Was tun, wenn nichts mehr fährt:Diese Rechte haben Reisende bei Wetterchaos

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Wenn bei der Bahn oder anderen Verkehrsmitteln nichts mehr geht, haben Reisende diverse Rechte, die sie geltend machen können. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Bahn, Flugzeug, Fernbus: Was steht Reisenden zu, wenn das Wetter zu Verspätungen und Ausfällen führt?

Von Eva Dignös

Schnee, Sturm und Eis können das Reisen schwierig bis unmöglich machen. Ist das "höhere Gewalt"? Oder haben Passagiere trotzdem Anspruch auf Entschädigungen? Die Passagierrechte im Überblick:

Bahn

Seit Juni 2023 gilt eine neue EU-Verordnung "über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr". Bahnunternehmen in der EU müssen seitdem keine Entschädigungen mehr zahlen, wenn außergewöhnliche Umstände, auf die sie keinen Einfluss haben, der Grund für eine Verspätung sind. Dazu gehören extreme Witterung, Polizeieinsätze, Kabeldiebstähle, Notarzteinsätze im Zug oder Menschen auf den Gleisen. Ein Herbststurm oder ein plötzlicher Wintereinbruch fällt nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverbandes nicht darunter: "Jahreszeitlich bedingte Witterungsbedingungen" seien damit nicht gemeint. Vielmehr müsse es sich um "außergewöhnliche Naturkatastrophen" handeln. Bei Schnee, Sturm und Eis hingegen haben Zugpassagiere also weiterhin ein Anrecht auf eine Entschädigung.

Was tun, wenn der Zug nicht fährt?

Fällt ein Zug wegen Schneechaos oder Sturm aus oder verpasst der Reisende wetterbedingt seinen Anschluss, kann er ohne Aufpreis auf einen beliebigen anderen Zug ausweichen - wenn einer fährt. Bei Angeboten wie einem Sparpreis-Ticket wird die Zugbindung aufgehoben. Umsteigen dürfen Bahnreisende auch, wenn sie damit rechnen müssen, dass ihr gebuchter Zug sein Ziel mit einer Verspätung von mehr als 20 Minuten erreichen wird.

Nimmt der Bahnreisende einen teureren Zug, um überhaupt voranzukommen, also zum Beispiel einen ICE anstelle eines Nahverkehrszugs, muss er zunächst den Aufpreis entrichten. Anschließend kann er sich das Geld in einem DB-Reisezentrum erstatten lassen. Stark ermäßigte Fahrkarten wie das Deutschlandticket, die Länder-Tickets und das Quer-durchs-Land-Ticket sind davon allerdings ausgenommen, hier wird die Preisdifferenz nicht erstattet. Auch die Kombination von Deutschland- und Fernverkehrsticket kann zu Problemen führen: Verpasst man beim Umsteigen vom Nah- auf Fernverkehr wegen Verspätung seinen Anschluss und hatte man für die zweite Etappe ein Ticket mit Zugbindung, dann darf es nicht einfach für einen anderen Zug genutzt werden.

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Werden Bahnverbindungen gestrichen oder sind sie mehr als 60 Minuten verspätet, kann man sich auch den Gegenwert seines Zugtickets samt Sitzplatz-Reservierung zurückzahlen lassen und auf die Reise verzichten. Wer unterwegs nicht weiterkommt und entnervt zum Ausgangsbahnhof zurückfährt, bekommt die gesamte Reise erstattet. Wer nicht umkehrt, erhält nur den nicht genutzten Anteil der gebuchten Strecke zurück.

Zahlt die Bahn eine Entschädigung für Verspätungen?

Kommt ein Fahrgast mindestens eine Stunde zu spät am Ziel an, muss die Bahn 25 Prozent des Fahrpreises erstatten. Bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent (für die einfache Fahrt, bei einem Ticket für Hin- und Rückweg zählt also nur die Hälfte des Gesamtpreises). Kein Anrecht auf Entschädigung haben Bahnreisende wegen der neuen EU-Regeln bei Polizeieinsätzen, Kabeldiebstählen, Notarzteinsätzen im Zug, Naturkatastrophen oder wenn sich Menschen auf den Gleisen befinden.

Wie können Fahrgäste Verbindungsstörungen nachweisen?

Belege sind wichtig, um die Ansprüche geltend zu machen. Im Idealfall lassen sich Reisende die Störung von DB-Beschäftigten am Bahnhof oder im Zug bescheinigen. Alternativ können Betroffene aber auch Fotos von Anzeigetafeln oder Screenshots der Informationen in der DB-App oder auf der Internetseite des Eisenbahnunternehmens machen, auf denen die Verspätung oder der Ausfall des Zugs vermerkt sind.

Wie entschädigt die Bahn Pendler mit Zeitkarten?

Ab einer Verspätung von 60 Minuten bekommen Fahrgäste mit Zeitkarte eine pauschale Entschädigung pro Fahrt. Für Zeitkarten der zweiten Klasse im Fernverkehr gibt es fünf Euro, in der ersten Klasse 7,50 Euro. Bahncard-100-Besitzer bekommen in der zweiten Klasse zehn und in der ersten Klasse 15 Euro. Insgesamt werden maximal 25 Prozent des Zeitkartenwerts entschädigt.

Im Nahverkehr können Bahnfahrer nicht mit nennenswerten Entschädigungen rechnen. Ab 60 Minuten Verspätung gibt es in der zweiten Klasse pauschal 1,50 Euro, in der ersten 2,25 Euro. Allerdings werden erst Beträge ab vier Euro ausgezahlt. Nahverkehrskunden erhalten ihr Geld also erst ab der zweiten beziehungsweise dritten Verspätung innerhalb der Gültigkeitsdauer des Zeit-Tickets.

Wie kommen Reisende an ihr Geld?

Um Ansprüche geltend zu machen, muss das entsprechende Fahrgastrechte-Formular ausgefüllt werden. Reisende erhalten es im Zug, an der DB-Information, in DB-Reisezentren oder auf der Website der Bahn. Wurde das Ticket über ein Kundenkonto auf bahn.de gekauft, können die Ansprüche online sowie in der DB-Navigator-App angemeldet werden.

Zahlt die Bahn ein Taxi oder ein Hotelzimmer?

Zunächst einmal müssen Reisende sich informieren, ob die Bahn eine alternative Verbindung anbietet, zum Beispiel einen Schienenersatzverkehr. Ist dies der Fall, hat das Angebot der Bahn immer Vorrang.

Auf eigene Faust ein Taxi zu nehmen, könnte hingegen teuer werden. Denn dafür gelten spezielle Regeln: Zunächst einmal darf es keine von der Bahn angebotene Transportalternative geben. Die Bahn muss außerdem nur Kosten in Höhe von maximal 80 Euro erstatten - und auch das nur, wenn die geplante Ankunft am Zielbahnhof zwischen Mitternacht und fünf Uhr liegt und man per Zug mindestens eine Stunde Verspätung erwarten müsste oder aber der letzte planmäßige Zug des Tages ausfällt und man das Ziel anderweitig nicht bis 24 Uhr erreichen würde.

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Ist die Fortsetzung der Fahrt am selben Tag nicht möglich oder nicht zumutbar, muss die Bahn auch die Kosten für ein Hotelzimmer tragen. Da von der Bahn organisierte Möglichkeiten immer Vorrang haben, sollten sich Passagiere zunächst mit der Fahrkartenverkaufs- oder Informationsstelle oder mit Zugpersonal in Verbindung setzen, bevor sie sich selbst um ein Quartier bemühen.

Und wenn ich wegen der Bahnverspätung meinen Flug oder mein Schiff verpasst habe?

Wer keine Pauschalreise gebucht hatte oder wenigstens ein Rail&Fly-Ticket, bleibt wohl auf den Kosten sitzen. Denn die Bahn muss nur für das ausgefallene Zugticket entschädigen und nicht für den Flug. So können Passagiere höchstens auf die Kulanz der Airlines beim Umbuchen hoffen.

Flugzeug

Welche Rechte haben Passagiere, wenn sich ein Flug wegen des Wetters verspätet oder er ganz ausfällt?

Wird ein Flug wegen des Wetters annulliert oder würde er mehr als fünf Stunden zu spät ankommen, müssen Airlines für eine zumutbare Ersatzbeförderung sorgen (bei kürzeren Distanzen etwa mit der Bahn, falls diese fährt) oder innerhalb von sieben Tagen das Geld zurückzahlen. Außerdem hat, wer am Flughafen festsitzt, Anspruch auf Betreuungsleistungen wie Getränke und Essen. Das gilt bei Flügen von bis zu 1500 Kilometern bei mindestens zwei Stunden Wartezeit. Bei einer Strecke von 1500 bis 3500 Kilometern gibt es nach drei Stunden Unterstützung, ab 3500 Kilometer Strecke nach vier Stunden. Geht es erst am nächsten - oder übernächsten oder überübernächsten - Tag weiter, muss gegebenenfalls eine Übernachtung im Hotel sowie die Fahrt dorthin organisiert werden.

Kommt die Airline ihren Pflichten nicht nach, ist kein Ansprechpartner zu finden oder gibt es keine Informationen, wo die Nacht verbracht werden kann, darf man sich auch selbst um eine Unterkunft bemühen. Die Kosten muss die Fluggesellschaft dann nachträglich erstatten. Wichtig sind Belege: Screenshots von den Anzeigetafeln, Mail-Verläufe, Hotel- und Taxiquittungen. Wer sich entscheidet, die Nacht am Flughafen zu verbringen, kann allerdings nicht im Nachhinein fiktive Übernachtungskosten in Rechnung stellen. Und: Passagiere haben eine "Schadensminderungspflicht", dürfen sich also nicht im Fünf-Sterne-Hotel einbuchen, sondern nur einigermaßen angemessene Kosten verursachen.

Das gilt auch, wenn die Airline keinen Ersatzflug anbietet und man sich selbst um eine neue Verbindung bemüht. Auch dann sollte es ein möglichst günstiges Ticket sein, was man beispielsweise mit Screenshots der Suche auf Vergleichsportalen belegt.

Wird zusätzlich eine Entschädigung gezahlt?

Eigentlich sind in der EU-Fluggastrechte-Verordnung bei Verspätungen gestaffelte Entschädigungen von bis zu 600 Euro vorgesehen - aber im Gegensatz zur Bahn nicht, wenn widrige Witterungsbedingungen die Ursache dafür sind. Allzu leicht dürfen sich Fluggesellschaften jedoch nicht auf höhere Gewalt herausreden: Geht etwa das Frostschutzmittel aus oder dauert das Enteisen zu lange, müssen Airlines durchaus für die Verspätung entschädigen.

Wie machen Flugreisende ihre Ansprüche geltend?

Ansprüche prüfen und geltend machen können Passagiere beispielsweise mithilfe der Flugärger-App der Verbraucherzentrale NRW, einen Musterbrief gibt es auch auf der Website des Europäischen Verbraucherzentrums Deutschland. Im Streitfall kann man sich gratis an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr wenden oder gegen Provision einen Dienstleister wie Flightright, Fairplane, EUclaim oder EUflight beauftragen.

Welche Regelungen gelten bei Pauschalreisen?

Bei Pauschalreisen ist der Reiseveranstalter der Ansprechpartner: Er muss dafür sorgen, dass der Kunde in die Luft kommt, denn der Flug ist Teil des Vertrags. Auch bei den Kosten für Verpflegung oder eine Übernachtung, die durch eine Verspätung entstehen, ist der Reiseveranstalter in der Pflicht.

Fernbus

Welche Rechte haben Busreisende, wenn die Fahrt annulliert wird oder viel zu spät losgehen soll?

Noch einmal andere Spielregeln gelten für Fernbus-Reisen. Berufen kann man sich auf die Fahrgastrechte bei Fahrten mit mehr als 250 Kilometer Länge und zumindest einem Abfahrts- oder Ankunftsort in der EU. Wartenden stehen Snacks und Getränke zu, falls sie 90 Minuten nach der geplanten Abfahrt noch immer am Busbahnhof ausharren. Auch ein Hotelzimmer müsste der Busanbieter bei einer unfreiwilligen Übernachtung bezahlen - allerdings nicht, wenn Unwetter oder Schneechaos eine sichere Fahrt unmöglich machen. Auch für eine verspätete Ankunft wegen Staus können die Busunternehmen nicht verantwortlich gemacht werden: Sie können die Autoschlange ja nicht einfach auflösen. Entscheidend ist bei Fernbus-Reisen daher die verspätete Abfahrts- und nicht die Ankunftszeit.

Ist für den Anbieter absehbar, dass die Tour gestrichen wird, sich die Abfahrt um mehr als 120 Minuten verzögert oder der Bus überbucht ist, muss er seine Kunden unverzüglich vor die Wahl stellen: Wollen sie die Fahrt später noch antreten, früher über eine andere Route starten oder eine alternative Beförderung zum selben Preis wählen? Oder soll der Fahrpreis zurückerstattet werden - falls nötig inklusive einer kostenlosen Rückfahrt mit dem Bus zum Ausgangsort? Versäumt das Busunternehmen, diese Möglichkeiten anzubieten, steht dem Fahrgast eine Entschädigung zu: Dann gibt es die Hälfte des Fahrpreises zur Rückerstattung obendrauf.

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