Landtagswahl 2023:Bröckelnde Gewissheiten

Lesezeit: 3 min

Sehnsuchtsort Landtag: Der Landkreis München entsendet zwei direkt gewählte Parlamentarier ins Maximilianeum. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Wird das Münchner Umland zum grünen Versuchslabor? Gerät der haushohe Favorit erneut ins Wanken? Der Urnengang im Herbst wird im bevölkerungsreichsten Landkreis des Freistaats spannend wie nie zuvor.

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Im Maximilianeum hing einst ein Historienbild des Malers Friedrich Gunkel, das die Hermannsschlacht abbildete. Dieses Gemetzel - auch Schlacht im Teutoburger Wald genannt - im Jahre neun nach Christus, bei dem die Truppen des Römischen Reiches eine empfindliche Niederlage gegen die Germanen einstecken mussten, hatte letztlich auch den Verzicht Roms auf das rechtsrheinische Germanien zur Folge. Das Gemälde ging im Zweiten Weltkrieg verloren. Vielleicht mag manch einer im heutigen Bayerischen Landtag auch ganz dankbar sein, nicht ständig daran erinnert zu werden, dass Großmächte ins Wanken geraten können. Schließlich steht im Herbst 2023 die nächste Landtagswahl an - und schon 2018 wurde die bayerische Über-Partei CSU stark angezählt, besonders im Landkreis München mit seinen zwei Stimmkreisen.

Die Vorzeichen für die Christsozialen, die seit 1957 ununterbrochen den Ministerpräsidenten stellen und für die einst nur die absolute Mehrheit das Wahlziel sein konnte, sind vor der Wahl in diesem Jahr nicht berauschend. Im zuletzt erhobenen Bayerntrend des BR lag die CSU gerade einmal bei 37 Prozent und damit nahezu exakt bei jenen 37,1 Prozent, die Markus Söder bei seiner ersten Wahl als Spitzenkandidat 2018 geholt hatte. Damals mit einem Minus von 10,5 Prozentpunkten.

Die Favoriten der CSU: Kerstin Schreyer aus Unterhaching und Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl. (Foto: Claus Schunk)

Verliert die CSU im Land, wird sie im Landkreis München, in dem sich die gesellschaftliche Situation in Bayern wie in einem Brennglas widerspiegelt, in der Regel noch etwas härter abgestraft. Vor vier Jahren büßte Kerstin Schreyer, die Landtagsabgeordnete im Stimmkreis München-Land Süd, etwas mehr als 14 Prozent der Erststimmen ein, ähnliche Verluste erlitt die Partei bei den Zweitstimmen. Unwesentlich besser sah es für den Haarer Ernst Weidenbusch im nördlichen Stimmkreis aus, der mit herben Verlusten nur noch auf 30,6 Prozent der Erststimmen kam. Claudia Köhler von den Grünen rückte mit 22,8 Prozent bei ihrer ersten Kandidatur zwar nicht bedrohlich, aber auffällig nahe an den Platzhirschen Weidenbusch heran.

Führen die Grünen in die Wahl: Claudia Köhler und Markus Büchler. (Foto: Claus Schunk)

Der wird im Herbst nicht noch einmal antreten, stattdessen schickt die CSU im Norden Kirchheims Bürgermeister Maximilian Böltl ins Rennen, im Süden setzt die Partei weiter auf Bayerns ehemalige Verkehrsministerin Schreyer aus Unterhaching. Die spannende Frage wird also sein, ob die eine wieder als direkt gewählte Abgeordnete den Einzug ins Parlament schaffen wird und der andere es das erste Mal packt - oder ob der Landkreis München so etwas wie ein grünes Versuchslabor werden kann, in dem die Ökopartei die schwarze Übermacht beendet.

Die Arithmetik bayerischer Landtagswahlen spricht eigentlich für die haushohen Favoriten: In Bayern werden - anders als bei der Bundestagswahl - Erst- und Zweitstimmen summiert. Hinzu kommt die Besonderheit zweier Stimmkreise in einem Landkreis, die Kandidaten können auch in jenem Terrain um Stimmen werben, in dem sie nicht als Direktkandidat auf dem Wahlzettel stehen. So wie es die Grünen vor vier Jahren erfolgreich gemacht haben: Damals kandidierte die Unterhachingerin Claudia Köhler im nördliche Stimmkreis und der Oberschleißheimer Markus Büchler im südlichen - und die massiven Stimmenzugewinne gaben dem Duo recht.

Florian Schardt wird sich vom Amt des Vorsitzenden der SPD München-Land zurückziehen. Als Nachfolgerin im Team einer Doppelspitze schlägt er Christine Himmelberg vor. (Foto: Sebastian Gabriel)

Gerade im nördlichen Stimmkreis aber dürfte das Rennen im kommenden Jahr spannend werden. Einerseits wegen der urbaneren Strukturen in Unter- und Oberschleißheim sowie der Universitätsstadt Garching, die für die Grünen und gegen die CSU sprechen. Andererseits lässt hier auch das Kandidatentableau auf ein durchaus fesselndes Rennen schließen, denn neben der Landtagsabgeordneten Köhler und Kirchheims Bürgermeister Böltl treten der Ismaninger Nikolaus Kraus von den Freien Wählern, der seit 2013 dem Parlament angehört, sowie der SPD-Kreisvorsitzende und Kreisrat Florian Schardt aus Ottobrunn an, der sich, seitdem er 2019 überraschend zum Unterbezirks-Chef gewählt wurde, zum Gesicht der Sozialdemokraten im Landkreis München entwickelt hat.

Die Sozialdemokraten haben Potenzial in ihrem Stammland

Welche Umwälzungen im Landkreis bei Landtagswahlen möglich sein können, haben die letzten drei Urnengänge gezeigt. Im Jahr 2008 büßten die Christsozialen - damals mit ihrem Spitzenkandidaten Günther Beckstein - im Stimmkreis Nord mehr als 18 Prozentpunkte bei den Zweitstimmen ein, fünf Jahre später gelang mit Horst Seehofer an der Spitze und einem Plus von acht Prozentpunkten wieder der Sprung über die 40-Prozent-Marke, um dann 2018 mit Söder als Frontmann erneut ins Tal der Tränen abzustürzen. Seitdem haben sich die Grünen zur Nummer zwei im Landkreis entwickelt, noch vor den Freien Wählern und der SPD. Aber auch die Genossen wissen, dass sie hier in ihrem bayerischen Stammland ein gewisses Potenzial haben. Sowohl die scheidende Abgeordnete Natascha Kohnen als auch Peter Paul Gantzer haben 2013 bewiesen, dass für die SPD mit starken Kandidaten mehr als 20 Prozent drin sind.

Und so wird etwa auch für die AfD viel davon abhängen, wen sie in den beiden Stimmkreisen ins Rennen schicken wird - eine Anfrage der SZ, wer als Direktkandidat in die Wahl gehen könnte, blieb unbeantwortet. Im letzten Bayerntrend lagen die Rechtspopulisten bayernweit bei zwölf Prozent - die Wahl vor vier Jahren hat aber auch gezeigt, dass die AfD im Landkreis München schlechter abschneidet als im gesamten Freistaat. Und bei der FDP stellt sich ohnehin die Frage, ob sie überhaupt wieder ins Maximilianeum einziehen wird. In der jüngsten Umfrage kam sie nur auf vier Prozent.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

CSU
:Weidenbusch kündigt Rückzug an - aber nicht beim Jagdverband

Der in Bedrängnis geratene Jägerpräsident will zum Ende der Wahlperiode seine Ämter als Kreisrat und stellvertretender Landrat im Landkreis München aufgeben. CSU-Parteifreunde erklären die Probleme im Verband mit seiner offenen, manchmal schroffen Art.

Von Stefan Galler und Martin Mühlfenzl

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: