AfD im Landkreis Erding:Breitgefächerter Protest gegen Rechts

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Björn Höcke und Frank Beughold vor einem Banner des AfD-Ablegers "Erdinger Patrioten" - ein Bild, das die Verbundenheit zur offiziell aufgelösten völkisch-nationale AfD-Gruppierung "Der Flügel" sehr deutlich macht. (Foto: Screenshot Telegram)

Seit 2018 ist im Landkreis schon oft und vielfältig gegen die AfD protestiert worden: mit roten Karten, Demoumzügen und stundenlangem Glockengeläut. Die AfD auf lokaler Ebene präsentiert sich als vielschichtig rechtsradikale Gruppe ehemaliger Reps, Höcke-Fans und aggressiver Hetzer.

Von Florian Tempel, Erding

Essen, Rostock, Leipzig, Köln - überall in Deutschland wird gegen Rechtsextremismus demonstriert. Am Sonntag werden Zehntausende in München zur Kundgebung "Gemeinsam gegen Rechts - für Demokratie und Vielfalt" erwartet. Auch im Landkreis Erding haben schon viele Demos gegen Rechts stattgefunden. Früher wurde gegen die rechtsradikalen Republikaner protestiert, später stellte man sich in Dorfen der NPD und anderen Neonazis entgegen. Nachdem sich im Januar 2018 der Kreisverband Erding der AfD gegründet hatte, richtete sich der Protest gegen diese.

Im Mai 2018 erreichte eine kreative und beeindruckende Protestaktion in Dorfen überregionale Aufmerksamkeit. Zahlreiche Dorfenerinnen und Dorfener besetzten frühzeitig die Plätze im Veranstaltungslokal der AfD, wodurch für Anhänger der Partei kaum noch Stühle frei blieben. Bei rechten Parolen der Redner zückten sie rote Karten, mit denen sie ihren Unmut zum Ausdruck brachten. Diese vom Bündnis "Bunt statt Braun" geplante "schweigende Mauer" im Wirtshaus wurde von einer politischen Party auf dem Marktplatz vor dem Lokal begleitet, die von "Die Partei" organisiert worden war und zu der etwa 100 meist junge Leute gekommen waren.

Dorfenerinnen und Dorfener zeigen der AfD 2018 im Veranstaltungslokal rote Karten. (Foto: Renate Schmidt)

Einen Monat darauf wurde erneut demonstriert. An der zweiten Demo gegen die AfD mit einem langen Protestzug vom Bahnhof bis in die Innenstadt beteiligten sich etwa 200 Menschen. Das widerständige Dorfen war schon etwas bekannt geworden. Mit dem Deutschland-Korrespondenten des Wall Street Journals war sogar die internationale Presse in Dorfen vertreten.

SPD-Stadtrat Heiner Müller-Ermann, der mit einem handgeschriebenen Plakat mit der Aufschrift "Auch damals dachten viele: So schlimm wird's schon nicht werden" etwas abseits der Gegendemo stand, erhielt wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz vom Landratsamt Erding ein Bußgeld aufgebrummt. Die Sache ging bis vor Gericht, wo Müller-Ermann freigesprochen wurde.

In Taufkirchen ließ der Pfarrer zwei Stunden lang die Kirchenglocken gegen die AfD läuten

Im Oktober 2018 versammelten sich etwa 300 Demonstrierende in Taufkirchen an der Vils, als AfD-Politikerin Beatrix von Storch zu einem Wahlkampfauftritt kam. SPD, Grüne, Die Partei und der Verein Flüchtlingshilfe Erding hatten zur Demo "Gegen Hass und Hetze" aufgerufen. Der Taufkirchener Pfarrer Pater Pawel Kruzek setzte ein ganz besonderes Zeichen und ließ während der AfD-Versammlung zwei Stunden lang durchgehend die Kirchenglocken läuten.

Ein halbes Jahr später wurde in Eichenried gegen eine AfD-Großveranstaltung zur Europawahl demonstriert. Im voll besetzten Stanglwirt sprach Alexander Gauland, während etwa 250 Gegendemonstranten dem Aufruf des Bündnisses "Bunt statt Braun" gefolgt waren und draußen im Regen, auf der anderen Seite der Bundesstraße B 388, Position bezogen hatten. Immer wieder hupten vorbeifahrende Autofahrer, um ihre Solidarität zu bekunden. Die Demonstrierenden wurden mehrmals von aufgebrachten Rechten aggressiv angegangen und im Nachgang erhielt eine der Demo-Organisatorinnen, die Grünen-Kreis- und Stadträtin Helga Stieglmeier, einen Schwall von Hassbotschaften und Drohungen.

2019 gab es eine Gegendemo während einer AfD-Großveranstaltung mit Alexander Gauland in Eichenried. (Foto: Renate Schmidt)

Die AfD und ihre Mitglieder im Landkreis Erding sind keine ruhige Gruppe, sondern auffällig und in vielen Hinsichten typische Vertreter der zumindest in Teilen rechtsextremen Partei. Mehrere lokale AfD-Führungskräfte und alle vier aktuellen Kreisräte Wolfgang und Otto Kellermann, Martin Huber und Peter Attenhauser waren zuvor Mitglieder der rechtsradikalen Republikaner.

Der Taufkirchener Martin Huber, der im Oktober für die AfD einen Sitz im bayerischen Landtag geholt hat, hat seine politische Karriere 1989 bei den Reps begonnen und stieg bis in deren Landesvorstand auf. Huber wechselte nach einem persönlichen Telefonanruf von Alice Weidel 2018 zur AfD und fand so auch wieder mit einem früheren Parteifreund zusammen. Der Erdinger AfD-Kreisvorsitzende Wolfgang Kellermann war früher ebenfalls bei den Reps.

Björn Höcke ist Ehrenmitglied des AfD-Ablegers "Erdinger Patrioten"

Einige Vorstandsmitglieder des AfD-Kreisverbands haben sich als "Erdinger Patrioten" eine Unterstruktur geschaffen. Die "Erdinger Patrioten" haben ihre Homepage im typischen AfD-Blau eingefärbt und ihr Symbol - ein Adlerflügel - ist offensichtlich eine Huldigung an die völkisch-nationale AfD-Gruppierung "Der Flügel", der seit April 2020 in der AfD offiziell aufgelöst ist. Björn Höcke genießt bei den Erdinger Patrioten höchste Bewunderung und ist Ehrenmitglied.

Der Moosinninger Frank Beughold war Schatzmeister des AfD-Kreisverbands, Führungskraft bei den "Erdinger Patrioten" und Administrator der Telegram-Gruppe "Erdinger Freiheitsforum", in der sich lokale Pandemieleugner, Verschwörungsgläubige, Impfgegner und Rechtsextreme vernetzt haben. In einem Chatbeitrag vor zwei Jahren schrieb er vor: "Wenn wir nur 10 % Menschen vom Schlage eines Björn Höcke in der Führung der Nation hätten, gäbe es diese Krise jetzt nicht."

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Im Internet findet sich unter dem Namen Frank Beughold ein weiteres Statement. In einem Kommentar zu einem Text mit dem Titel "Failed State Deutschland: Ein verlorenes Land ohne Hoffnung auf Rettung" heißt es: "Wir brauchen eine Militärregierung bis die [...] Altparteien entfernt und die Macht dem Volk als echte Volksdemokratie zurückgegeben wird."

Der stellvertretende Kreisvorsitzende Peter Junker wurde wegen Volksverhetzung, wegen Äußerungen beim Europaparteitag in Magdeburg, zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. (Foto: Screenshot Youtube)

Die Erdingerin Dagmar S., eine ehemalige Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, ist vor einem Jahr vom Amtsgericht München zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil sie 2016 für einen rechtsradikalen Bekannten eine Maschinenpistole zwischengelagert hat. Dieser Bekannte war ebenfalls in der AfD, annullierte aber später seine Parteimitgliedschaft wegen seiner NPD-Vergangenheit.

Ein ehemaliges CSU-Mitglied ist der Finsinger Peter Junker, der vor Kurzem erst wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden ist. Junker ist stellvertretender AfD-Kreisvorsitzender und im Vorstand des Bezirksverbands Oberbayern. Junker hat auf dem AfD-Europaparteitag in Magdeburg im August 2023 queere Menschen in übelster Weise beleidigt. Seine Aggressivität bekam zuletzt auch eine Frau, die mit ihren Töchtern im Oktober in Waldkraiburg gegen die AfD demonstrierte, zu spüren. Er beleidigte sie mit den Worten, "das ist bestimmt eine alleinerziehende Mutter, die wir lebenslang alimentieren müssen und das Kind wird genauso blöd wie ihre Mutter. Wo ist das Jugendamt und nimmt das Kind dieser verblödeten Mutter weg?" Das alles ist in einem Video zu sehen, das Junker auf seiner Facebook-Seite gepostet hat.

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