Münchner Innenstadt:Eine neue Pâtisserie am Viktualienmarkt

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(Foto: Stephan Rumpf)

Lea Zapf eröffnet ihren Marktstand trotz Corona-Einschränkungen. Ihre Kreationen heißen "Schoko-Spaß" und "Luftikus" - und sehen dabei aus wie kleine Kunstwerke, die fast zu schön sind, um sie zu essen.

Von Jacqueline Lang

Der erste Kuchen, den Lea Zapf gebacken hat, war ein Zitronenkuchen. Damals war sie sieben Jahre alt und ihre Eltern "Ökos", die nie Süßigkeiten gekauft haben. "Ich habe ziemlich schnell gecheckt: Ich muss sie mir selber machen, wenn ich sie essen möchte", sagt Zapf. Von dem "Öko-Trip" sind ihre Eltern zwar wieder abgekommen, aber Zapfs Liebe für Süßes ist geblieben: Die heute 30-jährige Münchnerin ist mittlerweile Konditormeisterin, vor einer Woche hat sie ihre eigene kleine Pâtisserie auf dem Viktualienmarkt eröffnet - und das in einer Zeit, in der zahlreiche Gastronomen um ihre Existenz bangen.

Im Dezember 2018 stieß Lea Zapf bei ihrer Suche nach einer geeigneten Location für ihren Laden durch Zufall auf die städtische Ausschreibung für den Marktstand. Bis zum Bewerbungsschluss blieben ihr da gerade einmal noch drei Wochen, um ein fertiges Konzept zu erarbeiten. "Ein halbes Jahr später lag dann die Zusage im Briefkasten", erzählt Zapf und schüttelt, vor ihrem kleinen Stand sitzend, immer noch ungläubig den Kopf. Die großen, goldenen Creolen, die sie zu ihrer schwarzen, hochgeknöpften Kochjacke trägt, wackeln.

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Gemeinsam mit den Markthallen München hat sie sich dann im Juli des vergangenen Jahres - in einer Zeit, als Corona noch nur der Name einer mexikanischen Biermarke war - daran gemacht, den 18 Quadratmeter großen Stand ihren Bedürfnissen anzupassen. Eine neue Stromleitung musste von den Stadtwerken verlegt werden. Anders als die Kelterei Schmeißer, die den Stand vor ihr betrieben hatte, braucht Zapfs Konditoreiofen nämlich Starkstrom.

Die Lieferung einiger Geräte aus Italien verzögerte sich aber coronabedingt einige Wochen und somit auch Zapfs Eröffnung. Doch die Frau, mit den aschblonden Haaren, die sie zum Dutt gebunden trägt, nimmt es gelassen - auch wenn sie weiß, dass der Schritt in die Selbstständigkeit unter den aktuellen Umständen noch mehr Unsicherheiten birgt, als das ohnehin der Fall wäre. "Ich gehe mit einem gesunden Optimismus an die Sache ran und denke mir, dass sich Qualität schon durchsetzen wird", sagt Zapf. Trotz aller Zuversicht zögert sie aber einen kurzen Moment, bevor sie hinzufügt: "Und vielleicht macht ja ein Stück Kuchen die Leute ein bisschen glücklicher, wenn sie gerade schon auf so viele andere Sachen verzichten müssen."

In der derzeitigen Lage Personal einzustellen, damit ist Zapf jedenfalls vorsichtig, obwohl sie schon in den ersten Tagen nach der Eröffnung gemerkt hat, dass ihr Konzept auf Dauer nicht als One-Woman-Show zu schaffen sein wird, erst recht nicht mit den derzeit geltenden Hygieneregeln. "Aber ich habe einfach noch keine Zeit gehabt, einen finanziellen Puffer aufzubauen", sagt Zapf. Unüberlegte Investitionen, fürchtet sie, könnten ihr "das Genick brechen". Einen Kredit musste sie für ihre Geräte ohnehin aufnehmen, alleine der Ofen hat sie rund 20 000 Euro gekostet.

Die Herkunft ihrer Zutaten legt die Konditorin offen, Fertigprodukte sind tabu

Obwohl sie schon früh wusste, dass sie Konditorin werden will, ließ sich Zapf mit der Ausbildung Zeit. Nach dem Abitur ging sie für ein Jahr auf Reisen und jobbte dann eine Zeit lang in der Gastronomie. Mit 24 zog sie nach Berlin, absolvierte bei der Konditorin Cynthia Barcomi die Ausbildung und, mit einem kurzen Zwischenstopp in München, auch ihre Meisterprüfung. Dass sie im Anschluss zurück in die Heimat kehren würde, stand für sie schon damals fest. "Ich mag die Lebensqualität in München, die Schönheit und Gemütlichkeit dieser Stadt", sagt sie. Dass ihr Arbeitsplatz nun mitten im Herzen eben genau dieser Stadt liegt, ist zwar streng genommen nur Zufall, aber wenn es nach ihr geht, vielleicht auch Schicksal.

Während ihrer Ausbildung hat sie es genossen, von erfahrenen Konditoren zu lernen, doch schon damals war sie sich sicher, dass sie irgendwann ihre eigene Chefin sein möchte, um nur noch das backen zu können, was ihr selbst schmeckt. Ihren Stil beschreibt die junge Münchnerin als eine Mischung aus deutscher und französischer Pâtisserie, festlegen will sie sich aber nicht. "Da darf noch jeglicher Einfluss dazu kommen, der da reinpasst." Bei all ihren Kreationen legt sie Wert auf die Qualität ihrer Grundzutaten, denn "nur dann ist es möglich, dass das Endprodukt auch eine gute Qualität hat". Sofern möglich, versucht Zapf ihre Produkte zudem regional und saisonal einzukaufen. Ihre Eier bezieht sie vom Hof Gut Hollern in Eching, das Mehl von der Hofbräuhaus-Kunstmühle im Tal und die Kaffeebohnen von der Kaffeerösterei Vits am Isartor. Fertigprodukte und Backmischungen kommen für sie nicht infrage - auch wenn das bedeutet, dass sie unter der Woche ab spätestens sechs Uhr morgens in ihrer winzigen Backstube stehen muss.

"Mir ist wichtig, dass alles frisch ist und nichts am nächsten Tag wieder verkauft wird", sagt Zapf. Die Kunst sei deshalb, nie zu viel, aber auch nie zu wenig zu backen. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass Zapf ihren Kunden auch noch empfiehlt, etwa ihre Canelés, kleine französische Kuchen mit weichem Puddingkern und einer dunklen, karamellisierten Kruste, innerhalb der ersten acht Stunden, nachdem sie aus dem Backofen gekommen sind, zu genießen.

Wer bei dem Wort Konditorei aber an üppige Torten und viel Sahne denkt, wird in Zapfs kleinem Stand direkt an der Frauenstraße nicht fündig werden. Ihre Kreationen heißen "Schoko-Spaß" und "Luftikus", sind ein Spiel der Konsistenzen und sehen dabei aus wie kleine Kunstwerke, die fast zu schön sind, um sie zu essen. Obwohl Zapf weiß, dass es neuerdings wichtig ist, dass Produkte "instagramable", sprich Instagram-tauglich, aussehen, möchte sie nicht, dass die Menschen nur fürs Foto zu ihr kommen. "Die Bilder können so schön sein, wie sie wollen: Am Ende muss es schmecken."

© SZ vom 24.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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