SZ-Serie: Sound des Sommers:Dreibeiniger Hund zum Trompetensolo

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Entspannungsübungen unter Bäumen: So ruhig, wie man angesichts des Fotos vermuten könnte, ist es im Wald in Großhesselohe nicht. (Foto: Claus Schunk)

Eine Gruppe von Yogalehrerinnen organisiert Sportstunden an ungewöhnlichen Orten - zum Beispiel auf einer Lichtung hinter der Waldwirtschaft Großhesselohe.

Von Claudia Wessel, Pullach

Ästeknacken, Trompetensolo aus der Ferne, ein schrilles Lachen. 20 junge Leute, davon drei Männer, schauen sich auf der kleinen Lichtung um. Wo sollen sie denn nun ihre Yogamatten hinlegen? Nein, erstaunt sind sie nicht, sie wussten ja, was auf sie zukommt. Jedenfalls ungefähr. Und der Überraschungseffekt gehört nun mal dazu. "Habt ihr alle einen guten Platz gefunden?" fragt nach einer Weile Yogalehrerin Lisa Fuchs. Manche müssen noch Tannenzapfen unter ihren Matten hervorholen, einige liegen ziemlich schräg, eine parallele Anordnung ist hier unmöglich. "Wir beginnen im Liegen", sagt die Lehrerin.

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Sie arbeitet für Gina Weber, 29, und Theresa Brackmann, 30, die es sich mit ihrem 2016 gegründeten Projekt "Pop up Yoga" zum Ziel gesetzt haben, diesen Sport an ungewöhnlichen Orten zu praktizieren. An diesem Sonntag trifft sich die Gruppe im Wald direkt hinter der Waldwirtschaft Großhesselohe. Die flotten Jazzrhythmen aus dem vielleicht 100 Meter entfernten Biergarten untermalen die Ansagen der Lehrerin. "Spürt den Waldboden unter euch", sagt Fuchs. Ist das jetzt eher Klarinette in der Ferne? Nun gibt es zu den Jazzklängen auch Gesang. "Lass dich tief in die Erde sinken", spricht Fuchs weiter zu den liegenden Yogis, die in die Wipfel der sehr hohen Bäume schauen. "Spür' die Körperrückseite, wie sie schwer in den weichen Waldboden sinkt, nimm noch mal bewusst alle Geräusche um dich herum wahr."

Wenn man schon schwitzen muss oder sich ganz auf sich konzentrieren und entspannen möchte - beides elementare Bestandteile von Yoga - dann hilft es doch eigentlich, in einem abgeschlossenen Raum zu sein, in dem man nichts anderes hört als die Stimme der Yogalehrerin und das Schnaufen der Nachbarin, des Nachbarn. Die vier Wände eines Yogazentrums schirmen die Welt draußen ab, Geborgenheit verströmende Dinge wie ein blubbernder Teekocher, an dem man sich bedienen darf, hübsch gestapelte Teetässchen, Buddhafiguren und lächelnde Rezeptionistinnen lassen einen vergessen, was für ein stressiges Leben man oft da draußen hat.

Yogalehrerin Lisa Fuchs macht eine der schönsten Übungen an diesem Ort vor: Arme hoch und Blick nach oben in die Baumwipfel. (Foto: Claus Schunk)

Da draußen, hier drinnen? Diese Sichtweise haben Gina und ihre beste Freundin Theresa, genannt Terry, ad acta gelegt. "Yoga immer und überall" lautet ihr Motto, bei Twitter sind sie unter #entspanntinmünchen. Und ihre Idee ist eben, dass man überall entspannt sein kann. Auch neben Autolärm oder gestressten Passanten. Oder in Räumen, die sonst Durchgangsorte sind wie etwa Museen, Hotels oder Dachterrassen. Im Sommer gibt es zwei bis drei Yogastunden die Woche, bei schönem Wetter natürlich unter freiem Himmel. Aber auch im Winter sind die Pop-up-Yogis unterwegs. Dann breiten sie ihre Yogamatten beispielsweise an öffentlichen Orten aus wie im Münchner Stadtmuseum oder in der Villa Stuck. Ihre Anfragen bei solchen Einrichtungen seien bisher stets positiv beschieden worden, sagt Weber. "Das ist ja auch Werbung für sie." Neue Ideen für Orte sind übrigens immer willkommen.

Auch die Lichtung nahe der Waldwirtschaft ist ein neuer Ort. Hin und wieder gibt es drüben auf der Bühne eine Musikpause, dann klingt die Stimme der Lehrerin plötzlich ganz laut. Der ruhige Anfang der Stunde zieht sich eine Weile hin. Bevor es dann "in die Kraft geht", dürfen die Schülerinnen und Schüler weiter auf dem Rücken liegen und die Blätter und Tannenzweige über sich anschauen. "Kipp' dein Becken", sagt Fuchs. Aus dem Biergarten dringt ein Schrei, ein Lachen ist plötzlich ganz nah. Auf dem Waldweg nur wenige Meter entfernt gehen zwei Spaziergängerinnen. Dann ist eine Weile nichts zu hören.

Ein Schlagen unterbricht diese Stille. "Mann, bin ich erschrocken", sagt eine junge Frau von ihrer Matte. Ihre Nachbarin hat aber nur eine Mücke erschlagen. Oder auch nur vertrieben. "Bei der nächsten Einatmung", hebt jetzt Fuchs wieder an zu sprechen, auch auf der Bühne der Waldwirtschaft geht es weiter. Zu dieser Musik könnte man Boogie tanzen. "Atme tief mit der Ausatmung" - es erklingt ein Klarinettensolo - "zwischen die Schulterblätter."

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Hoch über den Wipfeln dröhnt jetzt ein Flugzeug, aus der Waldwirtschaft dringt ein kurzer harter Schlag aufs Schlagzeug. Auf den Yogamatten wird es langsam ernst, nämlich anstrengend. Herabschauender Hund, "Achtung, starke Beine!", dreibeiniger Hund, schiefe Ebene, Kobra. Trommelklänge von hinter dem Baum. Trommelklänge? So leise, so indianisch. "Öffne dein Herz", sagt Fuchs. Die Musik kommt von ihrem Handy, mit dem sie jetzt die Übungen begleitet. Ein Tapptapptapp ist nun öfters zu hören - nackte Füße, die wieder auf die Matten zurückplumpsen.

Etwas aber, das bei Yoga in einem Raum immer zu hören ist, geht hier fast komplett unter: das angestrengte Schnaufen. Erst nach einer Dreiviertelstunde ist eines auszumachen, von dem Mann zwischen den zwei Bäumen links. Auch kleben seine Füße offenbar jetzt vom Schweiß an der Matte, hörbar zieht er sie ab. Willkommen ist angesichts der Anstrengungen sicher das immer wieder aufkommende Rauschen der Baumwipfel im Wind, das genauso schnell aufhört, wie es gekommen ist.

Gegen Ende werden die Übungen ruhiger. "Happy Baby" ist angesagt, auf dem Rücken liegen und die Füße in die Hände nehmen. Da müssen einige lachen, die sich wohl jetzt selbst wie eine Art Krabbelkäfer im Wald fühlen.

Dann der Lohn aller Mühen: die Endentspannung, Savasana. Passend dazu pausiert die Jazzmusik, nur ein leises Ästeknacken ist zu hören, als Fuchs von einem Teilnehmer zum anderen geht und als Entspannungshilfe die Schultern herunterdrückt. Das gemeinsame Om der Gruppe zum Ende der Stunde, das bei Yoga in einem Raum meist von der Kraft der Stimmen vibriert, klingt ganz aufgeweicht, der Wald verschluckt die Töne. Die Jazz-Combo macht Pause, aus dem Biergarten dringen nur Stimmen und Lachen.

© SZ vom 06.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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