Oper:Die Manifestation

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Im Zentrum der Inszenierung steht oder liegt Marina Abramović. (Foto: Wilfried Hösl)

Marina Abramović und ihre "7 Deaths of Maria Callas" an der Bayerischen Staatsoper.

Von Egbert Tholl, München

Im Interview, das im Programmbuch zu lesen ist, erzählt Marina Abramović, sie bestünde aus drei Marinas. Die eine ist kriegerisch und nie zu bremsen, die zweite spirituell und glaube an viel Hokuspokus, die dritte ist faul. Ihr Opernprojekt "7 Deaths of Maria Callas" ist die Synthese der drei Marinas, Kulmination einer jahrzehntelangen Faszination, vielleicht sogar Obsession und vermutlich der größte Coup von Nikolaus Bachler in den 13 Jahren seiner Intendanz an der Bayerischen Staatsoper. Und: Der Abend ist kitschig, pathetisch, esoterisch und vor allem großartig.

Während des ersten Lockdowns, im Frühjahr des vergangenen Jahres, fegte ein Sturm durchs Nationaltheater, eine Frau, die in ihrem Leben so viele krasse, auch gefährliche, selbstentäußernde Performances gemacht hat, dass sie sich nicht von einem Virus würde stoppen lassen. Zwar kam ihr Corona gehörig in die Quere, aber nie hätte sie aufgegeben. Schließlich kam "7 Deaths of Maria Callas" dann doch heraus, jetzt konnte man die Produktion noch einmal erleben.

Der Abend funktioniert letztlich wie ihre Performances, die sie so berühmt machten

Die Faszination des Abends hat schon viel mit der Präsenz von Abramović selbst zu tun. Sie hat sich ein radikal subjektives Geschehen zusammengebaut, das, wäre sie nicht Teil davon, auch mit leichter Hand abgetan werden könnte. Doch weil sie es ist, die stumm im Zentrum steht (oder meist liegt), funktioniert auch dieser inszenierte Abend letztlich wie ihre Performances, die sie so berühmt machten. "The Artist is present", und wenn man als Zuschauer auch präsent ist, bleibt einem nichts anderes, als sich darauf einzulassen.

Weder ist nun beim Wiederhören das tönende Gewölk von Marko Nikodijević, das zwischen den Arien zugespielt und im zweiten Teil vom Staatsorchester und Yoel Gamzou auch teilweise live gespielt wird, besser geworden. Noch verloren die einleitenden Worte zu den sieben Arien ihre poetisch lastende Bedeutungsschwere. Aber es stimmt alles. Es stimmen auch die Filme, die Abramović zusammen mit Willem Dafoe zur assoziativen Illustration der Arien drehte, in Slow-Motion und einer Bildsprache wie entlegene Erinnerungen. Immer noch beeindruckend: Zur Arie der Butterfly schreitet Abramović im Schutzanzug durch eine verwüstete Landschaft, an ihrer Seite das Kind, entfernt irgendwo der untreue Mann, sie entledigt sich des Schutzanzugs, grandioses Bild der Verletzlichkeit, sie stirbt.

Sieben Sängerinnen singen sieben Arien, nicht alles Sterbeszenen. Toscas "Vissi d'arte" ist ihr Credo im zweiten Akt, noch bevor sie Scarpia absticht; Normas "Casta Diva"-Arie kommt im ersten Akt, führt hier aber geradlinig in den Feuertod. Die sieben Sängerinnen, alle gleich gekleidet in Brunas Schürzenkleid - Bruna war Callas' treue Gefährtin bis in den Tod - bewahren ihre Eigenarten. Eine triumphiert mit einem stählernen Spitzenton, eine andere ist ganz lyrisch, eine rührt, eine betört. Bis am Ende, aus einer anderen Welt, die Stimme der Callas erklingt, und Marina Abramović den Tod überwindet. Um jetzt selber pathetisch zu werden.

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