Landtagswahl 2023:War da was?

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Kaltblüter unter sich: Ministerpräsident Markus Söder mit den Pferden, die ihn in der Kutsche zum Festzelt ziehen sollten. (Foto: Claus Schunk/)

Beim Keferloher Montag arbeitet sich Ministerpräsident Markus Söder mit Inbrunst an den Grünen ab. Einen dagegen erwähnt er mit keinem Wort: Seinen Stellvertreter Hubert Aiwanger, der tags zuvor da war.

Von Martin Mühlfenzl, Grasbrunn

Nein, der Ministerpräsident, der ja sonst gerne alles Mögliche in den Arm nimmt, umarmt das riesige Ross nicht, neben dem er an diesem sommerlichen Montagnachmittag im Schatten der Bäume auf Gut Keferloh steht. Markus Söder streichelt das Tier lediglich sanft - und stellt einen gewagten Vergleich an. "Auch ich bin ein Kaltblüter", sagt er. Also ein Wesen, mit zwar höherem Körpergewicht, aber auch einem ruhigeren Temperament, das es gewohnt ist, große Lasten zu tragen oder zu ziehen. Und so sieht sich der Kaltblüter Söder auch, der sich im Anschluss dann doch von den Pferden in der Kutsche gen Festzelt ziehen lässt: Als die starke Person, die es in Bayern zwingend brauche und die das Land zusammenhalten müsse, wie er später sagen wird.

Der Keferloher Montag, das einst größte Volksfest Bayerns mit seiner mehr als 1000-jährigen Geschichte, war schon immer auch eine politische Veranstaltung, insbesondere in Wahljahren. Für Söder ist es bereits der vierte Auftritt bei der Veranstaltung im Münchner Osten. Derart aufgeladen, voller Spannung wie in diesem Jahr, war der Keferloher Montag aber noch nie. Denn einen Tag vor Söder sprach im Bierzelt sein Stellvertreter, Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern. Und zwar während der Ministerpräsident in München wegen der Flugblatt-Affäre über Aiwangers Zukunft befand. Er hätte seinen Stellvertreter kaltblütig abservieren können - aber er tat es nicht; und gab dem Freie-Wähler-Chef die Chance, ein komplett gefülltes Zelt an- und die Stimmung noch einmal aufzuheizen.

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Auch bei Söders Einzug unter den Klängen des Defiliermarsches und hinter mehreren Fahnenabordnungen ist das Zelt am Montag bummvoll. Es strahlt in den Farben Weiß und Blau, ganz nach Söders Geschmack. Ein roter Farbtupfer wie Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder passt da eigentlich nicht so richtig rein. Der aber darf trotzdem zum Grußwort antreten und erinnert sich an den vorherigen Besuch Söders, bei dem er vermutet hatte, er werde die nächsten Stunden kaum etwas zu lachen haben, worauf der CSU-Chef antwortete, er solle ja auch lieber zuhören und lernen. Diesmal sagt der Rathauschef, er werde der Veranstaltung lediglich einen guten Verlauf wünschen. Wenn er so lernfähig sei, fragt Söder, warum sei er dann noch in der SPD? Da bricht sich das erste Mal im Zelt Begeisterung Bahn.

Roter unter Schwarzen: Grasbrunns Bürgermeister Klaus Korneder (vorne) mit den CSU-Abgeordneten Kerstin Schreyer und Ernst Weidenbusch. (Foto: Claus Schunk/)

Söder kämpft aber auch an diesem Nachmittag. Es ist nach dem Gillamoos das zweite Bierzelt, das er an diesem Tag bespielt, ein dritter Auftritt in Erding wird noch folgen. Der Ministerpräsident arbeitet sich vor allem an den Grünen ab. An deren angeblich ideologiegetriebener Politik, am Gendern, am Heizungsgesetz.

Ein Name dagegen fällt an diesem Nachmittag in Keferloh nicht: der seines Stellvertreters Hubert Aiwanger, den er einen Tag zuvor gewissermaßen auf Bewährung im Amt gelassen hat. Der ihm eine Woche lang, das kann so gesagt werden, die Stimmung verhagelt hat. Keine Erwähnung, keine Andeutung, keine Schuldzuweisung, aber auch kein Beistand - der Ministerpräsident blendet vollkommen aus, dass Aiwanger etwas mehr als 24 Stunden zuvor an derselben Stelle noch einmal seine Vorwürfe einer Schmutzkampagne gegen seine Person in der Affäre um das antisemitische Pamphlet wiederholt hat.

Festredner Markus Söder mit dem für den Keferloher Montag typischen Strohhut. (Foto: Claus Schunk)

Auch von den Christsozialen aus dem Landkreis München will niemand so recht über den Koalitionspartner reden. Der CSU-Kreischef und Bundestagsabgeordnete Florian Hahn aus Ottobrunn stützt allerdings seinen Parteichef: "Ich finde Söder hat recht, wenn er sagt, ein Rausschmiss wäre nicht verhältnismäßig." Die Wählerinnen und Wähler müssten nun bei der Wahl am 8. Oktober entscheiden. "Mir ist da nicht bange", sagt er.

Eine allzu kritische interne Debatte würde auch nicht in das Bild von Söders Wahlkampf passen, der vor allem im Bierzelt ausgetragen wird, vor großen, bierseligen Massen. Auf dem Land, im Dorf, wo aus Söders Sicht die Welt noch in Ordnung ist. Wo die "Dorfgemeinschaft" noch intakt sei, man sich gegenseitig unterstütze, die Freiwillige Feuerwehr ebenso noch eine Rolle spiele wie die Kirche - in jedem bayerischen Dorf stecke mehr Verstand als in jedem Berliner Regierungsbündnis, poltert er. Und überhaupt Bayern, dieses großartige Land, das 90 Prozent der Menschen gegen die eigene Heimat eintauschen wollten, wenn sie denn könnten: die niedrigste Arbeitslosigkeit, die geringste Kriminalität, die großartigsten Landwirte, die meisten Meister. Und die Ampel in Berlin? Streite nur, verliere den Kontakt zu den Menschen, kümmere sich nicht um die Sorgen der Einheimischen, handle nicht beim Thema Migration.

Es kommt an im Bierzelt, wenn Söder sich dann noch einmal die woke Politik der Grünen vorknöpft, die feministische Außenpolitik von Außenministerin Annalena Baerbock, die Debatten darüber, was man anziehen oder essen solle. "Und es gibt eine Kraft, die das ständig fordert." Klar, die Grünen. Und denen erteilt Söder noch einmal eine Abfuhr, die das Bierzelt zum Beben bringt: Mit ihm werde es die Ökopartei nicht in der Staatsregierung geben.

Am liebsten wäre es ihm wohl, er bräuchte in der Regierung auch keine Freien Wähler - das Selbstvertrauen für eine Alleinregierung hat er. Als Johannes Bußjäger, der Organisator des Keferloher Montags, Söder fragt, wem 97 Prozent der Deutschen laut Umfragen vertrauen würden, entfährt dem Kaltblüter in der ersten Reihe der Biergarnituren ein kaum vernehmliches "Mir". Dem aber muss Bußjäger entschieden widersprechen: "Nein, der Feuerwehr." Und der Mann muss es wissen. Er ist Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Grasbrunn.

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