Corona-Spaziergänge:Demonstratives Pläuschchen mit Gleichgesinnten

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Allein in Unterhaching ziehen am Montagabend 170 Spaziergänger durch die Straßen. (Foto: Sebastian Gabriel)

In Unterhaching, Ottobrunn und Haar gehen Gegner der Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung am Montagabend unangemeldet auf die Straße. Die Konfrontation mit der Polizei suchen sie zumindest diesmal nicht.

Von Angela Boschert, Unterhaching

In mehreren Gemeinden des Landkreises haben sich Gegner der Corona-Maßnahmen am Montagabend zu sogenannten Spaziergängen getroffen. Allein in Unterhaching kamen etwa 170 Teilnehmer zu der nicht angemeldeten Demonstration zusammen. In Ottobrunn zählte die Polizei etwa 130 Teilnehmer, in Oberhaching 50, in Haar 30, in Neuried 20. In Neubiberg waren es laut dem Ottobrunner Polizeichef Armin Ganserer nur wenige Personen, die sich erst hier, dann dort zusammenfanden und beim Auftauchen seiner Kräfte wieder auseinandergingen.

In Unterhaching trafen sich die Corona-Spaziergänger auf dem Rathausplatz, standen in lockeren Dreier- bis Fünfergrüppchen beieinander und äugten zunächst skeptisch in Richtung Polizei, die sich, verstärkt durch Münchner Kollegen, auf der Nordseite des Rathausplatzes aufgereiht hatte. "Wir versuchen Auflagen zu erteilen, damit die Teilnehmer verkehrssicher ihren Spaziergang machen können", hatte der örtliche Polizeichef Siegfried Graf schon im Vorfeld angekündigt. Das Demonstrationsrecht sei ein hohes Gut, das geschützt werden müsse. Aber die Versammlung müsse sicher ablaufen können, dazu dienten die Auflagen. "Man würde solch eine Aktion ja gerne vorbereiten und die Straßen absperren, damit sie sicher ablaufen kann, aber wenn sie nicht angemeldet wird, können wir das nicht realisieren", so Graf.

Protestmärsche innerhalb der Gemeinde sind am kommenden Montag in Unterhaching verboten. (Foto: Sebastian Gabriel)

Eine andere Sorge Grafs war an diesem Abend, dass die Teilnehmer vermutlich keinen vollständigen Impfschutz hätten, aber ohne Masken längere Zeit relativ eng beieinander stünden, woraus ein großes Ansteckungspotenzial resultiere. Es meldeten sich auch immer mehr Bürger bei der Polizei, die beunruhigt seien durch diese in der Vergangenheit bereits beobachteten Versammlungen, die sie zum Teil als bedrohlich empfänden.

Um 19.08 Uhr setzte sich diesmal in Unterhaching vom Rathaus aus eine etwa 20-köpfige Gruppe in Richtung Rathausstraße in Bewegung, und schnell formierte sich ein langer Zug, der zur Münchner Straße lief, unter der S-Bahn hindurch und in einem großen Bogen die Bahnhof- und Schulstraße entlang, um nach gut 30 Minuten wieder am Rathausplatz einzutreffen. Ein kurzer Applaus für sich selbst, eine Plauderei zum Abschluss, und die Teilnehmer gingen nach Hause.

Während sie in ihren kleinen Gruppen hintereinanderher gelaufen waren, redeten sie zum Beispiel über Stromerzeugung und über Alltagsprobleme. Keine Parolen oder Transparente wiesen auf den Zweck der Versammlung hin. In den Häusern, an denen sie so vorüberzogen, regte sich keinerlei Neugier. Nur eine Frau schaute von einem Balkon aus kurz herunter, Hunderte anderer Fenster blieben geschlossen. Ein Ehepaar, das seinen Hund ausführte, schüttelte verständnislos den Kopf, eine Frau am Rathausplatz fragte irritiert, was denn hier los sei. Ein Mitgeher und hörbar überzeugter Gegner der Corona-Maßnahmen sagte am Ende: "Man trifft jede Woche interessante Leute hier."

Zwei Studenten hielten Schilder pro Impfpflicht hoch

Widerstand gegen diesen angeblichen Spaziergang demonstrierten zwei junge Männer. Sie standen, FFP2-Masken tragend, am Rand der Strecke und hielten den Demonstranten Pappschilder entgegen: "Impfen ist sinnvoll! - Pro Impfpflicht!" stand auf dem einen Schild, "PRO Impfung" auf dem anderen. Sie seien Studenten, 23 und 26 Jahre alt, und wohnten in Unterhaching, sagten sie, wollten aber anonym bleiben. "Wir wollen ein Zeichen setzen, schließlich repräsentieren die Leute hier keine Mehrheit", begründeten sie ihre spontane Aktion und betonten, man solle denen nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Als sie etwas später vor einem Geschäft an der Bahnhofstraße standen, irritierten sie offenkundig stärker: Rufe wie "Ihr spaltet die Gesellschaft!" und "Ihr seid bloß hergekarrt worden", lächelten die beiden weg, in Diskussionen ließen sie sich nicht verwickeln. Darüber staunten sogar die beiden Polizisten, die vorsorglich Posten neben ihnen bezogen hatten.

Ein Student hält den Gegnern der Corona-Maßnahmen in Unterhaching ein Schild mit der Aufschrift "PRO Impfung" entgegen. (Foto: Sebastian Gabriel)

Einen Versammlungsleiter konnte die Polizei am Montag weder in Ottobrunn noch in Unterhaching ausmachen, anders als in den Vorwochen, als in Unterhaching Namensfeststellungen gemacht und Verwarnungen ausgesprochen worden waren. Nur ab und zu suchte ein Teilnehmer das Gespräch mit den begleitenden Beamten, sei es auch nur, um zu erfahren, wie viele Menschen denn nun gekommen seien.

Der Abend verlief ruhig. Mit Blick auf mögliche weitere Zusammenkünfte dieser Art äußerten die Polizeichefs Ganserer und Graf die Sorge, dass sich dies ändern könne. Sie rechneten damit, dass Teilnehmer Anweisungen der Polizei mit Gelächter und Ignoranz beantworten könnten. Graf zeigte sich bewusst, dass mancher Spaziergänger schnell hochaggressiv werden könne.

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