Folge des Wintereinbruchs:Seit Tagen in der Warteschlange

Lesezeit: 4 min

Hier sitz' ich nun und kann kaum anders: Mancher Passagier, der nicht weiterkommt, hat sich im Terminal bereits häuslich eingerichtet. (Foto: Marco Einfeldt)

Erst Schnee, dann Eisregen: Am Münchner Flughafen harren zahlreiche gestrandete Passagiere aus. Sie berichten von horrenden Hotelpreisen, vermissten Gepäckstücken - und beim Thema Service können viele nur noch lachen.

Von Barbara Galaktionow

Der erste Eindruck vom Münchner Flughafen am späten Dienstagvormittag: Es wirkt relativ ruhig in Terminal 2. Leute sitzen auf Bänken, Gepäck neben sich, und warten. Am Check-in-Schalter herrscht ein wenig Gedränge. Doch das Chaos vom Wochenende, als dort nach der Komplettschließung nach Auskunft des Flughafens zwischen 1000 und 1500 Menschen gestrandet waren, scheint sich gelichtet zu haben.

"Seit gestern Abend haben sich die Terminals sehr stark geleert", sagt Pressesprecher Henner Euting. In der Nacht von Montag auf Dienstag hätten nur noch etwa 200 Menschen am Flughafen übernachtet. Ruhig ist es am Flughafen allerdings auch, weil der Betrieb am Dienstagvormittag wegen eines angekündigten Eisregens erneut bis 12 Uhr ausgesetzt wurde. Und auch danach sollten nur etwa 100 der geplanten 800 Flugbewegungen stattfinden. Wer kann, hat sich also gar nicht erst auf den Weg gemacht. Doch dieses Privileg haben nicht alle.

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Biegt man in die Halle vor dem Service-Center der Lufthansa ein, ist es denn auch vorbei mit dem Eindruck von Normalbetrieb. Eine sehr lange Schlange zieht sich durch den gesamten Raum und wieder zurück. Alle warten darauf, Auskunft zu bekommen, wann sie wohin weiterfliegen können, ob heute, ob wenigstens morgen.

So wie Vibeke Hessen und Ole Stokkeland aus Norwegen. Seit dreieinhalb Stunden warten sie schon darauf, bis zum Schalter vorzudringen. Die Reise nach München mit einem befreundeten Paar sollte ein Überraschungstrip für Stokkeland zum 50. Geburtstag werden, erzählt Hessen. Es sei dann tatsächlich "alles sehr überraschend" geworden.

Vibeke Hessen und Ole Stokkeland. (Foto: Marco Einfeldt)

Schon die Hinreise am Donnerstag mit Zwischenstopp in Amsterdam habe nicht reibungslos funktioniert. Statt nach München seien sie nur bis Frankfurt mit dem Flieger gekommen, von dort mit dem Zug nach Ulm, wo dann aber auch nichts mehr ging und sie mit dem Taxi nach München weiterfuhren.

Der Rückflug am Sonntag: gecancelt. Die Umbuchung für Montag: gecancelt. Die für Dienstag: gecancelt. Die Online-Services funktionierten nicht. So bleibe ihnen nichts anderes übrig, als hier anzustehen. Hessen und Stokkeland wundern sich ein bisschen: In Norwegen sei dieses Wetter im Winter ganz normal und alles funktioniere.

Was tun, wenn nichts mehr fährt
:Diese Rechte haben Reisende bei Wetterchaos

Bahn, Flugzeug, Fernbus: Was steht Reisenden zu, wenn das Wetter zu Verspätungen und Ausfällen führt?

Von Eva Dignös

Über die Auswirkungen des Winterwetters wundern sich auch Günther Huber und Jutta Giess. "Als wenn es nie geschneit hätte", sagt Huber. Das Ehepaar ist mit dem Mietauto aus Südtirol angereist, um von München aus nach Rio de Janeiro zu fliegen. Samstag war das, seitdem stecken sie fest. Ihre Flüge wurden jeden Tag gecancelt. Zurück geht es wegen des Schnees auch nicht: "Wir kommen gar nicht nach Südtirol", sagt Giess.

Günther Huber und Jutta Giess. (Foto: Marco Einfeldt/Marco Einfeldt)

Nun hoffen sie, einen Flug nach Frankfurt oder Zürich zu ergattern, wo der Winter offenbar weniger Probleme verursache, und von dort aus weiterzukommen. Übernachtet haben sie im Hilton am Flughafen. Auf die Frage, ob die Lufthansa das organisiert habe, lacht Huber nur. "Die Lufthansa macht nichts", sagt er.

"Das Schlimmste ist, dass man nicht informiert wird", findet Stefan Schulz, der aus beruflichen Gründen nicht mit seinem echten Namen auftauchen will. Er steht ziemlich am Ende der langen Schlange. Erst "vor zwei Minuten" habe er erfahren, dass der Flug, auf den er und seine aus dem Allgäu stammenden Eltern umgebucht worden waren - sie wollten gemeinsam in die USA reisen -, auch nicht starte.

Mächtige Schlangenlinie: Die Wartereihe zieht sich am Dienstag immer noch durch die gesamte Halle. (Foto: Marco Einfeldt)

Seine Eltern seien beide über 70, sie bräuchten ein Beatmungsgerät - das sei aber in dem Gepäck, das sie schon am Montag aufgegeben hatten, bevor ihr erster Flug storniert wurde, und es gebe offenbar keinen Weg, jetzt daran zu kommen. Die Nacht haben er und seine Eltern in einem Hotel in Garching verbracht - mehr als 300 Euro pro Zimmer hätten sie dafür hinlegen müssen.

Die Extra-Kosten durch das Flugchaos werden langsam auch Viktoria Gerrer und Ronald Hayderer zu viel. Das Paar aus Wien sitzt auf einer Bank in der Wartehalle und sieht ein bisschen erschöpft aus. Eigentlich haben Menschen, die länger am Flughafen festsitzen, nach der EU-Fluggast-Verordnung Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Getränke, Essen und gegebenenfalls eine Übernachtung im Hotel. Wenn man aber kaum jemanden erreicht, ist es natürlich schwer, diese Rechte im Moment geltend zu machen - und sich nicht erst im Nachhinein entstandene Kosten erstatten zu lassen.

Viktoria Gerrer und Ronald Hayderer. (Foto: Marco Einfeldt)

Es habe ein entspannter Wochenend-Trip nach München werden sollen, berichten Gerrer und Hayderer. Freitags hin, sonntags zurück. Doch der Rückflug am Sonntag wurde gestrichen, ebenso wie der am Montag über Hamburg nach Wien und der für Dienstag um 11:25 Uhr angesetzte. Angeblich sollten sie nun um zehn Uhr abends fliegen, sagt Gerrer. Doch sie sieht es noch nicht kommen: "Wenn es dann wieder kalt ist und wieder friert..." Alternativen gebe es halt leider nicht: Züge führen nicht, Busse seien ausgebucht. Und so hingen sie denn wieder zwölf Stunden am Flughafen herum.

Für einen Ausflug nach München hätten sie jetzt nicht die Nerven. Auch finanziell würde es nach zwei ungeplanten Nächten in einem Hotel in Erding langsam eng. "Geld zum Auslegen ist nicht mehr da", sagt Hayderer. Zwar hätten sie von der Lufthansa einen 15-Euro-Gutschein erhalten - den könnten sie jedoch erst mit einer gültigen Bordkarte einlösen.

Ansonsten sieht die essensmäßige Not-Unterstützung für sie wie die anderen Passagiere erst einmal so aus: Wasser, Hanuta und zwei - aus Münchner Sicht - eher dünne, in Plastik verpackte Brezn.

Das Verpflegungspaket haben auch Ryan Grafton und Scarlett Elias dabei, die am Rande der Halle auf dem Boden sitzen. Das junge Paar aus Los Angeles wollte via München nach Krakau reisen. Statt in die polnische Stadt fuhren sie am Montag allerdings dann in die Münchner Innenstadt, suchten sich ein Hotel und besuchten den Christkindlmarkt.

Ryan Grafton und Scarlett Elias. (Foto: Marco Einfeldt)

Heute würden sie sich ein Hotel in Flughafennähe ausgucken, sagt Grafton - denn ihr Flug solle nun am Mittwochmorgen um sieben Uhr gehen. Die beiden reisen dabei mit leichterem Gepäck als geplant: Der Koffer von Elias ging im Schneechaos verloren.

Wie viele Fluggäste derzeit noch in München auf ihre Weiterreise warten, weiß der Flughafen nicht. Die Lufthansa weiß es über ihre Passagiere wohl schon, Sprecherin Bettina Rittberger verweist allerdings auf "Interna". Ihr zufolge, werden alle Passagiere auf den "nächstmöglichen Flug gebucht", meist werde das aber eben erst Mittwoch werden, da der Flugbetrieb noch eingeschränkt sei.

Beim Flughafen rechnet man damit, dass nun "das Gröbste durch" ist. Auch am Mittwoch könne es jedoch noch zu Annullierungen kommen. Der genaue Flugplan werde erst noch erstellt.

Anmerkung der Redaktion: In der Online-Version dieses Artikels haben wir noch einen Abschnitt zu Fluggast-Rechten ergänzt.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMünchner Schnee-Momente
:Vom Glück rund um den Mount Mittelstreifen

Eine Geistertrambahn, freundliche Langläufer an der Isar und emsige Ritzenreiniger - in der Rekord-Schneelage lässt sich einiges Erheiterndes erleben. Eine Anekdotensammlung.

Von SZ-Autoren

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: