Was läuft in der Literaturszene:Lesungen zu den großen Themen unserer Zeit

Lesezeit: 2 min

Pulitzer-Preisträgerin Barbara Kingsolver stellt ihren Roman "Demon Copperhead" im Literaturhaus vor. (Foto: Evan Kafka)

Auffallend viele Lesungen in München in der ersten März-Hälfte beschäftigen sich damit, was Gesellschaften spaltet und vereint. Ein Überblick.

Von Antje Weber, München

"Dieses Buch soll ein Gespräch über die Spaltung der Gesellschaft anstoßen", sagte Barbara Kingsolver vor einigen Monaten in einem Gespräch mit der New York Times. Sie sprach von ihrem Roman "Demon Copperhead", der in den USA mit dem Pulitzer-Preis und dem Women's Prize for Fiction ausgezeichnet wurde. Der Bestseller erzählt von der massiven Opioid-Krise, die insbesondere im ländlichen Raum, etwa im Appalachen-Gebiet, mehr als eine Generation verelenden ließ. Und natürlich erinnert der Titel nicht zufällig an Dickens' "David Copperfield".

Mit mehr als 800 Seiten kommt Kingsolvers Roman nicht nur thematisch, sondern auch vom Umfang her in die Nähe des Originals. Und ähnlich soghaft und anrührend ist auch, was sie ihren Ich-Erzähler Demon berichten lässt, über seine Kindheit in einem Trailer mit einer suchtkranken Mutter, die schließlich elend krepiert, über eine Jugend als brutal ausgenutztes Pflegekind. Wenn die Schriftstellerin ihren Roman nun auch in Deutschland vorstellt, mit München als erster Station (Literaturhaus, 11. März), ist das zweifellos einer der Höhepunkte des hiesigen Literaturfrühlings.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Nicht nur soziale, sondern auch politische Verwerfungen prägen das Lesungsprogramm der ersten beiden März-Wochen - sieht man einmal von hochgestimmten Events wie dem Finale des Deutschen Kurzgeschichten-Wettbewerb s in der Alten Kongresshalle (2. März) ab, der Münchner Bücherschau junior im Fat Cat (2.-10. März) oder dem wie immer breit aufgestellten Festival Wortspiele für junge Literatur im Ampere (13.-15. März). Ansonsten dominiert die Auseinandersetzung mit den gärenden Themen unserer Zeit.

In der Israelitischen Kultusgemeinde beispielsweise beschäftigen sich in einer "Woche der Brüderlichkeit" mehrere Lesungen mit jüdischem Leben heute in Deutschland. C. Bernd Sucher wird über sein Buch " Unsichere Heimat" sprechen (5.3.), Mirna Funk über ihr Buch " Von Juden lernen" (7.3.). Die Kammerspiele wiederum nehmen die "Internationalen Wochen gegen Rassismus" zum Anlass, Michel Friedman mit seinem Buch " Judenhass" sowie den vielfach gegen Antisemitismus engagierten Autor und Pädagogen Burak Yilmaz einzuladen (16.3., in Kooperation mit der Süddeutschen Zeitung). Zum Thema passt leider auch Henrik Cremers Buchvorstellung einige Tage zuvor an selbem Ort: "Wie gefährlich die AfD wirklich ist" (10.3.).

Die Münchner Schriftstellerin Joana Osman wird - zusammen mit Lena Gorelik und Dana von Suffrin - im Einstein lesen. (Foto: Mica Zeitz)

Welche Folgen es hat, wenn skrupellose Parteien an die Macht kommen, führt auch ein Buch wie Uwe Wittstocks "Marseille 1940" vor. Es zeichnet die Flucht vieler jüdischer Intellektueller vor den Nationalsozialisten nach (Lesung am 5.3. im Literaturhaus ausverkauft, jetzt zusätzlich Stream-Angebot). Einer von ihnen, der im Exil in einem französischen Internierungslager litt, war der Münchner Schriftsteller Lion Feuchtwanger. Mit ihm wird man sich in München in diesem Jahr noch mehrfach beschäftigen können. Lange bevor sich sein Geburtstag am 7. Juli zum 140. Mal jährt, beginnen die Jubiläumsveranstaltungen: Das Wilhelmsgymnasium macht am 7. März den Anfang, der Schauspieler Udo Wachtveitl und der Historiker Andreas Heusler lesen aus Feuchtwangers "Erfolg" (Anmeldung: wilhelmsgymnasium@muenchen.de), und am 19. März eröffnet dort die Ausstellung "Auch ... hätte einen Davidstern getragen".

Ausgrenzung und Hass zu begegnen, versucht auch eine weitere Aktion, mit einer zurzeit seltenen Geste der Gemeinsamkeit: Die Münchner Gruppe " Meet your neighbours" lädt angesichts des Krieges in Nahost am 11. März im Einstein zu einer Benefiz-Lesung von Münchner Schriftstellerinnen: Lena Gorelik und Dana von Suffrin lesen als jüdische Stimmen gemeinsam mit Joana Osman, Tochter eines palästinensischen Vaters. Auch dieser Abend will, darin Barbara Kingsolver ähnlich, ein Gespräch über die Spaltung der Gesellschaft anstoßen. Und Brücken über die Abgründe bauen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAusstellung in der Graphischen Sammlung
:Berlin mal anders

Maximilian Kirmse zeigt in der Staatlichen Graphischen Sammlung in München seinen ganz persönlichen Blick auf die Hauptstadt.

Von Jürgen Moises

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: