Gedenkfeier:Ein schwarzer Tag für Manchester United, ein schwarzer Tag für München

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Bewegende Atmosphäre: Fußballfans von Manchester United gedenken des Flugzeugabsturzes von Riem (Foto: Florian Peljak)
  • Vor 60 Jahren starben 23 Menschen bei der Flugzeugkatastrophe am Flughafen Riem.
  • Unter den Opfern waren acht Spieler des Fußballvereins Manchester United.
  • Mehr als 1000 Fans des Vereins haben in München an einer Gedenkfeier für die Opfer auf dem Manchesterplatz teilgenommen.

Von Udo Watter

Von der rosa Hauswand am östlichen Ende des Manchesterplatzes hängt ein großes Transparent: "Cut down in their prime" steht dort. Und darunter auf schwarzem Untergrund: "In silence on that day." Die da in der frühen Blüte ihrer Fußballerkarriere aus dem Leben gerissen wurden, und derer man an diesem Tag auch schweigend gedenken würde, sie sind die Opfer des Flugzeugunglücks von München vor genau 60 Jahren - dabei starben 23 Menschen, darunter acht Spieler von Manchester United, die auf der Rückreise von einem Europapokalspiel in Belgrad waren mit Zwischenstopp in Riem.

Mehr als 1000 Fans des englischen Fußballrekordmeisters waren nun in den Stadtteil Trudering gekommen, dort wo seit 2004 ein Gedenkstein an die Opfer der Katastrophe erinnert. Sie brachten Transparente mit, Blumen und Schals, sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift "60th Anniversary" oder "Flowers of Manchester" und sie wurden - zusammen mit den deutschen Gästen - Zeugen einer bewegenden Gedenkfeier.

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Schon Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) fand als erster Redner die richtigen Worte: "Dieser Tag war ein schwarzer Tag für den Klub Manchester United, für den englischen Fußball und ein schwarzer Tag in der Geschichte der Stadt." Reiter hielt die Rede auf Englisch und er betonte, die Opfer würden nie vergessen: "Die Erinnerung ist nicht verblasst. Im Gegenteil: Sie ist stärker geworden, wie man am heutigen Tag sehen kann." Die gemeinsame Trauer habe auch die beiden Städte München und Manchester einander näher gebracht.

Ähnliches konstatierte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München, der wie Reiter oder Uli Hoeneß, der Bayern-Präsident, einen speziellen Gedenkschal trug. Das, was diese beiden Vereine verbinde, sei mehr als sportliche Triumphe, Siege und Niederlagen. Es gehe um Emotionen: Leidenschaft, Freude, Trauer. Auch um Freundschaften, wie sie etwa die Bayern-Granden zu Bobby Charlton pflegen, der damals das Unglück überlebte, 1966 England zum WM-Titel führte und mit Man United 1968 den Europapokal der Landesmeister gewann. Seit 2015 gibt es auch eine Gedenktafel in der FC-Bayern-Erlebniswelt.

Rummenigges Rede - auch er spricht auf Englisch - wird immer wieder unterbrochen von Gesängen der englischen Fans, besonders gerne vom anrührenden "We'll never die, we'll never die."

Auch Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge sowie Hermann Memmel (v.l) gedachten der Opfer des Unglücks. (Foto: Florian Peljak)

Rummenigge verweist auch darauf, dass man sich auf deutscher wie englischer Seite durch die gemeinsame Bewältigung der Katastrophe 13 Jahre nach Kriegsende angenähert habe - wobei es zumindest in der bis heute noch nicht ganz geklärten Schuldfrage freilich auch Diskrepanzen gab. Er war auch souverän genug, die dramatische 1:2-Finalniederlage seines FC Bayern im Champions League Finale 1999 gegen Man United zu erwähnen, was spontane Lobgesänge auf den Siegtorschützen Ole Gunnar Solskjær zur Folge hatte. Was wiederum Rummenigge augenzwinkernd kommentierte: "Ihr habt ein bisschen Glück gehabt an dem Tag."

Dass mit der großen sportlichen Rivalität der beiden Clubs auch großer gegenseitiger Respekt einhergeht, war an diesem sonnigen Tag in Kirchtrudering besonders zu spüren. Auch die Verbundenheit beider Städte wie auch der Einsatz der Ärzte und Schwestern, die nach dem Unglück im Krankenhaus Rechts der Isar um das Leben der Spieler wie von Manager Matt Busby kämpften, wurde mehrfach gewürdigt. Überhaupt entfaltete diese Gedenkfeier am Manchesterplatz ein Flair, wie man es sich für so eine Veranstaltung wünscht: würdevoll, wehmütig, emotional - immer wieder schön, wenn mächtig gebaute Fußballfans mit trinkfesten Gesichtern feuchte Augen bekommen und herzerweichend singen.

Kurz wurde man in Trudering sogar Ohrenzeuge einer sängerisch wohl äußerst seltenen Hommage der Engländer an eine deutsche Stadt, deren Bürger sich 1958 für die Verletzten und später für das adäquate Gedenken so eingesetzt hatten. So erklang, etwas zaghaft zwar, aber immerhin, ein kollektives "Munich" respektive "Munchen". Tony O'Neill, der für die Delegation von Manchester United sprach, zu welcher der ehemalige Verteidiger und Finalteilnehmer 1999 Denis Irwin gehörte, hatte seine Landsleute dazu animiert. Früher ein berüchtigter Hooligan, der mehrmals im Gefängnis saß, fand er starke, schmerzhafte, fast pathetische Worte.

Als er die Namen der 23 Toten vorliest, begleitet vom leisen Dauer-Applaus der Anwesenden, ist das ein besonders bewegender Moment. Wie sagte der ehemalige SPD-Stadtrat Hermann Memmel, der das Denkmal maßgeblich initiiert hatte: "Die Zeit vergeht, die Trauer und die Erinnerung nicht. Die Symbolkraft dieses Denkmals ist unsere gegenseitige Verbundenheit."

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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