Coronavirus:Sinneswandel hin zur Impfpflicht

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"Was muss denn noch passieren?", fragt der Bundestagsabgeordnete Michael Schrodi. Angesichts der Dynamik der vierten Welle ändert er seine Haltung - genauso wie seine Kolleginnen Katrin Staffler und Beate Walter-Rosenheimer

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Wie kann man die Impfquote steigern? Einige sehen eine Verpflichtung als einzige Chance. (Foto: Jan Woitas/dpa)

Klar für eine allgemeine Impfpflicht haben sich parteiübergreifend die drei Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CSU), Beate Walter-Rosenheimer (Grüne) und Michael Schrodi (SPD) ausgesprochen. Angesichts der aktuellen vierten Welle der Corona-Pandemie rücken sie von dem Prinzip der Freiwilligkeit ab. Druck kommt auch aus der Bevölkerung. So schreiben vier Landkreis-Bürger in einem offenen Brief: "Wir haben es satt, dass die nicht geimpfte Minderheit das Leben der Mehrheit bestimmt."

Er habe auf die Rationalität der Leute gesetzt und gehofft, dass sich nur etwa zehn Prozent einer Impfung verweigern, sagte Schrodi. Aber weder Argumente noch das Zureden mit "Engelszungen" und "sanfter Druck" wie die kostenpflichtigen Tests hätten geholfen. Um eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten sich etwa 85 Prozent der Bevölkerung impfen lassen, derzeit liege man bei 70 Prozent, wobei der Landkreis mit etwa 61 Prozent weit unterdurchschnittlich abschneidet.

Darum tritt der SPD-Politiker jetzt für die Impfpflicht ein, angesichts der aktuellen Rekord-Inzidenzen, vollen Intensivstationen und steigenden Todeszahlen. "Was muss denn noch passieren, damit die Leute einsehen, dass das Impfen notwendig ist?", fragt Schrodi. Ohne Herdenimmunität würde sich die Pandemie lange hinziehen. "Wir würden 2022 wieder die gleiche Lage haben und eine siebte und achte Welle erleben." Auf die Frage, ob es nicht falsch von Politikern aller Parteien gewesen sei, monatelang zu verkünden, man werde keine Impfpflicht verhängen, meinte Schrodi: "Man sage niemals nie."

Auch Staffler begründet ihren Sinneswandel damit, dass die Freiwilligkeit nicht zum nötigen Erfolg geführt hat. "Wir müssen jetzt vor allem an diejenigen denken, die verantwortungsvoll gehandelt haben und sich impfen haben lassen", sagte sie. Für geimpfte Personen mit schwerwiegenden medizinischen Problemen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt könnten häufig schon keine Intensivplätze mehr gefunden werden, weil diese mit nicht geimpften Covid-Patienten belegt seien. Das könne nicht angehen, deshalb plädiere sie für die "rechtssichere Regelung einer verpflichtenden Impfung", erklärte die CSU-Politikerin.

Die Bundestagsabgeordneten (von links) Katrin Staffler (CSU) und Michael Schrodi (SPD) möchten die Corona-Impfung jetzt verpflichtend machen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

"Bisher war ich nie für eine Impfpflicht, weil für mich das Recht auf Selbstbestimmung ein hohes Gut ist", betonte Beate Walter-Rosenheimer. Seit einigen Monaten und mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen und Zahlen, stelle sie diese Position jedoch infrage. Dennoch bleibe es "eine schwierige Entscheidung, bei der das Recht des Einzelnen gegen das Gemeinwohl aufgewogen werden muss".

Allerdings räumt die Grünen-Politikerin ein, dass bei ihr die Waagschale Impfpflicht gegenüber der Selbstbestimmung dazu tendiere, schwerer zu wiegen. Denn die Freiheit des Einzelnen habe eine Grenze, wo sie die Freiheit oder Gesundheit anderer aufs Spiel setzt, sagte Beate Walter-Rosenheimer.

Für die geplante Ampel-Koalition könnte das schwierig werden. Schrodi ist jedoch sicher, dass der liberale Partner mitziehen werde. Der SPD-Bundestagsabgeordnete geht davon aus, dass die Impfpflicht zunächst für bestimmte Institutionen und Gruppen eingeführt wird, in Altenheimen und Krankenhäusern - er möchte die Lehrer ergänzen. Und dafür gebe es bereits zustimmende Signale von den Liberalen. "Ich hoffe auf die Vernunft der FDP", sagt Schrodi. Er verweist auf das Beispiel der Freien Wähler: Dass deren Chef Hubert Aiwanger eine Impfung abgelehnt habe, sei in Bayern "eines der größten Probleme gewesen". Inzwischen habe sich Aiwanger eines Besseren besonnen.

© SZ vom 25.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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