Bürgerprotest:Abfallhaufen in Riechweite

Lesezeit: 3 min

Die Bewohner in Lohhof-Süd klagen seit Jahren über Gestank und Lärm von der Recyclinganlage in Hochbrück. Sie fürchten, dass illegale Praktiken im Zuge des laufenden Verfahrens nachträglich genehmigt werden.

Von Gudrun Passarge, Unterschleißheim/Garching

Fast klingt es ein wenig resigniert. "Wir werden die Anlage wohl nie loswerden und werden uns arrangieren müssen. Aber wir verlangen, dass sie so arbeitet, dass wir hier erträglich leben können," sagt Andreas Erbenich. Gemeint ist der Entsorger RM-Recycling in Hochbrück.

Erbenich sitzt mit seinen Mitstreitern Eckhard Kirchner und Thomas Spott an einem Tisch in seinem Haus, etwa 500 Meter von der Abfallsortieranlage entfernt, alle gehören zum Aktionsbündnis Lohhof-Süd gegen Gestank und Krach. Seit vielen Jahren schon kämpfen sie gegen die Belästigung durch den Betrieb, und sie erheben teils schwere Vorwürfe. Ihr Anwalt spricht von "umweltbehördlichem Versagen", "Wegschauen" und "Zögern".

Gerade läuft wieder ein Anhörungsverfahren, dessen Ziel nach Angaben des Landratsamts "insbesondere eine verbesserte Luftreinhaltung zur Vorsorge gegen das Entstehen von schädlichen Umwelteinwirkungen " ist. Bis zum 10. August können die Anwohner noch Einwendungen formulieren. Das Aktionsbündnis hat sich zu diesem Zweck durch Tausende von Aktenseiten gearbeitet. Denn die Situation ist alles andere als einfach. Seit 1983 hatte der Vorgänger der jetzigen Firma, AR-Recycling, die Genehmigung, Grüngut, Sperrmüll, Schutt sowie Altholz anzunehmen. "Seit 20 Jahren leiden wir darunter", sagt Eckhard Kirchner, der Sprecher des Bündnisses.

Er berichtet von chemiebelastetem Holz, das gehäckselt werde, von Grüngut, das auch bei Ostwind umgeschaufelt werde, gegen die Anordnung, solche Arbeiten nur bei Südwestwind vorzunehmen. "Das stinkt bestialisch", sagt er. Von einer Halle mit riesigen Löchern, durch die reichlich Schadstoffe in die Umgebung entweichen. Und dann war da noch Schnee mit einer Schmutzschicht im März 2018, von der Kirchner auch Fotos vorlegen kann. Damals habe man die Auskunft bekommen, ein Filter sei defekt gewesen.

Der Vorfall im März passierte schon unter der Ägide des neuen Betreibers RM-Recycling, der den Vorgänger AR-Recycling im Mai 2017 übernommen hat. "Es ist besser geworden", sagt Kirchner dazu. Beispielsweise auch, weil weniger Grüngut angenommen werde als früher. Das bestätigt der neue Betreiber und teilt mit, er halte sich an die Vorgaben und zeichne zu dem Zweck auch die Wetterdaten auf. Aber Kirchners Hauptsorge gilt dem chemiebelasteten Holzabfall. Er müsse so entsorgt werden, dass kein Stäubchen die Halle verlasse. Und auch beim Lärm ist er sicher, dass er nachts manchmal höher als erlaubt war. Tatsächlich hat der Betrieb die Genehmigung für derlei Arbeiten in der Halle rund um die Uhr von Montag bis Freitag. Doch Kirchner sagt: "Das hätte so nachts nicht laufen dürfen", das habe das neue Gutachten ergeben. Er kann sich gut an Situationen erinnern, als er morgens um sechs Uhr aus dem Bett gefallen sei.

"Fehler werden nie sanktioniert"

Kritik äußern die Männer nicht nur am Betrieb, sondern auch am Landratsamt. "Sie machen ihren Job nicht", findet Erbenich und legt nach: "Fehler werden nie sanktioniert." Ganz gleich, ob es um die Brände gegangen sei, bei denen sich zu dicht gepackter Müll entzündet hatte, um ungenehmigte Wohncontainer auf dem Gelände oder jetzt um die Aktion eines Mitarbeiters, der Schlamm auf einem Nachbargrundstück entsorgt hat. "Es kann kein ,Weiter so' im Betrieb geben und auch kein ,Weiter so' im Landratsamt", fordert Erbenich.

Im Landratsamt sieht man dagegen keine Versäumnisse. Die Pressestelle der Behörde teilt mit, die Anlage werde konsequent überwacht. Dazu gehörten auch teilweise bis zu zehn Besuche im Jahr, grundsätzlich unangemeldet, wie es heißt, und öfter als gesetzlich vorgeschrieben. Mehrfach seien Anordnungen zur Mängelbeseitigung erlassen worden. Beim jetzigen Verfahren gehe es darum, die Anlage in Hochbrück in ihrer Gesamtheit zu erfassen und den aktuellen Stand der Technik wiederzugeben. Dazu wurden eigens Gutachten erstellt. Auch Neuerungen seien geplant, wie etwa eine zusätzliche Wasservernebelungs- und -bedüsungsanlage, alles, um die Staubemissionen zu mindern.

Bei den Männern vom Aktionsbündnis bleiben dennoch erhebliche Zweifel. Sie fürchten, was bisher widerrechtlich betrieben worden sei, solle jetzt durch das Verfahren nachträglich legalisiert werden. Nicht nur das, sie gehen auch davon aus, dass der Betrieb seine Arbeiten künftig ausdehnen könnte. Dagegen setzen sie ihre Forderungen, den modernsten Stand der Technik umzusetzen und alle Auflagen einzuhalten. Kirchner räumt ein, diese Technik koste Geld. Aber die Entsorgung könne schließlich nicht zu Lasten der etwa 3000 Anwohner in der Umgebung gehen.

"Die Siedlung gibt es seit den Fünfzigerjahren. Wir waren zuerst hier", sagt Kirchner. Das Aktionsbündnis setzt jetzt ganz auf das Anhörungsverfahren. "Wir können nur hoffen, dass das Landratsamt feststellt, dass wir in vielen Punkten recht haben und es so nicht genehmigt wird", sagt Erbenich. Thomas Spott wäre es am liebsten, wenn der Abfall ganz aus seiner Nachbarschaft verschwinden würde.

© SZ vom 03.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: