Sperrmüll:Ärger über Abfalltourismus

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Bilder, wie man sie in den allermeisten Orten seit vielen Jahren nicht mehr sieht. (Foto: Angelika Bardehle)

Organisierte Gruppen nutzen die Sammlungen in den südöstlichen Landkreisgemeinden, um den Krempel nach Brauchbarem zu fleddern. Die Behörden sprechen von einem "Graubereich" und die Polizei ist machtlos

Von Bernhard Lohr, Brunnthal

Hier ein kaputter Kühlschrank, dort ein alter Kinderwagen: Im Südosten des Landkreises locken Sperrmüllsammlungen nach Beobachtung von Gemeinden und Polizei organisierte Gruppen an. Diese fahren mit Transportern durch die Orte und nerven Anlieger. Ruth Stubenvoll aus Brunnthal beobachtet dieses "Kreiseln", wie sie es nennt, regelmäßig und hätte gerne, dass die Behörden es unterbinden. Andere fragen sich, was aus dem gefledderten Sperrmüll wird. Und mancher sorgt sich, ob der eine oder andere Kühlschrank am Ende im Wald landet, wenn er sich als nicht brauchbar erweist.

Auf der Bürgerversammlung in Brunnthal hat sich Ruth Stubenvoll an Bürgermeister Stefan Kern (CSU) gewandt, der stellvertretender Vorsitzender im für die Müllentsorgung zuständigen Zweckverband München-Südost ist. Auch an Ottobrunns Polizeichef Armin Ganserer appellierte sie, etwas gegen den Abfalltourismus zu unternehmen.

Dass es überhaupt noch Sperrmüllsammlungen gibt, mag auf Einwohner in Unterföhring, Kirchheim oder Haar befremdlich wirken. Dort muss man seinen alten Krempel selbst zum Wertstoffhof bringen oder kann ihn allenfalls abholen lassen - gegen Gebühr. Doch in sechs Mitgliedsgemeinden des Zweckverbands Südost werden acht Mal im Jahr zu festen Terminen Möbel, Teppiche, Fahrräder und Elektronikschrott direkt an der Tür abgeholt. Die Straßen in Neubiberg, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Brunnthal, Aying und Putzbrunn sind dann manchmal schon Tage vorher gesäumt von Bergen ausrangierter Sachen - bis die Mitarbeiter des Zweckverbands mit ihren Fahrzeugen kommen und separat nach Abfallart die Sachen aufladen und mitnehmen.

Fahrende Bomben

Oft sind bis dahin schon Wertstoffsammler da gewesen. Die Termine notieren sich auch Leuten im Kalender, die sich manchmal mit abenteuerlichen, alten Lieferautos auf die Suche nach Verwertbarem machen. Die Brunnthalerin Ruth Stubenvoll hat einmal einen Autofahrer angesprochen, der durch ihr Viertel kurvte. Beim Blick in sein Auto erschrak die Brunnthalerin: Sie sah eine fahrende Bombe. Der Mann habe eine Propangasflasche neben sich stehen gehabt und eine Gasheizung installiert, um es wohlig warm zu haben.

Bilder, wie man sie in den allermeisten Orten seit vielen Jahren nicht mehr sieht. (Foto: Angelika Bardehle)

Kann man den Sammeltourismus eindämmen? Etwa mit Hilfe der Straßenverkehrsordnung? Paragraf 30 der StVO verbietet "unnützes Hin- und Herfahren innerhalb geschlossener Ortschaften, wenn andere dadurch belästigt werden". Ottobrunns Polizeichef Ganserer macht dennoch keine Hoffnung auf Abhilfe zunichte. Schließlich sei schwer zu beweisen, warum jemand durch eine Straße fahre, sagt der Inspektionsleiter. Auch sei eine Überwachung für die Polizei nicht leistbar. "Dazu bräuchte ich Kohorten von Personal."

Brunnthals Bürgermeister Kern beklagt die wilde Sammelei als Ärgernis. Der Zweckverband verfolge ja das Ziel, die Wertstoffe zu verkaufen und Einnahmen zu erzielen. Der Sperrmüll auf der Straße gehört damit dem Zweckverband. Sind die Müllsammler also Diebe? Georg Wagner, der Geschäftsführer des Zweckverbands Südost, spricht von einem "Graubereich". Die Sachen würden auf die Straße gestellt in der Absicht, diese dem Zweckverband zu überlassen. Der Vertragsabschluss komme aber erst zustande, wenn aufgeladen werde.

97 Prozent wären für die Abfuhren

Am ehesten könnten aus Sicht von Polizei und Zweckverband die Bürger selbst das Übel aus der Welt schaffen. Seit Jahren appellieren sie, den Sperrmüll erst am Tag der Abholung vor die Tür zu stellen. "Das wäre etwas, das die Bürger selber regeln könnten", sagt Wagner. Die Sperrmüllabholung an sich verteidigt er. Es gebe viele Ältere, die nicht ohne weiteres sperrige Gegenstände zum Wertstoffhof bringen könnten. Bei einer Umfrage wären sicher "97 Prozent der Leute begeistert, dass es das gibt", sagt Wagner. Auch sei die Sammlung umweltfreundlich, weil damit viele private Fahrten zum zentral für alle Zweckverband-Gemeinden gelegenen Wertstoffhof in Ottobrunn ausblieben. Dass die wilden Sammler Unbrauchbares im Wald entsorgen, glaubt Wagner zudem nicht. Diese Leute wüssten, was erlaubt sei. Und wenn jemand etwas auflade, was der doch nicht brauche, stelle er es einfach ein paar Straßen weiter wieder am Straßenrand ab.

Sperrmüll an den Straßenrändern von Brunnthal, der regelmäßig Sammler anlockt. (Foto: Angelika Bardehle)

Auch wenn es kaum eine direkte Handhabe gibt: Vor Jahren schreckten der Zweckverband und die Polizei die Sammlerszene mit einer konzertierten Aktion ab. Die Polizei zeigte mehrmals Präsenz und trat bei Lagerplätzen auf, an denen Eingesammeltes weiter auf Lkw verladen werden sollten. Wagner zufolge wurde es daraufhin ruhiger. Ähnliche Aktionen sind laut Polizeichef Ganserer wieder vorstellbar, da vermehrt wilde Sammeltrupps auf Tour sind.

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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