bunte, blau-gelbe Säule, wie ein nicht abgeholtes Geschenk (Anne Truitt ist 2004 verstorben). Was die Arbeit des in München lebenden, deutsch-französischen Künstlers Milen Till auf alle Fälle ist, das ist eine "Jahresgabe". Denn, ja, es ist wieder so weit: Der Kunstverein München bietet am Jahresende wieder seine "Jahresgaben" feil. Das heißt Kunstwerke, die man als Mitglied des Vereins für teilweise weniger als 700 Euro erwerben kann.

Vorausgesetzt natürlich, man ist schnell genug. Die ersten Werke sind bereits bei der Eröffnung am 1. Dezember über den Ladentisch gegangen. Die meisten anderen gibt es aber noch bis zum 10. Dezember über die Website shop.kunstverein-muenchen.de zu kaufen. Und besichtigen kann man sie allesamt im Kunstverein. Milen Till ist dabei einer von mehr als 80 Künstlern und Künstlerinnen, für welche die Vorgabe war, dass sie einen Bezug zu München haben. Die letztgültige Auswahl traf schließlich das Team des Kunstvereins. Bis zur vier Werke sind pro Künstler erlaubt, von denen zwei nicht mehr als, wie erwähnt, 700 Euro kosten dürfen. Ein großer Teil davon ist auch in diesem Jahr Flachware, das heißt: Gemälde, Fotografien, Zeichnungen, Drucke. Aber eben auch kleinere Skulpturen sind dabei.

Hank Schmidt in der Beek lässt auf seiner Collage Nr. 893 von 2021 Tick und Trick an einem Bild von Christian Schad saugen. (Foto: Hank Schmidt in der Beek / Kunstverein München)

Was die "Jahresgaben" neben den vergleichsweise günstigen Preisen für Vereinsmitglieder allgemein sehr interessant macht: Sie geben einen guten Überblick über die hiesige Szene. Man trifft auf bekannte Namen wie Michaela Melián oder Andreas Neumeister, auf hier in München sehr umtriebige Künstlerinnen wie Anna McCarthy oder Gabi Blum. Und genauso auch auf Newcomer wie etwa Sophia Mainka, die auf ihren optisch und haptisch interessanten Werken Silikon und Stoff zusammenführt. Michaela Melián "simuliert" mit Faden und Inkjet auf Pergamentpapier filigrane Zeichnungen, Neumeister hat unter anderem eine Replik auf ein Album-Cover von Nico beigesteuert, Gabi Blum eine Replik auf Edward Hopper, und von Anna McCarthy gibt es kräftige Acryl- und Kohle-Zeichnungen.

Dann wären da noch: Düstere Analog-Fotografien von Ossian Fraser, heitere Collagen von Hank Schmidt in der Beek, geschickt die Wahrnehmung verwirrende Straßenfotografien von Judith Adelmann und Vieles, Vieles mehr. Was es nicht gibt, das sind dezidiert politische Positionen. Vielleicht ist das Zufall, vielleicht auch Absicht. Aber es ist wohl auch gut so, angesichts der ideologischen Verwirrungen, welche die Kunstszene aktuell erfasst haben. Da schaut man lieber nach vorne, auf das kommende Kunstverein-Programm, das am 27. Januar mit einer Ausstellung von Paul Kolling startet. Diese heißt "Nadir" und beschäftigt sich unter anderem mit frühen Luftbildaufnahmen und der Hansa Luftbild GmbH.

Jahresgaben 2023, bis 10. Dez., tgl. 10-18 Uhr, Kunstverein München, Galeriestr. 4, shop.kunstverein-muenchen.de

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