Haar:Großes Rätselraten um die Geothermie

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Bohrstelle in Icking: So ähnlich könnte es bald in Vaterstetten aussehen. Verhandlungen über ein Grundstück laufen, auf dem eine Geothermiebohrung in die Tiefe gebracht werden könnte. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bürgermeister Andreas Bukowski redet seit Monaten mit Vaterstetten über einen Wärmeverbund, doch der Gemeinderat tappt im Dunkeln.

Von Bernhard Lohr, Haar

Manchmal stößt auch ein Zweiter Bürgermeister bei der Lektüre eines überregionalen Blattes auf bahnbrechende Neuigkeiten aus seiner Gemeinde. Ulrich Leiner (Grüne) ging es letztens so. Er ist Forscher am Fraunhofer Institut und so schaut er manchmal in Bild der Wissenschaft. Dort ging es in einem Bericht über Geothermie auch um das Projekt in Vaterstetten, und zu seiner Überraschung las Leiner, die Nachbarkommunen Grasbrunn und Haar seien an diesem beteiligt. Dabei hat der Haarer Gemeinderat bisher noch nie öffentlich über eine mögliche Beteiligung geredet, geschweige denn entschieden. Gespräche allerdings gibt es auf Bürgermeisterebene wohl - und viele Spekulationen.

Es geht um ein Projekt im mittleren zweistelligen Millionenbereich, um Wärmeversorgung für Tausende Haushalte und einen Meilenstein beim Klimaschutz. Die Gemeinde Vaterstetten hat auch im Juni 2022 einen einstimmigen Grundsatzbeschluss über eine Energiewende gefasst, der besagt, es "soll hierfür ein wirtschaftlich tragfähiges Geothermieprojekt, mit Wärmelieferung ab dem Jahr 2025, umgesetzt werden". Das ist formal der Stand. Dazu wurden Studien vorgelegt, denen zufolge eine hohe Ausbeute zu erwarten ist und das Vorhaben wirtschaftlich. Ansonsten hörte man zuletzt nicht viel. Doch wie aus dem Rathaus in Vaterstetten auf Nachfrage zu erfahren ist, arbeitet man sich akribisch Schritt für Schritt voran.

Georg Kast, der das Vorhaben im Vaterstettener Rathaus intensiv begleitet, berichtet von vielen rechtlichen Fragen, die aktuell abgearbeitet würden. Jeden Tag erwarte man eine Förderzusage des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), um eine umfassende Studie zu dem Projekt anfertigen zu lassen, die die Zuschussbehörde voraussetzt. Die ausführende Fachfirma sei bereits nach einer Ausschreibung ermittelt. Danach soll es laut Kast weitergehen mit der Gründung der Projektgesellschaft, Antrag auf vorzeitigen Baubeginn und Bohrung. Die Bemühungen zur Sicherung eines Bohrplatzes liefen parallel.

Vaterstettens Bürgermeister Leonhard Spitzauer (CSU) spricht von ungebrochener Entschlossenheit, das Millionen-Vorhaben durchzuziehen. Und er betont, die Tür für eine Beteiligung von benachbarten Kommunen stehe offen. Die Möglichkeiten, wie das aussehen könnte, sind in der aktuellen Phase des Projekts offenkundig noch weit gesteckt. Weitergehende Beschlüsse des Gemeinderats stehen in Vaterstetten erst noch bevor, wobei Georg Kast diese bald erwartet. Ziel sei, die "Wertschöpfung auf Seiten der Kommune zu halten".

Zweiter Bürgermeister Ulrich Leiner (Grüne) hat viele Fragen. (Foto: Claus Schunk)

In Haar wissen die Gemeinderäte über darüber nicht oder nur kaum Bescheid. Dabei stellen sich viele Fragen: Macht die Gemeinde mit bei der Betreibergesellschaft für die Erdwärme oder kauft sie nur Wärme ein? Derzeit scheint ersteres angesichts der prekären Finanzlage der Gemeinde unwahrscheinlich. Eine Abnahme von Wärme aber wäre eine Option, auch weil Haar im Isar-Amper-Klinikum und in Eglfing über bestehende Nahwärmenetze verfügt, die auf Geothermie umgestellt werden könnten. Eigentümer ist allerdings nicht die Gemeinde, sondern der Bezirk und Eon Bayern.

Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU) informierte jüngst im Gemeinderat darüber, dass die Gemeindewerke derzeit mit den Fernwärme-Netzbetreibern das Gespräch suchten, um die Bedingungen für eine Beteiligung am Vaterstettener Vorhaben zu eruieren. Rainer Mendel, der neue Chef der Gemeindewerke, bestätigt dies. Es liefen Prüfungen und man stehe im Kontakt mit möglichen Partnern. Auch mit den Stadtwerken München suche man einen Austausch. Eine Verbindung von Vaterstetten und Haar hält Mendel für eine hochspannende Idee, aber auch für ein kostspieliges und aufwendiges Projekt.

In den Klub will auch die Nachbargemeinde Zorneding

Dass Bürgermeister Bukowski im Gemeinderat sagte, er könne noch nicht mehr berichten, als dass die Gemeindewerke die Lage sondierten, befriedigt Ulrich Leiner nicht. Er fordert weitere Aufklärung. Der Gemeinderat müsse sich mal ein Bild machen und beraten. Bürgermeister Bukowski will nun in einer der nächsten Sitzungen Informationen liefern, warnt aber schon mal, dass es womöglich nicht viel Neues geben werde. Vaterstettens Bürgermeister Spitzauer und Projektleiter Kast erklärten sich im Gespräch mit der SZ bereit, auch selbst im Haarer Gemeinderat über das Vorhaben zu informieren.

Dem Zornedinger Gemeinderat haben beide bereits berichtet. Die östliche Nachbargemeinde will unbedingt in den Vaterstettener Geothermie-Klub. Ende Januar hat der Gemeinderat mit Blick auf einen Anschluss die Weichen für den Aufbau eines Fernwärmenetzes gestellt und eine Machbarkeitsstudie beschlossen. Über die Rechtsform einer Betreibergesellschaft wurde nach einem Vortrag eines Fachmanns beraten.

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