Ostumfahrung Münchens:Neuer Anlauf für die elfte Spur

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Die Anwohner der B 471 in Haar bekommen den Ausweichverkehr von der A 99 direkt zu spüren. (Foto: Claus Schunk)

Der Kreistag des Landkreises München gibt voraussichtlich eine Machbarkeitsstudie für eine Autobahnparallele zur A 99 in Auftrag. Doch die Umgehung der Umgehung hält kaum jemand für realistisch.

Von Martin Mühlfenzl, Haar

Wenn die Hauptschlagader verstopft ist und auf die Schnelle nicht mehr entkalkt werden kann, muss der Bypass die Hauptlast tragen. Das ist in der Medizin genauso wie beim Verkehr - und regelmäßig im Osten des Landkreises München zu beobachten. Die dortige Hauptschlagader ist die Ostumfahrung Münchens. Die A 99 gilt als eine der meist genutzten Autobahnen Mitteleuropas, die trotz des derzeit laufenden Ausbaus auf acht Spuren immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit gerät und zur Staufalle wird. Als Bypass soll die Bundesstraße 471 dienen, nur führt die gleich durch mehrere dicht besiedelte Gemeinden und gilt ebenfalls als chronisch überlastet.

Und so taucht in der Verkehrsplanung des Landkreises immer wieder ein Projekt auf, das den Verkehr endlich ins Fließen bringen soll: die Autobahnparallele zur A 99 als Ersatz für die B 471. Sie soll eine möglichst durchgängige, kreuzungsfreie Alternative sein, wenn auf der Autobahn mal wieder Stillstand herrscht. An diesem Montag will der Mobilitätsausschuss des Kreistags eine entsprechende Machbarkeitsstudie auf den Weg bringen. Kosten: eine halbe Million Euro - für ein Projekt, das sehr wahrscheinlich so nie realisiert werden kann.

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Wenn es nach den Grünen im Kreistag geht, sollte nicht einmal mehr geprüft werden, ob eine Ausweichtrasse zur A 99 überhaupt machbar ist. "Das ist doch vollkommen aus der Zeit gefallen", sagt Markus Büchler, verkehrspolitischer Experte der Grünen-Landtagsfraktion und Kreisrat. "Wir haben schon Umgehungsstraßen und eine Autobahn, die eh ausgebaut wird - da baue ich doch nicht noch einen Bypass." Schon vor zehn Jahren sei das eine absolute Schnapsidee gewesen, so Büchler, der in Oberschleißheim selbst an der B 471 wohnt.

Eine halbe Million Euro für eine Studie

Wie eine Alternative aussehen könnte, lässt sich in Aschheim beobachten, und auch etwas weiter nördlich an der Anschlussstelle Aschheim/Ismaning. Auf Aschheimer Flur ist bisher eine einzige Komponente einer möglichen Autobahnparallele realisiert worden, ein riesiger Kreisel an der östlichen Umgehungsstraße. An der Autobahnausfahrt in Richtung Ismaning frisst sich zudem ein gigantisches Kreuz in Form eines Kraken in die Landschaft, gepaart mit einem ebenfalls wenig Fläche sparenden Kreisel der B 471. Hier im Norden hat der motorisierte Individualverkehr noch Vorrang, der aber nicht immer konstant fließt.

Das war hier nahe dem Speichersee und dem Mittleren Isarkanal nicht immer so. Noch bis in die Siebzigerjahre konnten die Ismaninger Krautköpfe abgasfrei wachsen; bis zum Bau der A 99 musste der Schwerlastverkehr in Richtung Süden und Norden durch die Landeshauptstadt fahren. Mit Eröffnung der Ostumfahrung aber hat sich der Verkehrskollaps in den Landkreis München verlagert - und zwar auf die A 99 und die B 471.

Wenn die Ostumfahrung der A 99 dicht ist, verlagert sich der Verkehr im östlichen Landkreis München vor allem auf die B 471. (Foto: Claus Schunk)

Eine Machbarkeitsstudie für eine zusätzliche Autobahnparallele hält der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Kreistag, Florian Schardt, daher für sinnvoll - auch wenn er nicht erwartet, dass als Ergebnis tatsächlich eine neue Trasse herauskommen könnte. "Aber eine solche Studie könnte punktuell aufzeigen, wo in den einzelnen Gemeinden Verbesserungen für die Anwohner erzielt werden können", sagt Schardt, SPD-Direktkandidat für die Landtagswahl im Stimmkreis München-Land Nord. "Denn die leiden ja am meisten, wenn sich der Verkehr von der Autobahn auf die Bundesstraße verlagert." Vor allem die Menschen in Feldkirchen, Haar, Putzbrunn und Hohenbrunn sind betroffen.

Auch Landrat Christoph Göbel (CSU), ein Befürworter der Machbarkeitsstudie, hegt Zweifel daran, dass die Autobahnparallele überhaupt kommt, ein "Allheilmittel" könne sie keinesfalls sein, um die Verkehrsprobleme im Landkreis zu lösen, sagte er schon vor zwei Jahren. Indirekt deutete er damals bereits an, dass die Studie auch so etwas wie ein endgültiger Sargnagel für das Projekt darstellen könnte. Allerdings ein kostspieliger.

Wie schwierig es aber sein wird, für die Kommunen und vor allem die Anwohner schnell Verbesserungen zu erreichen, weiß auch Verkehrsexperte Büchler. "Eine wichtige, kostenlose Maßnahme wäre sicher, das umzusetzen, was im Koalitionsvertrag der Ampel steht: Dass nämlich die Kommunen selbst entscheiden, wie Ortsdurchfahrten etwa mit Tempo 30 oder Querungen beruhigt werden." Auch das sei keine "Traumlösung", so der Grüne, "aber eine neue Umgehung ist es eben auch nicht". Es müsse Schluss sein mit dem weiteren Ausbau und Neubau von Straßen, fordert er.

Noch in diesem Frühjahr soll ein Planungsbüro mit der Machbarkeitsstudie loslegen, im Sommer 2024 könnte dann ein endgültiges Ergebnis vorliegen. Gut möglich, dass dieses dann ebenso in einer Schublade verschwindet wie jene Ausarbeitung über den Ringschluss der A 99 im südlichen Landkreis München.

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