Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) sieht die Solidarität unter den 29 Städten und Gemeinden des Landkreises München bei der Aufnahme Geflüchteter in Gefahr. Hintergrund ist das Urteil des Münchner Verwaltungsgerichts im Fall der Gemeinde Greiling im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Das Gericht hatte einem Eilantrag der Kommune stattgegeben, keine weiteren Schutzsuchenden mehr aufnehmen zu müssen. Loderer befürchtet nun, dieser Richterspruch könne auch im Landkreis München dazu führen, dass Kommunen sich bei der Unterbringung verweigern. "Vor allem Gemeinden, die bisher ambitioniert und solidarisch waren", sagt der Ottobrunner Rathauschef. Aufgrund seiner Bevölkerungsstärke muss der Landkreis München bayernweit unter allen Landkreisen die meisten Geflüchteten aufnehmen.
Im Fall Greiling hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass das zuständige Landratsamt der Gemeinde keine weiteren Asylbewerberleistungsberechtigten mehr zuweisen darf, bis im Hauptverfahren entschieden sei. Als Begründung führte das Gericht aus, dass andernfalls ein Eingriff in das kommunale Selbstverwaltungsrecht der Kommune vorliege. Laut bayerischem Aufnahmegesetz, so das Gericht, seien Gemeinden nur verpflichtet, "bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerberleistungsberechtigten durch die Landratsämter" mitzuwirken; daraus aber gehe 'voraussichtlich nicht so weit' hervor, dass das Landratsamt einfach Geflüchtete zuweisen könne. Denn: Die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern sei Aufgabe des Freistaates Bayern.
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Im Landkreis München ist es bisher ebenfalls gängige Praxis, dass das Landratsamt ankommende Geflüchtete auf Unterkünfte in den Kommunen verteilt - den Städten und Gemeinden also Schutzsuchende zuweist. Derzeit werden dem Landkreis München nach wie vor alle zwei Wochen etwa 50 Geflüchtete durch die Regierung von Oberbayern zugewiesen. Die Verteilung der Menschen soll dabei eigentlich nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel erfolgen, der neben anderen Faktoren vor allem die Einwohnerstärke der Kommunen berücksichtigt - also Schutzsuchende entsprechend der Einwohnerzahl auf die Kommunen verteilt.
Das Landratsamt teilt auf Nachfrage mit, dass es sich "selbstverständlich um eine möglichst gerechte Verteilung der Geflüchteten anhand der Einwohnerzahl" bemühe. Allerdings räumt die Behörde von Landrat Christoph Göbel (CSU) ein, dass eine "rechnerisch exakte Verteilung" aufgrund des anhaltend hohen Wohnraummangels nicht möglich sei, zudem gebe es unterschiedliche räumliche Situationen in den einzelnen Kommunen. Auch würden immer wieder Mietverträge auslaufen oder neue Objekte hinzukommen.
Wie etwa unlängst das ehemalige Hotel Aigner an der Rosenheimer Landstraße in Ottobrunn, in dem schon in den kommenden Tagen bis zu 146 Menschen einziehen werden. Die Gemeinde hat das leer stehende Gebäude dem Landratsamt für die Unterbringung Geflüchteter angeboten - und dieses hat dankend angenommen. Denn noch immer, so bestätigt eine Sprecherin der Behörde, sei der Landkreis dabei, kontinuierlich seine Kapazitäten für die Unterbringung Geflüchteter auszubauen. Dadurch sei der Landkreis derzeit auch in der Lage, die aktuellen Zuweisungen zu bewältigen - allerdings "knapp unterhalb der Kapazitätsgrenze", wie es aus dem Landratsamt heißt. Reserven für einen "sprunghaften Anstieg" bei der Zuwanderung gebe es aber nicht.
In den Kitas und Schulen fehlt Personal
Für Ottobrunns Bürgermeister Loderer ist es eine "Selbstverständlichkeit" bei der Unterbringung der Menschen zu helfen. Daher hatte die Gemeinde dem Landratsamt bereits im Jahr 2022 das sogenannte Johanniter-Grundstück gegenüber dem Hotel Aigner für den Aufbau einer Container-Unterkunft angeboten, im Juli 2022 wurde auch ein entsprechender Mietvertrag mit dem Landkreis mit einer Laufzeit über 30 Monate geschlossen. Doch der Mangel an Containern auf dem Weltmarkt hat die Errichtung der Unterkunft bisher verhindert. Nun läuft die Kooperationsvereinbarung über das Johanniter-Grundstück im März kommenden Jahres aus und Loderer zögert mit einer vorzeitigen Verlängerung.
"Ich bin da jetzt abwartend und habe auch dem Gemeinderat empfohlen, erst einmal abzuwarten", sagte Loderer auf SZ-Nachfrage. "Ich möchte schon sehen, wie sich die Situation entwickelt und auch, wie das Landratsamt das Thema Unterbringung managt." Loderer betont, er wolle eine weitere Unterkunft nicht verhindern. Ihm gehe es viel mehr um einen anderen Aspekt. "Wir wissen nicht, wie die Zusammensetzung der Bewohner sein wird", sagt er. "Und die hat natürlich große Auswirkungen auf das Thema Kinderbetreuung in Kitas und bei der Beschulung." Bereits jetzt sei die Gemeinde vor allem wegen des Fachkräftemangels nicht in der Lage, in den Kitas Plätze in dem benötigten Umfang bereitzustellen.
Interview:"Wir werden künftig klare Prioritäten setzen müssen"
Landrat Christoph Göbel spricht im SZ-Interview über die finanziell angespannte Lage des Landkreises München und Gemeinden als Steueroasen, über Herausforderungen bei der Migration und die allgemeine Radikalisierung in Deutschland - und er erklärt, warum er jeden Flüchtling für einen zu viel hält.
Ferner warnt Loderer vor möglichen Auswirkungen durch das Urteil des Verwaltungsgerichts und appelliert zugleich an die Solidarität unter allen Kommunen des Landkreises. Auch Ottobrunn, sagt er, habe sich eine Zeit lang anhören müssen, bei der Unterbringung zu wenig zu tun. "Jetzt haben wir mal die Möglichkeit, in größerem Stile agieren zu können und tun das auch gerne", sagt er. "Leider ticken nicht alle Gemeinden so", sagt Ottobrunns Rathauschef ohne Namen zu nennen.
Bezogen auf die Einwohnerzahl leistet im Landkreis München bei der Unterbringung die Gemeinde Unterföhring den größten Beitrag: In der Mediengemeinde mit ihren etwas mehr als 11 00 Einwohnern leben derzeit mehr als 350 Schutzsuchende in staatlichen Unterkünften. Unterföhring übererfüllt die von den Kommunen eingeforderte Quote bei der Unterbringung von Geflüchteten mit etwas mehr als 200 Prozent deutlich - und hat laut Landratsamt sogar noch Kapazitäten von weit mehr als 200 Plätzen in Unterkünften frei. Neben Unterföhring übererfüllen im Landkreis München nur noch Aschheim (135 Prozent), Haar (151 Prozent), Kirchheim (123 Prozent) sowie Straßlach-Dingharting (108 Prozent) die Quote. In Ottobrunn liegt die Quote derzeit bei 63 Prozent. Schlusslichter sind Baierbrunn, Brunnthal (beide zwölf Prozent) sowie Neuried (17 Prozent).
Landrat Christoph Göbel geht auf mögliche Auswirkungen des Greilinger Urteils nicht näher ein. Er sagt, das Landratsamt nehme die Aufgabe der Unterbringung im Auftrag des Freistaates wahr - und zwar mit guter Unterstützung und im Einvernehmen mit den Kommunen. Dieses Vorgehen habe sich in den vergangenen Jahren als "äußerst hilfreich" erweisen.