Corona in Heimen:Die unsichtbare Gefahr

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Im Frühjahr war es für Bewohner in Alten- und Pflegeheimen oft sehr einsam, es galten strikte Berufsverbote. Mittlerweile sind wieder Besuche erlaubt, allerdings unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. (Foto: Jonas Güttler/dpa)

Nach einer Vielzahl von Todesfällen während des Frühjahrs rüsten sich die Altenheime mit Hygienekonzepten und Reihenuntersuchungen für den bevorstehenden Corona-Winter. Der Landkreis verfügt bereits über 5400 Schnelltests, weitere 30 000 Einheiten sind bestellt

Von Martin Mühlfenzl, Unterhaching/Ismaning

Im April bricht die Katastrophe über das Alten- und Pflegeheim St. Katharina Labouré in Unterhaching herein. Es ist eine unsichtbare, aber heimtückische Gefahr. Insgesamt 19 Bewohner des Altenheims sterben im Zusammenhang mit dem Coronavirus, darunter viele der dort lebenden Jesuiten. Unter den Toten ist auch der älteste Jesuit der deutschen Ordensprovinz, Pater Johannes Beck, er wird 97 Jahre alt.

"Omnia ad maiorem Dei gloriam", so lautet das Motto des Jesuitenordens - Alles zu größerer Ehre Gottes. Streng in ihrem Glauben verwurzelt waren die Brüder. Dieses heimtückische Virus aber ist keine Glaubensfrage, es ist äußerst real und es hat in diesem Frühjahr großes Leid nicht nur nach Unterhaching gebracht. Es war in der Regel in diesem April ein sehr einsamer Tod in streng abgeschirmten Alten- und Pflegeheimen. Angehörigen und Freunden war untersagt, Abschied zu nehmen, zu groß war die Angst, das Virus würde ein ums andere Mal wieder hereingetragen.

97 Menschen sind seit 26. März im Landkreis München im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Die allermeisten von ihnen in Alten- und Pflegeheimen.

Über Monate hinweg seit dem Frühjahr war es ruhig, es kamen kaum mehr Meldungen aus den Pflegeeinrichtungen. Die Zahl der Todesopfer lag wochenlang bei 96 - bis zum Mittwoch. Da meldete das Landratsamt einen weiteren Todesfall. Und nicht nur das, die Zahl der Infektionen unter Bewohnern und Mitarbeitern steigt. Das Virus findet im Landkreis wieder seinen Weg in die Heime. Die Gefahr ist zurück. Eigentlich war sie nie weg.

"Wir tun alles Menschenmögliche, um die Menschen in unseren Einrichtungen zu schützen", sagt Wolfgang Dausch. Er ist Öffentlichkeitsreferent der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul, Träger des Altenheims Sankt Katharina Labouré in Unterhaching, das es im Frühjahr so hart traf. "Aber wir wissen auch, dass es den hundertprozentigen Schutz nicht gibt."

Das zeigen die neuesten Zahlen: Stand Freitagnachmittag waren 23 Bewohner in vier Heimen und 18 Mitarbeiter aktuell positiv getestet. Die Kurve zeigt nach oben, gleichwohl die Zahl der betroffenen Heime in den vergangenen Tagen nicht zugenommen hat. Dennoch sagt Landrat Christoph Göbel (CSU): "Wir müssen leider ständig damit rechnen, dass es mehr Fälle gibt."

Im Frühjahr war es für Bewohner in Alten- und Pflegeheimen oft sehr einsam, es galten strikte Berufsverbote. Mittlerweile sind wieder Besuche erlaubt, allerdings unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. (Foto: Jonas Güttler/dpa)

Hygienekonzepte und Reihentestungen sind entscheidend, wenn es darum geht, das Virus aus den Heimen herauszuhalten oder es zu entdecken, wenn es seine Weg hinein gefunden hat. In fast allen 56 Einrichtungen des Landkreises gibt es zeitliche Korridore für Besuche, es muss ein Termin vereinbart werden, jeden Bewohner darf nur eine Kontaktperson besuchen, mit Maske, die Treffen finden im Bewohnerzimmer statt - auf Abstand. Wolfgang Dausch sagt, in Katharina St. Labouré fänden auch Treffen im Freien statt, wenn jetzt im Herbst das Wetter mitspielt, das sei sicherer. Anders als noch im Frühjahr gestatten die meisten Einrichtungen nun die Begleitung von Sterbenden auf ihrem letzten Weg. "Wir sind in erster Linie für die Menschen da", sagt Dausch.

Was aber passiert, wenn das "Damoklesschwert", wie es Dausch nennt, über eines seiner Heime fällt? Dann werde der Plan aus dem Frühjahr wieder greifen, eine Isolierstation werde eingerichtet, um positiv getestete Bewohner von nicht infizierten zu trennen. Die Mitarbeiter waren und sind sehr sensibilisiert für den Umgang mit dem Virus und den Menschen an ihrem Arbeitsplatz.

Auch das Bürgerstift in Ismaning, ein von der Arbeiterwohlfahrt betriebenes Seniorenheim, wurde im April hart getroffen, mehrere Bewohner starben. Für die Menschen im Heim änderte sich der Alltag radikal, Pfleger mussten Schutzanzüge tragen, hatten ständig Masken auf, Infizierte wurden isoliert, Bewohner durften nur noch auf den Balkon, wenn sie frische Luft einatmen wollten.

In dieser Zeit, aber sagt Bürgermeister Alexander Greulich (SPD), war vor allem auf die örtliche Freiwillige Feuerwehr Verlass, die im Dauereinsatz die Mitarbeiter unterstützte und unter großem Aufwand ständig Bewohner und Pfleger auf das Coronavirus testete. "Die waren und sind heute noch ein unglaublich große Hilfe und werden auch eine sein, wenn sich die Situation wieder verschärfen sollte", sagt er. Zudem sei der dauerhafte, intensive Kontakt zwischen der Gemeinde und Heimleiter Tobias Gruber wichtig, sagt Greulich. Die Heime dürften nicht sich selber überlassen werden.

Das hat auch der Landkreis erkannt und seine Strategie im Kampf gegen das Virus nachjustiert. Landrat Christoph Göbel will auf einen Mix aus Reihentestungen mit PCR-Tests und Schnelltests setzen. 5400 Schnelltests vom Gesundheitsministerium seien am Freitag eingetroffen, der Landkreis habe zusätzlich 30 000 Einheiten bestellt. Bisher haben in 24 der 56 Alten- und Pflegeheime im Landkreis Reihentestungen stattgefunden, und diese Zahl werde weiter steigen, sagt Göbel.

Wir ernst die Situation ist, wird an der steigenden Zahl belegter Intensivbetten deutlich. Stand Freitag wurden in Oberbayern 114 Menschen auf Intensivstationen behandelt, auch die Zahl der Normalbetten, die mit Covid-19-Patienten belegt sind, steigt weiter stark an, derzeit sind es nahezu 530 in oberbayerischen Kliniken.

Auch das Team im Haus Katharina St. Labouré in Unterhaching rüstet sich nun für den bevorstehenden Corona-Winter. Dort wollen sie alle verhindern, dass sich die schrecklichen Ereignisse vom Frühjahr wiederholen. Die unsichtbare Gefahr ist nicht weg.

© SZ vom 07.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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