Videokünstlerin Vanessa Hafenbrädl: Sie kann ihre Urahnen aus alten Gemälden steigen lassen und brave Blumenstillleben in psychedelisches Farbenflirren verwandeln. Sie kann Buchstaben und Wörter aus Büchern fliegen lassen. Sie kann zeigen, was Alice im Wunderland und hinter den Spiegeln fand. Kurz, sie kann den Genius Loci, den Geist eines Ortes, lebendig werden lassen.
Vanessa Hafenbrädl passt mit ihrer Kunst in keine Schublade. Sie wurde 1979 in Gräfelfing geboren und ist im Münchner Westen aufgewachsen. Sie war erst Pferdemädchen und dann rebellische Schulabbrecherin. Sie lebte als "Dieselqueen" jahrelang in einem umgebauten Truck und war Aktivistin in der sogenannten Wagenszene. Sie war Vagabundin und wurde dann Hamburgerin, sie war Studentin mit Kind und später ein paar Jahre lang einfach nur Mama.
Erst nach der Geburt ihrer Tochter, die heute 13 Jahre alt ist, hat sie ihr wildes Leben aufgegeben. Sie mietete eine Wohnung, absolvierte in Hamburg den Studiengang Digitaler Film und Animation und kehrte nach Bayern zurück, als die Tochter eingeschult werden sollte. Seit 2015 lebt sie am Westufer des Ammersees, hat sich praktisch vom ersten Tag an in der Kulturszene der Region engagiert und war dort an legendären Events wie "Kunst geht baden" beteiligt, einer Zwischennutzung des baufälligen Freibads in Greifenberg. Gleichzeitig ist sie in den vergangenen Jahren mit ihren Licht- und Videoinstallationen auch international durchgestartet. Für ihre Arbeit erhält Vanessa Hafenbrädl den Tassilo Kulturpreis.
Geschichtswerkstatt Dorfen: Wem gilt unsere Empathie? Das ist eine Frage, die sich alle, die an Lokalgeschichte interessiert sind, stellen sollten. Denn getragen von Lokalstolz und nicht hinterfragten Tradierungen hat lokale Geschichtsschreibung vielerorts klaffende Leerstellen. Auch in Dorfen war das so. Bis die Mitglieder der Geschichtswerkstatt loslegten.
Kommunistische Revolutionäre, Nazi-Lehrer, Jüdische Displaced Persons, NS-Euthanasieopfer, Zwangsarbeiterinnen? Da war nichts, da ist nichts, hieß es verdächtig nachdrücklich, und was geht uns das überhaupt an? Die Geschichtswerkstatt ließ sich nicht abwimmeln und zurechtweisen, sie bohrte nach und brachte so vieles ans Licht. Ihre Forschungsergebnisse schließen Lücken, die absichtlich, aus Gleichgültigkeit oder Desinteresse in Dorfen viel zu lange einfach hingenommen wurden. Die Empathie der Mitglieder der Geschichtswerkstatt gilt den verschwiegenen, vergessenen und unbeachteten Menschen.
Mit großer Einfühlsamkeit geben sie Opfern und Gequälten Gesicht und Stimme zurück. Mit großer Klarheit benennen sie Täter und rücken Lokalprominenz ins rechte Licht, die viel mehr Dreck am Stecken hat als verdienten Glanz. Ihre sorgfältig recherchierten Publikationen und großartigen Live-Veranstaltungen, bei denen stets Zeitzeuginnen, Nachfahren und Angehörige wichtige Mitakteure sind, gehen unter die Haut und hinterlassen bleibenden Eindruck. Für das alles braucht man in einer ländlichen Kleinstadt am Rande Oberbayerns viel Mut und Beharrlichkeit, Intelligenz und Herzenswärme.
Hans Elas, Bettina Kronseder, Doris Minet, Heidi Oberhofer-Franz, Monika Schwarzenböck, Schorsch Wiesmaier und Peter Willim haben deshalb Empathie und Anerkennung verdient. Und natürlich einen Tassilo-Hauptpreis.
Belli: "Ich wollte schon immer Musik machen, mein ganzes Leben lang", sagt die 20-jährige Isabella Löscher aus Freising. Also nennt sie sich Belli und sie singt und rappt sich gerade quer durch die Genres. In ihren Songs geht es aber nicht nur um die Musik. Die junge Musikerin will auch Geschichten erzählen. Schon als Kind hat sie Texte geschrieben und gesungen, mit zwölf Jahren entstand daraus dann der erste Song. Heute kann man ihre Musik bei Spotify hören, auf Instagram laufen Ankündigungen für die nächste Single. Von ihrem Können überzeugte sie auch das Publikum der Tassilo-Kulturpreisverleihung im Münchner Künstlerhaus. Mit gleich drei Songs, vorgetragen mit starker Stimme, tollem Rhythmus und viel Gefühl, machte sie so manchem Lust, mehr von ihr zuhören.
Professionell wurde ihre Arbeit mit 16. Die für die meisten Künstlerinnen und Künstler anstrengende und oft auch existenzbedrohende Corona-Zeit hat die junge Sängerin dazu genutzt, eigene Songs aufzunehmen und sich musikalisch auszuprobieren. Drei Singles hat sie in dieser Zeit veröffentlicht. Längst träumt die 20-Jährig davon, irgendwann nicht nur aus Leidenschaft Musik zu machen, sondern auch davon leben zu können. Dafür arbeitet sie hart. Die meiste Zeit verbringt sie mit ihren Freunden im Studio und produziert neue Songs, gleichzeitig studiert sie Sounddesign in München.
Belli hat große Pläne. Einer davon war, sich den Tassilo-Kulturpreis der SZ zu holen. Das hat sie schon mal geschafft. Und Weiteres wird ganz sicher folgen.