Lebensmittel:Landeier für Stadtmenschen

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Jonas Meder vor dem Hofladenautomat des Startups Erntebox in Pasing. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Die junge Firma "Erntebox" hat grüne Automaten aufgestellt, in denen Landwirte Produkte direkt verkaufen können. Davon profitieren Erzeuger genauso wie Kunden.

Von Fridolin Skala

Wer in München Lebensmittel direkt vom Bauernhof aus der Region haben möchte, muss mitunter weite Wege in Kauf nehmen. Am Münchner Stadtrand gibt es zwar vereinzelt noch Landwirte, Kunden erhalten dort oft aber nur wenige Produkte. Kartoffeln, Gemüse, Eier, Nudeln, Käse und Fleisch in guter Qualität bei einem Produzenten zu kaufen, ist für einen Stadtbewohner ziemlich schwierig. Für dieses Problem bieten die Gründer des Start-ups "ErnteBox", Jonas Meder und Ben Kohz, nun eine Lösung: den Hofladenautomaten.

Fünf dieser Apparate stehen nun seit sieben Wochen in München - in Obermenzing in der Verdistraße 113, in Allach in der Eversbuschstraße 164a, in Pasing in der Gottfried-Keller-Straße 2, in Berg am Laim in der Berg-am-Laim-Straße 143 sowie in einem Bürogebäude. Dabei handelt es sich um zwei Meter hohe grüne Automaten, die funktionieren wie die Getränke- und Snackautomaten, die in vielen Bahnhofshallen stehen. Doch statt Cola, Bifi oder Snickers stecken Eierkartons, Putenfilets oder hausgemachte Tomatensoßen zwischen den Spiralen. Werfen die Kunden ihr Geld ein, werden die Lebensmittel auf ein Brett geschoben, das zur Ausgabeklappe herunterfährt. Hier können Kunden auch dann einkaufen, wenn Supermärkte oder Hofläden geschlossen sind.

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Die Landwirte, von denen die Produkte stammen, sitzen in München, aber auch im weiteren Umland, etwa dem rund 80 Kilometer entfernten Niederaichbach. "Regionalität bedeutet für uns ganz praktisch, dass wir an einem Tag mit einer Fahrt alle Erzeuger erreichen können", sagt Meder. Zentral sei aber auch die Transparenz, also dass die Kunden ohne große Probleme auch selbst zu den Höfen fahren könnten, um sich ein eigenes Bild zu machen.

Doch die Vorteile liegen auch für die Bauern auf der Hand. "Wir verkaufen hier eigentlich nur Eier und Kartoffeln, aber jetzt kann ich ein viel breiteres Sortiment anbieten", sagt Alexander Grünwald. Dem Landwirt aus Allach bringt die Kooperation mit ErnteBox aber auch bares Geld. "Ich kann die Preise für meine Produkte selber festlegen und behalte den größten Teil der Einnahmen", erklärt er. Vom Erlös des 1,2 Kilogramm schweren Kartoffelsacks, der am Automaten zwei Euro kostet, bleiben Grünwald etwa eineinhalb Euro. Bei einer Supermarktkette bekomme er im Segment von 50 bis 100 Tonnen Kartoffeln lediglich sieben Cent pro Kilogramm. "Das sind einfach unrealistische Preise im Supermarkt", verteidigt er den vergleichsweise hohen Betrag am Automaten.

Auch Helmut und Pamela Wurm, die in Erharting mobile Hühnerställe im Nebenerwerb betreiben, betonen die finanzielle Unabhängigkeit vom Einzelhandel, die erweiterte Produktpalette und den großen Kundenkreis in der Stadt. "Es ist aber auch einfach ein überschaubares Risiko. Wir schaffen zwar den Automaten an, der knapp 15 000 Euro kostet, wenn aber etwas schiefgehen sollte, gehört der uns", erklärt Helmut Wurm. Zudem müsse er sich nicht um den Transport nach München und die Vermarktung kümmern.

Dass die ErnteBox regionale Produzenten sucht, haben die Wurms in einer Facebook-Gruppe erfahren. "Die Landwirte sind deutschlandweit in den sozialen Medien überraschend gut vernetzt", sagt Kohz. Einige Landwirten hätten etwa gewusst, dass ErnteBox schon einmal Automaten in Bremen getestet habe. Dort sei aber kein passendes Sortiment zustande gekommen und auch im Marketing habe manches nicht so gut geklappt, wie erhofft. "Wir sind ein junges Start-up und wir durften und wollten da am Anfang auch Fehler machen", sagt Kohz. Für München sei man nun besser vorbereitet.

Allerdings steht das Unternehmen vor einer Herausforderung: "Wir würden gerne wachsen, das lässt sich derzeit aber nur schwer realisieren, weil ich noch in Bamberg studiere und Jonas Vollzeit als IT-Produktmanager bei Flixbus in München arbeitet", sagt Kohz und gesteht: "Wir haben zwar zwei Mitarbeiter, die mit unserem Sprinter die Ware bei den Landwirten abholen und die Automaten befüllen, aber wir kommen derzeit schon an unsere Grenzen."

Deshalb seien sie auf der Suche nach einem Investor. Mit dessen Kapital und dem erweiterten Know-how sollen dann weitere Automaten aufgestellt werden. Denn immer wieder erreichten sie Anrufe und E-Mails, warum denn im Süden Münchens noch keine Ernteboxen stünden, sagt Kohz. Der 23-Jährige erklärt, dass die Automaten zwar nicht viel Platz bräuchten, es jedoch trotzdem schwierig sei, überhaupt Aufstellflächen zu finden. Ideen, wie das Sortiment erweitert werden könne, gebe es genug: "Wir sind für's Erste zufrieden mit dem Start in München." Mehr Kunden wünschen sich die jungen Gründer trotzdem. In den nächsten Wochen wollen er und Meder deshalb mit Flyern, Infoständen und Gratis-Kostproben für die Automaten werben.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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